Etwa 170 000 lautlose Kühlschränke für Caravans in mehr als 1000 Varianten hat das Siegener Unternehmen Dometic im vergangenen Jahr produziert. Die Herausforderung der hohen Variantenvielfalt meistert die Tochter der schwedischen Dometic-Group mit einer eigenen Demand Planning Software, die der Hersteller gemeinsam mit dem IT-Beratungsunternehmen Flatten IT-Consulting entwickelt hat.
Bis dato leisteten die Lean-Methoden der Plattformstrategie und der Baukastensystematik ihre Beiträge zur erfolgreichen Umsetzung der Aufträge bei Dometic. So erreicht das Unternehmen trotz oftmals kleiner Losgrößen eine Lieferperformance von 98 %. Durch eine bestandsorientierte Planung stehen jedoch Faktoren wie die Häufigkeit von Fehlteilen, Sonderschichten oder auch Sonderfahrten zum Kunden im Hintergrund. Auch die Einplanung von Groß- und Kleinserien in die Produktion ließ Möglichkeiten zur Optimierung offen.
Der Weg zu Heijunka und einer nivellierten Produktion
Um diese Potenziale nutzen zu können, hilft der ganzheitliche Ansatz zur Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette. Dieser beinhaltet sowohl eine starke methodische Komponente als auch eine entsprechende Softwareunterstützung. Gemeinsam mit dem Supply-Chain-Team von Dometic unter der Leitung von Stefan Baer wurde das Projekt „Ruhe in der Fabrik“ ins Leben gerufen und mithilfe von Business Analytics der Weg zu Heijunka und einer nivellierten Produktion (mehr dazu siehe Kasten) implementiert.
Als Ziel für diesen Schritt erklärt Bernd Löher, Geschäftsführer von Dometic: „Die Forecastqualität sollte bei gleichzeitig reduziertem Aufwand verbessert werden. Eine erhöhte Analysetransparenz ermöglicht eine detailliertere Prognose auf Produktgruppen, Kunden oder sogar auf einzelnen Produkten. Die gewonnene Sicherheit in der Beschaffung führt zu einer stabilen Versorgung der Produktion und damit zu einer Erhöhung der Liefertreue.“
Demand Planning Software führt relevante Daten aus Anwendungen zusammen
Für eine nivellierte Produktion ist vor allem ein Umdenken von einer bestandsorientierten Planung hin zur Betrachtung der gesamten Wertschöpfung notwendig. Bei dem Siegener Hersteller wurde hierzu im ersten Schritt das ganzheitliche Projekt in der Supply Chain analysiert – von Strukturen über Prozesse und Methoden bis zur Organisation. Neben dem Vertrieb, der Arbeitsvorbereitung, der Materialwirtschaft und der Produktion gilt es, gleichermaßen Kunden und Lieferanten einzubeziehen. Dabei wird das Industrial Engineering mit Business-Analytics-Methoden verknüpft. So können Bedarfsmuster nachgewiesen werden und es erfolgt eine produktseitige Clusterung für das gesamte Produktionsvolumen. Diesen Clustern konnten daraufhin entsprechende Fertigungssegmente zugeordnet werden. Sogenannte Exoten, etwa Produkte in Losgröße 1 oder Kleinserien, werden nun in besonderen Strukturen gefertigt, was zu mehr Ruhe in der Produktion führt und die Planung vereinfacht.
Dem vom Dienstleister Flatten erstellten Demand Planning System liegt die Software des kanadischen Herstellers Prophix zugrunde. Diese setzt auf dem Microsoft SQL-Server auf und kann einfach für Planungsaufgaben adaptiert werden. Bei den vorausschauenden Prognosen kommt die Open-Source-Komponente „R“ zum Einsatz, die auch aktuelle mathematische Verfahren unterstützt.
Bestehendes ERP-System mit neuer Software verknüpft
Da die vertriebsseitigen Daten einen hohen Einfluss auf die Stabilität des Wertschöpfungssystems haben, werden nun alle Inputkanäle, vom EDI bis zur direkten Auftragseingabe, in dem Demand-Planning-System gebündelt. Hier konnte auf einem bereits bestehenden ERP-System beim Anwender aufgesetzt werden, das über ein Planungsmodul verfügt. Mit Prophix können nun alle erforderlichen Daten aus unterschiedlichen Anwendungen zusammengetragen werden – auch der bereits vorhandene Auftragsbestand fließt hier mit ein. Bedarfsmuster werden nicht nur stetig untersucht, sondern es werden zugleich wichtige Prognosedaten abgeleitet. Statt Vertriebsexperten mit der Anforderung nach Planungsdaten alleine zu lassen, gibt das System nun zyklisch hochwertige Vorschläge für die folgenden Planperioden. Der Vertrieb kann sich darauf konzentrieren, die Vorschläge zu sichten und korrigiert nur dann, wenn ein Eingreifen erforderlich ist. Im Zweifelsfall hat der Vertriebsexperte das letzte Wort.
Liefertreue von rund 99 % vonseiten Dometics wird beibehalten
Dank der Demand-Planning-Lösung können die Ergebnisse der Optimierungsphase nachhaltig auf das Tagesgeschäft übertragen werden. Die Liefertreue von fast 99 % wird weiterhin beibehalten. „Die verbesserte Planungsgenauigkeit führte im Bereich der Eingangsfrachten zu einer Halbierung der Luftfracht, wodurch sich das Projekt bereits 2016 amortisiert hatte“, bilanziert Löher. Zudem konnte die Produktionsplanerfüllung um 10 % gesteigert werden. Durch diese Produktivitätssteigerung kann der Hersteller die weiter steigende Marktnachfrage von mehr als 14 % ohne zusätzliche Ressourcen stemmen, wie der Geschäftsführer erklärt.
Neben der Einführung eines neuen ERP-Systems im Betrieb sieht Löher die Anbindung der Auslandsgesellschaften an das Prophix-System mittelfristig als eine wichtige Ergänzung zur weiteren Qualitätsverbesserung.
Der Anbieter:
- Flatten IT-Consulting
- Portfolio: Analytische Lösungen für die Wertschöpfung, etwa Industrial Engineering & Business Analytics, Planung, Tracebility, Data Science
- Sitz: Köln-Marienburg
- Mitarbeiter: 12
Der Anwender:
- Dometic, Teil der Dometic AB
- Hersteller von Caravaninstallationen sowie Absorptionskältemaschinen
- Sitz: Siegen
- Produktionsvolumen 2017: Rund 170 000 Kühlschränke und Minibars in mehr als 1000 Varianten
- Mitarbeiterzahl: 462