Herr Metzner, warum bietet sich gerade Machine Learning (ML) als Methode an, um einen besonderen Mehrwert aus Daten zu schöpfen?
Um einen Mehrwert in Daten erkennen zu können, muss man diese erst einmal verstehen. Und das ist oft einfacher gesagt als getan. Maschinen erzeugen in kürzester Zeit Mengen von Daten – beispielsweise ein automatisierter Schweißroboter, der die Qualität von Schweißnähten im Fertigungsprozess analysiert. Theoretisch lassen sich Sensordaten wie Stromstärke und Spannung sowie Bilddaten von Kameras erfassen. Um all diese Daten automatisiert zu verarbeiten, braucht man aber ein Programm, das sie interpretieren kann. Denn mit einfachen Mitteln lassen sich nur Ausreißer feststellen. Im nächsten Schritt, der Anomalieerkennung, beispielsweise für Bilddaten von den Kameras, bietet sich der Einsatz von ML-Methoden an. Denn bei der Analyse einer großen Anzahl an Produkten pro Minute stößt das menschliche Auge an seine Grenzen. Um das Verfahren zu verfeinern, lassen sich die Sensor- und Bilddaten miteinander kombinieren. Bei diesem hochkomplexen Prozess kommt ein ML-Verfahren zum Einsatz, das sowohl das Trainieren als auch das Ausführen der Modelle optimiert.
Richtig interessant wird es , wenn beispielsweise Chargen-Informationen über das Rohmaterial, die produzierten Waren und eventuell sogar Informationen zur aktuellen Arbeitsschicht herangezogen werden. Daran lässt sich erkennen, ob das angelieferte Material den Anforderungen entspricht oder ob sich äußere Faktoren – wie das Einstellen von Maschinen durch die Arbeiter – positiv auf das Ergebnis auswirken. Solche Informationen werden oft nicht richtig dokumentiert.
Wissen um Cloudtechnologien und Machine Learning nutzen
Welches ML-Know-how hat AWS aufgebaut? Und wie versetzen Sie Unternehmen in die Lage, Machine Learning zu beherrschen sowie ML-basierte Erkenntnisse möglichst einfach nutzen zu können?
AWS setzt ML in sehr vielen Bereichen ein und hat damit langjährige Erfahrung. Wie das obige Beispiel zeigt, kann die Erstellung eines optimierten ML-Modells recht einfach, aber auch sehr komplex sein. Daher unterstützen wir unsere Kunden sowie unsere eigenen Entwickler mit Tools, für die sie keine Data Scientists sein müssen. Amazon Forecast beispielsweise kann dazu dienen, das Kaufverhalten von Kunden vorherzusagen. Anhand der Anzahl der täglichen Verkäufe des letzten Jahres berechnet der Dienst eine Prognose für den nächsten Monat. Aber natürlich unterstützen wir auch Entwickler und Data Scientists, die tiefer gehen wollen. So lassen sich mit Amazon Sage Maker Daten halb automatisiert „labeln“ also kategorisieren, wie unser Beispiel mit den Bildern der Schweißnähte zeigt – ob das Erzeugen von Modellen mit marktgängigen ML-Frameworks oder das Testen der verschiedenen Modelle und Parameter, um die optimale Kombination zu erhalten. Viele Prozessbestandteile lassen sich automatisieren. Und genau da setzen wir an: Der Kunde kann sich auf das Wesentliche konzentrieren – seinen Use Case. Die Infrastruktur und Automatisierung liefert AWS. Wir bieten unseren Kunden eine Reihe von Technologien zum Ausführen der Modelle, egal ob in der Cloud oder in der Fabrik. Das reicht von AWS Inferentia, einem speziellen ML-Chip, bis hin zum Kompilieren der Modelle für Hardware-Architekturen außerhalb der Cloud, die zum Beispiel im Produktionsprozess mit Amazon Sage Maker Neo ausgeführt werden.
Damit neue Applikationen entstehen können, braucht es geeignete Schnittstellen. Wie ist Ihre Herangehensweise?
Über integrierte APIs lassen sich beispielsweise Monitoring-Systeme aufsetzen, die ein ganzheitliches Bild einer Smart Factory liefern. Wenn die Daten an die Steuerung weitergeleitet werden, lassen sich aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen Aktionen wie automatisierte Reparaturen ableiten.
Über Mikro-Services können Cloud-Nutzer zudem IT-Anwendungen so aufbauen, dass sie nicht mehr monolithisch als große, träge Softwarekonstrukte angelegt sind. Angestrebt wird eine service-orientierte Architektur aus verschiedenen Web-Services, die klar verteilte Aufgaben ausführen. So kann ein Dienst dafür zuständig sein, Sensordaten zu sammeln. Ein anderer verdichtet diese Daten, und ein dritter Service schöpft den Mehrwert daraus.
Durch die Verbindung von Services über APIs können Cloud-Nutzer schnell und flexibel Architekturen aufbauen. Die lose Kopplung befähigt sie, agil und schnell neue Dienste auszuprobieren und unabhängig voneinander weiterzuentwickeln. Damit stehen nicht mehr große monolithische Bereitstellungen, die einmal im Quartal erfolgen, im Fokus. Vielmehr sind Service-Landschaften von 100 oder 1000 Services pro Kunde denkbar, aus denen sich ein Gesamtsystem ergibt, das sich neuen Bedingungen schnell anpassen kann.
Gibt es in Hinblick auf die Fertigung und Automatisierunsprozesse besondere Service-Schwerpunkte?
Wir konzentrieren uns darauf, welche Anfragen unsere Kunden an uns stellen. Ein wichtiger Punkt ist dabei, wie schnell sich Daten in der Fabrik erfassen, verarbeiten und auf Dashboards anzeigen lassen. So ermöglicht es unser Dienst AWS IoT Site Wise, über die Gateway-Lösung AWS IoT Greengrass, Maschinen mit OPC UA und anderen Protokollen zu verbinden. Dadurch lassen sich die Daten in die Cloud transferieren und dort auf Dashboards darstellen oder weiterverarbeiten. Wir haben aber nicht nur Edge-Lösungen nahe an den Maschinen, sondern auch für größere Fabriken, die ganze Rechenzentren beherbergen. Mit AWS Outposts haben Kunden zudem die Möglichkeit, die Cloud auf die Fabrik zu erweitern. Ein AWS Outpost ist ein Computer-Rack, ähnlich dem, das in unserer Cloud steht, mit derselben Hardware und Automatisierung.
Welche aktuellen Entwicklungen zu Cloud-Angeboten verfolgen Sie?
Die Cloud wird heute nicht mehr nur als reine Compute-Umgebung wahrgenommen. Alles wächst zusammen, auch mit Diensten außerhalb der Cloud. Entscheidend ist immer, dass der Kunde sich komplett auf seine Wertschöpfung konzentrieren kann. Daher bieten gerade Technologien wie Edge, IoT und ML gute Möglichkeiten, unsere Kunden zu unterstützen.
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