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Geistesblitze nach Plan

Innovationsmethoden: Triz auf Erfolgskurs
Geistesblitze nach Plan

Viele bahnbrechende Ideen sind dem Zufall zu verdanken – eine wenig erbauliche Vorstellung für moderne Unternehmen. Die Triz-Methode verspricht hingegen systematische Innovationen nach Maß. Der 6. Deutsche Triz-Kongress in Heilbronn informierte über Theorie und Praxis des erfinderischen Problemlösens.

Anhänger der Methode sprechen gerne vom Triz-Virus, das sie befallen hat. Noch ist zwar in Deutschland keine Epidemie ausgebrochen, doch lassen sich immer mehr Interessierte von der Innovationsmethode freiwillig infizieren. So wie Peter Schweiker. Der Geschäftsführer der IHK Heilbronn-Franken, die im Juni zum 6. Deutschen Triz-Kongress einlud, hat mit der „Querdenker-Region Heilbronn-Franken“ eine Plattform für Innovationen geschaffen. Triz steht im Mittelpunkt: Man will die Anwenderregion Nummer eins in Deutschland werden.

Dass an Triz etwas dran ist, erfuhren die bislang noch nicht infizierten Teilnehmer des Kongresses: Weltunternehmen wie Siemens setzen inzwischen ebenso auf die vor 60 Jahren in Russland entwickelte Theorie des erfinderischen Problemlösens wie erfolgreiche Mittelständler. Ein Beispiel dafür ist die Wittenstein AG. Das Hightech-Unternehmen aus dem fränkischen Igersheim entwickelt und produziert elektromechanische Antriebskomponenten und -systeme, auch im Bereich der Medizintechnik. Etwa 280 Mitarbeiter wurden inzwischen geschult, darunter die komplette Entwicklungsabteilung. Ziel ist es, die Triz-Werkzeuge im ganzen Unternehmen einzuführen.
Erstaunlich ist auch, dass Betriebe wie Wittenstein nicht nur die eigenen Entwicklungsfragen mit Triz beantworten, sondern dies gelegentlich auch für andere tun. Unter dem Dach der IHK in der Region Heilbronn-Franken kommen inzwischen 30 Unternehmen aus verschiedenen Bereichen in zwei so genannten Trizgroups zusammen, um Innovationen systematisch zu erzeugen. Persönliches Vertrauen und ein Ehrenkodex sind die Basis: Die Rechte an einer Idee hat beispielsweise nicht der, der das Problem löst, sondern der, der die Aufgabe eingebracht hat.
Typisch Triz. Das wird zwar wie das englische „trees“ ausgesprochen, doch bilden diese Bäume hierzulande noch keinen Wald. Warum eigentlich, wenn es doch der Traum jedes Unternehmers sein müsste, Innovationen gezielt steuern zu können und die Methode das ideale Handwerkszeug dazu bereitstellt?
„Triz ist nicht trivial“, sagt Dr. Bernhard Denne von der Robert Bosch GmbH in Bühl, der Triz bei seinen Innovations-Workshops im Bereich Electrical Drives einsetzt. Es sei zwar unwahrscheinlich leistungsfähig, aber nicht einfach zu erlernen und zu benutzen. Ein kontinuierliches Arbeiten mit der Methode müsse gewährleistet sein. Und auch Entwicklungsingenieur Heiko Schreiber von der Wittenstein AG dämpft übertriebene Erwartungen: „Triz ist ein Werkzeug, ein Hilfsmittel, aber es ist keine Erfindungsmaschine.“
„Wenn ich so etwas ins Unternehmen bringen will, muss ich jemanden haben, der sich hundertprozentig damit befasst“, betont Dr. Robert Adunka, der bei der Siemens AG, im Industry Sector im Bereich der Industry Automation Division tätig ist. Adunka leitet die 2007 gegründete Innovation Tool Academy, die allen Siemens-Mitarbeitern offen steht, und zeigt dort, wie man schnell auf die richtige Idee kommt. Als wichtigstes Werkzeug wurde Triz ausgewählt und mehr als 200 Teilnehmern vermittelt – auch wenn der Begriff bei den Workshops eigentlich gar nicht gefallen sei, wie Adunka erwähnt.
Der Erfolg spricht für die Innovationsmethode. In 25 Workshops wurden laut Adunka bislang mehr als tausend Ideen und 250 Patente und Erfindungen generiert. Darunter ist auch eine neue Methode zur Schlüsselerkennung. Das alte Schloss benötigte einen Mikroschalter, ein verhältnismäßig aufwändiges System. Die Aufgabe lautete also, eine kleinere und in der Herstellung preisgünstigere Lösung zu entwickeln. Nach typischer Triz-Vorgehensweise mit Elementen wie der Funktionsanalyse, dem Anwenden der Widerspruchsmatrix und der 40 Innovationsprinzipien fanden die nur vier Teilnehmer des Workshops eine Lösung, die voll den Anforderungen entsprach. Sie ersetzten dabei den starren Stößel durch ein gefedertes Tele- skoprohr: Innovationsprinzip Nummer sieben, die Verschachtelung nach dem Modell der russischen Matrjoschka-Püppchen.
Zeit ist Geld – und Erfolge lassen sich schon mit eintägigen Workshops erzielen. Dabei gilt allerdings eine Faustregel, auf die Horst Splett vom Bereich Technische Entwicklung und Versuchsbau der Volkswagen AG hinweist: Je kürzer der Workshop, desto ausgiebiger muss vor- und nachbereitet werden. Bei VW gibt es inzwischen einen Konzern-Arbeitskreis zu Triz, das in Verbindung mit weiteren Methoden eingesetzt wird, wie dies auch in anderen Unternehmen geschieht. Ziel sei es, Triz flächendeckend im Konzern als Werkzeug zu nutzen. „Man braucht Promotoren“, sagt Splett.
Ideal, wenn der Chef selbst mit im Workshop sitzt, wie das Armin Lau von den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) Denkendorf erlebt hat. Fallstudien, die im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts WebTEXpert realisiert wurden, belegen, dass Triz auch in kleinen und mittleren Unternehmen erfolgreich eingesetzt werden kann. So sollte etwa bei einer wiederverschließbaren Handtuch-Verpackung gewährleistet werden, dass die Ware ohne Pappeinleger die nötige Grundsteifigkeit erhält. Ein eintägiger Workshop, der das Triz-Prinzip der Ressourcennutzung anwandte, kam zum Ergebnis, dass das Problem durch ein Umgestalten der Produktbeschreibung direkt an der Verpackungsmaschine gelöst wird.
Das Geniale an Triz seien gerade auch die möglichen Teilanwendungen, sagt Herbert Trautwein von der Heilbronner Illig Maschinenbau GmbH & Co. KG – auch ein Mitglied der Trizgroup in der Querdenker-Region. Dort ist man dabei, den akademischen Nachwuchs zu infizieren. So wurde Triz als Problemlösungsmethode jetzt an der Hochschule Heilbronn im Studiengang Maschinenbau bereits im dritten Semester als Pflichtfach verankert. Damit es kein Zufall bleibt, ob die angehenden Ingenieure lernen, wie man Neuerungen entwickelt, ohne auf den Zufall warten zu müssen.
Bettina Gonser Freie Journalistin in Stuttgart
25 Workshops, 250 Patente

Die Idee hinter Triz
Mitte des 20. Jahrhunderts erkannte der russische Ingenieur Genrich Altschuller beim Sichten von Patentschriften, dass dahinter bestimmte Grundmuster wirken: Wesentliche Innovationen basieren auf wenigen Lösungsprinzipien, Innovationen entstehen erst durch das Überwinden von Widersprüchen – und sie folgen Evolutionsgesetzen. Aus diesen Erkenntnissen entwickelte er die Theorie des erfinderischen Problemlösens: Die Anfangsbuchstaben ergeben im Russischen Triz, im Englischen „Tips“. Triz bietet methodische Werkzeuge, die inzwischen weiterentwickelt wurden. Dazu gehören
  • die Widerspruchsmatrix,
  • die 40 Innovationsprinzipien zum Auflösen technischer Konflikte,
  • die Innovationscheckliste,
  • die vier Separationsprinzipien zum Auflösen physikalischer Widersprüche,
  • das System von 76 Standardlösungen oder
  • die S-Kurve, die den Lebenszyklus eines Produkts oder Systems darstellt.
Ist das Problem beschrieben und das Endresultat definiert, werden diese methodischen Werkzeuge eingesetzt, um dem Idealprodukt oder -prozess so nahe wie möglich zu kommen.
Im Westen hat sich Triz erst seit der Auflösung der Sowjetunion verbreitet. Es wird heute auch außerhalb des Bereichs der Technik angewandt, etwa im Management oder in der Werbung.

Gute Noten in der Praxis
Wie wichtig es ist, dass der Chef hinter Triz steht, zeigt eine Studie der Hochschule Heilbronn aus dem Jahr 2007. Bundesweit wurden 41 Unternehmen aus dem technischen Bereich nach ihren Erfahrungen mit der Innovationsmethode befragt, fast alle schätzten den Erfolg als eher hoch bis sehr hoch ein. Und alle konnten Triz weiterempfehlen, 42 % sogar „in vollem Umfang“. Was wenig wundert, wenn 22 % der Verbesserungen und Innovationen auf dem Verfahren basieren. Die Kosten-Nutzen-Relation erhielt eine Durchschnittsnote von 2,5. Je erfolgreicher das Unternehmen, desto positiver bewerte es die Erfolgsfaktoren von Triz, betont der Heilbronner Professor Dr. Rainer Schnauffer von der Prof. Schnauffer Marketing und Unternehmensberatung.
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