Um 6:30 Uhr steht er auf dem Platz. In dem Moment ist er alleiniger Herr über 52 m saftigen Grüns. Seine Aufgabe: Die Rasenfläche zu hegen und zu pflegen, um sie auf das spätere Herumgetrampel vorzubereiten. Widerstandsfähig und trotzdem weich muss sie sein. Das einfallende Morgenlicht ermöglicht dem sogenannten Greenkeeper die Fläche des Fußballfelds ideal zu beurteilen und eventuelle Lücken in der Grünfläche der Allianz-Arena in München zu finden.
Smarte App unterstützt Greenkeeper bei der Rasenpflege
Der Rasen im Stadion ist nicht einfach nur ein wildwachsender Grasteppich – darin versteckt sich eine Mischung aus High-Tech-Sensorik gepaart mit dem Fachwissen des Instandhaltungs- und Bewirtschaftungsexperten von Rasensportplätzen. Unterstützung bei der Pflege erhält der Greenkeeper des FC Bayern München nun vom Industriekonzern Siemens und dessen Softwaretochter Evosoft: Diese haben gemeinsam eine App entwickelt, die die Daten der Sensoren sammelt, an die hauseigene Cloud-Plattform Mindsphere sendet, dort auswertet und darauf basierend dem Greenkeeper intelligente Handlungsempfehlungen auf sein Smartphone ausspuckt.
App soll vor allem helfen, Ressourcen wie Strom zu sparen
Überflüssig wird der Greenkeeper dadurch nicht. „Denn das wichtige profunde Wissen über den Rasen, das hat trotz aller Digitalisierung zunächst einmal er“, betont Lars Oyntzen, Projektleiter im Bereich Business Function Application & Platform Solutions bei Evosoft. Ziel der App sei es, die Qualität des Rasens zu erhöhen und gezielt Ressourcen einzusparen – beispielsweise Stromkosten durch zielgerichtete Beleuchtung der Grünfläche zu senken, erklärt der Data Analyst. Die Kompetenz in der Auswertung der Daten, deren Visualisierung und die Möglichkeit, Entwicklungen vorherzusagen, liegt bei den Softwareentwicklern.
Und für den heiligen Fußballrasen braucht es eine Menge an Daten. Denn die Ansprüche sind hoch: Optisch gleichmäßig grün, strapazierfähig, gegen unterschiedliche Witterungsbedingungen gefeit und die Basis für sportliche Bestleistungen der Kicker soll die Grünfläche sein. Dabei wirft die Tribüne ungleichmäßig ihren Schatten auf den Rasen. Manche Stellen sind Regen und Wind ausgesetzt, andere nicht. Rasenkrankheiten wie Schimmelpilzbefall müssen verhindert werden.
Sensoren messen minütlich Temperatur- und Feuchtigkeitswerte und senden diese in die Mindsphere
In der Münchner Allianz-Arena messen Sensoren, die in Boxen über das gesamte Spielfeld verteilt sind, im Minutentakt Bodentemperatur, Luft- und Bodenfeuchtigkeit, Lichtgehalt und Nährstoffkonzentrationen von Salz und Chlorophyll der Grashalme. Die Sensorboxen stammen vom niederländischen Experte für Stadionbeleuchtung, SGL. Die Daten werden in die Internet-of-Things (IoT-)-Plattform Mindsphere gesendet. Dort werten Algorithmen die Daten aus und führen diese mit zusätzlichen Informationen von Wetter- und Nachrichtendiensten in anschaulichen Grafiken zusammen.
So kann das smarte System Schimmelpilzbefall sowie andere Rasenkrankheiten vorhersehen. Außerdem erstellt die Mindsphere konkrete Handlungsempfehlungen für den Greenkeeper – zum Beispiel wann und wie viel er den Rasen bewässern muss, an welcher Stelle die Grünfläche wie viel Beleuchtung durch sogenannte Leuchtbrücken benötigt oder ob die Rasenheizung gedrosselt oder verstärkt werden soll.
App wurde mittels agiler Softwareentwicklung konzipiert
„Diese Empfehlungen zur Rasenpflege werden aktuell über ein Schwellwert-System ermittelt“, sagt Oyntzen. Die App wurde vom IT-Experten und seinem Team gemäß der agilen Softwareentwicklung entwickelt. „Wir arbeiten nach der Scrum-Methode. Das heißt, nach jedem Entwicklungsschritt holen wir uns Feedback vom Greenkeeper ein“, erläutert er. Außerdem arbeitet das Team mit den Wissenschaftlern der Technischen Universität München zusammen. Diese bringen zusätzliches Fachwissen aus dem eigenen Gewächshauslaborzentrum rund um den Rasen sowie dessen natürlichen Hauptfeind – den Pilz – mit ein.
Greenkeeper-App soll künftig um selbstlernende Funktionen erweitert werden
Künftig soll das Schwellwert-System noch weiter ausgebaut werden. „Wir wollen Korrelationen zwischen den einzelnen Werten wie beispielsweise Bodenfeuchtigkeit im Vergleich zur Außentemperatur und der Sonneneinstrahlung miteinbeziehen“, stellt Oyntzen in Ausblick. Die App soll kognitiv werden: Durch direktes Feedback von den Anwendern soll der zugrundeliegende Algorithmus automatisch dazu lernen. Zudem soll er um die Funktionalität erweitert werden, ausgewählte Rasenkrankheiten schon im Voraus zu identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen vorzuschlagen.
„Die Mindsphere macht es uns leicht, an die Daten zu kommen, sie zu visualisieren und dem Nutzer das Resultat der Datenanalyse an die Hand zu geben“, freut sich Oyntzen. Konkrete Ergebnisse wie etwa eine potenzielle Zeitersparnis für den Greenkeeper durch die Nutzung der intelligenten Anwendung sind laut des Data Analyst bisher nicht messbar. Aber der FC-Bayern-Fan ist überzeugt, dass die gesammelten Daten der Greenkeeper-App in Zukunft wertvolle Erkenntnisse liefern können, welche Anzeichen etwa auf einen bevorstehenden Pilzausbruch im Rasen hinweisen und wie man diesem frühzeitig entgegensteuern kann.