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Igus gibt Garantie von 4 Jahren auf Leitungen

Rainer Rössel, Geschäftsbereichsleiter Chainflex bei Igus, über die verlängerte Leitungsgarantie
„Geht das Produkt kaputt, ist das unsere Baustelle, nicht die des Kunden“

Das Aufkommen der Energiekette gilt als einer der Meilensteine in der Automatisierung. Doch es war ein langer Weg bis Leitungen derartigen Belastungen zuverlässig standhalten konnten. Jetzt verlängert Igus, das Unternehmen, das 1971 die erste Energiekette aus Kunststoff auf den Markt brachte, die Garantie für seine Chainflex-Leitungen auf vier Jahre.

» Hagen Wagner, Redakteur Industrieanzeiger

Gab es damals, als Igus die erste Energiekette aus Kunststoff auf den Markt brachte, überhaupt Leitungen, die diesen Belastungen standhielten?

An Leitungen dachte Igus damals noch nicht. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie man aus Kunststoffteilen eine leistungsfähige, leichte und wartungsfreie Energieführung herstellen kann, die nicht nur Strom, sondern auch andere Medien wie Daten oder Luft transportiert. In den 80er Jahren war Igus damit zunächst sehr erfolgreich, bis die Systeme immer anspruchsvoller wurden. Es kamen Regalbediengeräte auf und Hochregallager schossen an den Autobahnausfahrten wie Pilze aus dem Boden. Dort wurde häufig mit Stromschienen gearbeitet, die, wie der Name schon sagt, eigentlich nur Strom führen konnten. Mit der Energiekette konnten erstmals neben Energie auch Daten übertragen werden. Spezielle Leitungen für Energieketten gab es allerdings nicht. Die größten Kunden von Igus waren die Hersteller von Regalbediengeräten. Da kam es vor, dass die in den E-Ketten befindlichen Leitungen ausfielen, was natürlich zu Reklamationen führte. Der Anlagenbauer stellte dann die berechtigte Frage, wieso die Leitungen defekt waren. Der Kabelhersteller stellte sich auf den Standpunkt, dass seine Kabel nach der Norm zertifiziert und produziert seien. Daher sei die E-Kette Schuld, dass die Leitung ausfiele. Die Kabelindustrie war zu dem Zeitpunkt über 100 Jahre alt und die Energiekette nur ein paar Jahre. Da konnte sich die Kabelindustrie einfach zurücklehnen und auf die Normen verweisen. Das war der Auslöser für Igus, über Leitungen nachzudenken, die den Belastungen einer Energiekette standhalten.

Wie lange hat es gedauert, bis eine Normanpassung erfolgte, die die Leitungsbelastungen in Energieketten berücksichtigt hat?

Das ist ganz einfach zu sagen, es hat sich bis heute auf dem Normungsmarkt nichts entwickelt. Es gibt keine Norm, die eine sicher funktionierende E-Ketten-Leitung beschreiben kann.

Wie erklären Sie sich das?

Das ist relativ einfach: Eine Norm ist dann sinnvoll, wenn ich damit ein Produkt und auch dessen Anwendung beschreiben kann. Ich gebe mal ein klassisches Beispiel: Eine Leitung für eine Waschmaschine kann man normativ sehr gut erfassen. Eine Waschmaschine hat eine klare Funktion, das heißt, man kann das Produkt sehr gut einschränken, wofür es eigentlich gemacht ist. Und weil eine Normierung sehr aufwendig ist, macht sie nur Sinn, wenn bei einem Produkt auch ein hohes Volumen dahintersteht. An einer Norm für Energieketten hat sich der eine oder andere bereits versucht. Aber es gibt ein Hauptproblem: Die Vielfalt der Anwendungen ist unendlich. Ich habe von der Holzbearbeitungsmaschine über die Verpackungsindustrie bis zur Schwerindustrie, von der Bohrinsel bis zur Straßenbahntür, von der Halbleiterbestückungsmaschine bis zur Glasschneidemaschine, vom Betonwerk bis zum Büro und Fernsehstudio alle möglichen Anwendungen. Das alles normativ zu erfassen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Energieketten-Anwendungen sind also ein kompliziertes Feld in Sachen Normung. Was bedeutet das für Igus?

Das war damals die Herausforderung für Igus. Wir haben quasi unsere eigenen Standards entwickelt. Wir haben sehr schnell gemerkt, dass wir mit nur einer Leitung nicht alles machen können. Also hat Igus eigene Fertigungs- und Prüfnormen entwickelt, um diese verschiedenen Anwendungsbereiche testen zu können. Das ist auch der Grund, warum wir eine Garantie geben können, denn je nach Anwendung gibt es eine entsprechende Leitung. Dafür haben wir kostenfreie Online-Produktfinder, bei denen der Interessent zum Beispiel angeben kann, dass er eine Anwendung im Tiefkühlbereich hat und diesen Biegeradius, diese Fahrstrecke sowie diese Kombination benötigt. Wir schlagen dann anhand dieser Parameter das geeignete Produkt vor.

Erst im Jahr 2020 hat Igus die

36-monatige Garantie für Chainflex-Leitungen in einem aufwendigen

Zertifizierungsprozess validieren lassen. Wie sah dieser Prozess aus?

Vor zehn Jahren haben wir die Chainflex-Garantie eingeführt: 36 Monate oder je nach Leitung 5 bis 40 Millionen Hübe Garantie. Diese Garantie ist über 10 Jahre alt und basiert auf über 25 Jahren Versuchsarbeit und Felderfahrung. Aber es ist immer noch eine Aussage eines Herstellers, die der Kunde erst einmal glauben muss. Deshalb wollten wir noch einen Schritt weiter gehen und das Garantieversprechen von einer externen Institution untermauern lassen – und zwar von UL (Anm. d. Red.: UL = Underwriters Laboratories). UL hat unsere Prüfprozesse und die Gründe, warum wir uns diese Garantieaussage zutrauen, sehr genau unter die Lupe genommen. Auditoren haben sich unser Labor angeschaut und wie unsere Tests auf die Produkte beziehungsweise die Anwendungen abgestimmt sind. Als Ergebnis hat UL das Versprechen der 36-monatigen Garantie zertifiziert – ein bisher einmaliger Vorgang.

Warum kann Igus jetzt eine Garantie von vier Jahren aussprechen?

Wir haben weitere zehn Jahre Erfahrung in Labor und Praxis gesammelt und verfügen nun über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Herstellung von Leitungen für Energieketten. Gleichzeitig haben wir unsere Produktfinder verfeinert. Die Anzahl unserer Testzyklen pro Jahr liegt in der Größenordnung von über zwei Milliarden. Hinzu kommen über 280 Millionen Testzyklen an Chargenprüfungen pro Jahr, die unter Kabelherstellern weltweit einzigartig sind. Es gibt Standardtests nach der Kabelproduktion. Da werden Wandstärken geprüft, Materialalterung, Spannungsprüfungen, Kurzschlussprüfungen und so weiter. Was wir machen, ist, das Kabel aus der Produktion zu nehmen, in die Kette zu legen und zu bewegen. So können schleichende Verschlechterungen in der Produktion erkannt werden. Das können Veränderungen im Rohmaterial sein, schleichende Veränderungen im Bereich der Extrusion oder der Verseilung und natürlich auch Maschinenverschleiß. Zudem ist unsere Chargenprüfungsstrategie darauf ausgelegt mittelfristig die CO2-Bilanz zu verbessern. Denn die Kabelproduktion verursacht einen nicht unerheblichen CO2-Ausstoß. Dieser basiert auf der Gewinnung und Verarbeitung von Kupfer über die Herstellung von Kunststoffen und die anschließende Produktion des finalen Kabels bis zum Transport zum Endkunden. Dieser ist gegeben und lässt sich nur schwer verhindern. Was wäre aber, wenn eine E-Kennenleitung vier Mal solange hält? Dann wäre alleine auf der Herstellungsseite die CO2-Bilanz in der Anwendung vier Mal niedriger. Und auch beim Recyceln gäbe es weitere positive Effekte. Denn bei einem Kabel kann bestenfalls das Kupfer recycelt werden. Die verwendeten Kunststoffe hingegen sind so stark durchmischt, dass ihr Recycling nahezu unmöglich ist. Deswegen ist unser Konzept der Chargenüberwachung und der garantierten, berechenbaren Lebensdauer ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz. Dabei gilt: Haltbarkeit statt ständiger Austausch.

Gibt es besondere Bedingungen oder Einschränkungen für die Inanspruchnahme der Vier-Jahres-Garantie?

Die Bedingung ist nur die: Wenn ich das richtige Produkt für eine bestimmte Anwendung einsetze und es fällt aus, dann ist das ein Garantiefall. Wir haben keine 15-seitigen Garantiebedingungen wie andere Hersteller, wo man das Kleingedruckte erst mit der Lupe lesen muss. Bei uns gibt es den Lebensdauerrechner, es gibt den Produktfinder und es gibt den Katalog. Da stehen ganz klar die Anwendungsparameter drin. Wenn die eingehalten werden und das Produkt geht kaputt, dann ist das nicht die Baustelle des Kunden, sondern unsere Baustelle.

Bei einer so selbstbewussten Garantiezusage könnte man meinen, dass es nicht viele Garantiefälle gegeben hat?

Tatsächlich hatten wir in den letzten zehn Jahren keinen einzigen Garantiefall bei korrekter Anwendung. In Einzelfällen passieren natürlich auch mal Fehler, das nehmen wir dann auf unsere Schulter. Wir haben gerade einen Garantiefall gehabt, da war unsere Kataloginformation nicht sauber genug. Das haben wir erkannt und auch geändert. Auch da darf der Kunde nicht der Leidtragende sein. Wir haben wahrscheinlich in der Entwicklungsphase einige Parameter nicht ausreichend getestet. Da haben wir einen Fehler gemacht und daraus gelernt. Nur so kann man immer besser werden und dem Kunden mehr Sicherheit bieten.

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