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Heatrix-Mitgründerin im Interview

Mitgründerin über die Technologie ihres Startups
Heatrix will den Gasbrenner ersetzen

Heatrix will den Gasbrenner ersetzen
Wei Wu will mit ihrem Unternehmen Prozesse dekarbonisieren, ohne dass die Unternehmen wirtschaftliche Einbußen haben. Bild: Heatrix
Das Startup Heatrix will den CO2-Ausstoß in der Industrie verringern, indem die Prozesswärme mit Strom aus erneuerbaren Energien statt mit fossilen Brennstoffen erzeugt wird. Im Interview erklärt Co-Founderin Wei Wu, wie die Lösung konkret funktioniert und warum man diese mit einem überdimensionalen Fön und einer Thermoskanne vergleichen kann.

» Markus Strehlitz, freier Journalist, Mannheim

Frau Wu, können Sie bitte zunächst erklären, was Heatrix macht?

Wir bieten eine Lösung, mit der Unternehmen in energieintensiven Branchen wie etwa Stahl- oder Zementindustrie auf die Nutzung fossiler Energieträger verzichten können. Dabei geht es hauptsächlich darum, Gas und Kohle, die verbrannt werden, um Prozesswärme bei hohen Temperaturen zu erzeugen, durch erneuerbaren Strom zu ersetzen. Unsere Technologie wandelt also Strom in Wärme um.

Wie genau funktioniert das?

Wir haben einen elektrischen Lufterhitzer entwickelt, der im Prinzip wie ein riesiger Fön funktioniert – nur bei wesentlich höheren Temperaturen und größeren Leistungen. Auf der einen Seite wird Luft angesaugt, die dann an Glühwendeln entlang strömt und so erhitzt wird. Auf der anderen Seite tritt die Luft, die bis zu 1500 Grad heiß sein kann, wieder hinaus. Diese Heißluft wird dann als Prozesswärme beispielsweise in einen Ofen geleitet. Man könnte die Heizelemente auch direkt im Ofen installieren. Aber bei unserem Konzept ist es wesentlich einfacher, auf die neue Technologie umzurüsten. Also Gasbrenner raus, Heatrix rein sozusagen.

Sie bieten auch einen Speicher an, ist das richtig?

Unser Heizer lässt sich auch mit einem thermischen Speicher kombinieren. Hierbei wird die erhitzte Luft an keramischen Steinen vorbeigeführt, die dadurch aufgeheizt werden und dank Isolierung auch heiß bleiben. Das kann man sich wie eine mit heißen Steinen gefüllte Thermoskanne vorstellen. Und sobald Prozesswärme benötigt wird, lässt sich kalte Luft durch die Steine wieder erhitzen und entsprechend verwenden.

Was bringt der Speicher?

Um die Prozesse zu dekarbonisieren – also während des Betriebs keine CO2-Emissionen zu verursachen – ist es wichtig, grünen Strom zu nutzen. Doch Energie aus Wind oder Sonne ist nicht immer dann verfügbar, wenn sie auch benötigt wird. Und mit dem thermischen Speicher lässt sich das ausgleichen und sicherstellen, dass ein Industrieprozess 24/7 laufen kann.

Der Speicher gewährleistet also, dass wirklich CO2-frei produziert wird?

Es kommt auf die Stromquelle an. Ist diese 100 % CO2-frei, so ist auch die von unserer Lösung bereitgestellte Prozesswärme CO2-frei. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel direkt an einen Windpark oder eine PV-Anlage angeschlossen ist, dann ist der Speicher essenziell, um das schwankende Stromangebot auszugleichen. Wenn das Unternehmen einen Grünstrom-Festvertrag mit einem stets konstanten Preis hat, dann ist ein Speicher eher unnötig. Dann würde auch nur unser Lufterhitzer ausreichen. Aber es gibt noch andere Möglichkeiten, an „grünen“ Strom zu kommen – zum Beispiel über Zertifikate. Dann ist der Strom bilanziell grün, aber physisch kommt er weiterhin aus der Steckdose. Dann ist ein Speicher ebenfalls nicht zwingend notwendig.

Die Idee, Wärme aus Strom zu gewinnen, ist ja nicht neu. Was ist das Besondere am Heatrix-System?

Es gibt natürlich schon Lufterhitzer auf dem Markt – auch im industriellen Maßstab. Was es aber noch nicht gibt, sind solche Heizsysteme für Temperaturen über 1000 Grad und im Megawattbereich. Und dort setzen wir an. Denn solche Hochtemperaturprozesse sind natürlich am energieintensivsten. Und für diese wollen wir eine Lösung anbieten.

Für welche Unternehmen eignet sich die Technologie?

Eigentlich für alle Industrien, die Prozesswärme benötigen. Eine Frage, die zunächst beantwortet werden muss, lautet: Welchen Zugang hat man zu grünem Strom? Und welche Investitions- und Betriebskosten fallen dafür an? In manchen Fällen muss man dann auch ehrlicherweise erkennen, dass sich das noch nicht rechnet. Daher suchen wir uns Unternehmen als Pilotkunden, bei denen diese Rechnung aufgeht – weil sie zum Beispiel schon eine eigene PV-Anlage oder Zugang zu einem Windpark haben. Oder größere Unternehmen, die Möglichkeiten haben, einen günstigen Strompreis zu bekommen.

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um das System zu nutzen?

Man muss sich genau anschauen, wo die Wärme benötigt wird und wie die Infrastruktur drumherum aussieht. Unser System muss so nah wie möglich am Ofen installiert werden, weil die heiße Luft ja durch Rohre geführt wird. Und der Weg durch die Rohre sollte so kurz wie möglich sein, um die Wärmeverluste zu minimieren. Ein wichtiger Baustein ist außerdem der Stromanschluss. Dessen Leitungskapazität muss groß genug sein. Denn wenn man vorher einen Vier-Megawatt-Ofen mit Gas betrieben hat, braucht man für den Stromanschluss eben auch eine Anschlusskapazität von mindestens vier Megawatt.

Wie weit sind Sie mit der Entwicklung der Technologie?

Wir sind noch nicht so weit, dass wir schon Anlagen verkaufen können, die über 1000 Grad erreichen. Bisher ist eine solche Anlage nur im Labor aufgebaut. Wir werden bis Anfang des kommenden Jahres einen ersten Piloten im Niedrigtemperaturbereich bei einem unserer Industriepartner umsetzen. Parallel dazu entwickeln wir das Hochtemperatursystem, das wir im kommenden Jahr dann in einem Pilotprojekt installieren werden.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Heatrix zu gründen?

Heatrix ist aus dem Wunsch heraus entstanden, einen Beitrag dazu zu leisten, den Klimawandel zu bekämpfen und CO2-Emissionen zu reduzieren. Meiner Meinung nach wird viel zu wenig über Wärme gesprochen, wenn es um diese Themen geht. Doch die ist ein riesiger Faktor. Der Anteil der Wärme am gesamten Energiebedarf in Deutschland beträgt 50 Prozent. Und wir wollten mit unserer Lösung einen möglichst effizienten Beitrag leisten. Und das ist eben in der Industrie möglich, die ja unglaublich viel an CO2-Emissionen erzeugt. Der größte Zementhersteller der Welt emittiert genauso viel CO2 wie 35 Millionen Autos. Das heißt: In einem Zementunternehmen sitzen elf Leute im Aufsichtsrat, die überzeugt werden müssen. Im Vergleich dazu müsste man 35 Millionen Autofahrer überzeugen, um den gleichen Effekt zu haben. Daher fokussieren wir uns auf die Industrie und wollen dort Prozesse dekarbonisieren, ohne dass die Unternehmen wirtschaftliche Einbußen haben.


Zum Unternehmen

Heatrix will fossile Brennstoffe in energieintensiven Industrien wettbewerbsfähig ersetzen, indem es erneuerbaren Strom in speicherbare Hochtemperatur-Prozesswärme umwandelt. Dafür hat das Unternehmen mit Sitz in Bremen einen elektrischen Lufterhitzer entwickelt, der sich mit einem thermischen Energiespeicher kombinieren lässt. Für seine Lösung wurde Heatrix mit dem Start Up Energy Transition Award 2023 der Deutschen Energie-Agentur ausgezeichnet.

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