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Lernbots geben qualifiziertes Feedback

Lernbots geben qualifiziertes Feedback
KI kann menschliche Tutoren entlasten

KI kann menschliche Tutoren entlasten
Auch beim E-Learning gibt es Rückfragen. Die werden bislang von Tutoren beantwortet. Doch mit neuen Technologien können immer mehr Fragen von Chatbots – in diesem Fall Lernbots – beantwortet werden. Bild: Fizkes/stock.adobe.com
Künstliche Intelligenz (KI) erleichtert das E-Learning und entlastet die Trainer. Doch während sich hinter manchen Tools eine lernende Maschine verbirgt, sind andere nur bessere Suchmaschinen.

Kirsten Seegmüller
Freie Journalistin in Leinfelden

 

 

 

Inhaltsverzeichnis
1. Personalisierte Inhalte sind noch keine KI
2. Oft ist KI nur eine bessere Suchmaschine
3. Lernen von Empfehlungsmaschinen
4. Der Mensch bleibt unersetzlich

Die meisten Chatbots, denen man in „freier Wildbahn“ begegnet, sind von der Sorte Frequently Asked Questions (FAQ). Davon ist Cäcilie Kowald überzeugt. Sie ist Beraterin im Bereich Learning Design beim E-Learning-Anbieter Time4you und findet FAQ-Bots ‚ganz nett‘. „Aber ein echter digitaler Tutor müsste zudem didaktische Fähigkeiten haben.“ Zu einem echten Lerngespräch gehöre zum Beispiel, Rückfragen zu stellen, um den Kontext und den gedanklichen Ort der Lernenden zu verstehen und die Antworten daran anzupassen. Das bedeutet: passende Wortwahl, die Selektion der Inhalte und ein schrittweises Vorgehen. Kowald: „Das ist weniger eine Frage der Technik als der Konzeption.“

Ein Beispiel ist das Fremdsprachentraining. „Die Algorithmen werden immer besser“, beobachtet Andreas Urban, Director Global Services bei Speexx, einem Anbieter von Komplettlösungen im Bereich Online-Sprachentraining und -tests. „Alexa und Siri zeigen, wie weit die Sprachverarbeitung bereits ist.“ Künstliche Intelligenz muss jedoch mehr können, als die Aussprache von Wörtern zu prüfen und zu korrigieren. „Heute geht es auch um Sprechgeschwindigkeit und Körpersprache“, sagt Urban. Hier stoßen die Alexas und Siris dieser Welt an ihre Grenzen: „Unterhalten kann man sich mit ihnen noch nicht“, so Urban, „dabei ist Kommunikation gerade beim Sprachentraining sehr wichtig.“

Personalisierte Inhalte sind noch keine KI

Der Übergang von personalisierten Inhalten hin zur Lernunterstützung durch KI ist fließend. Lernnuggets, die der richtigen Zielgruppe zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung gestellt werden, gehören seit Jahren zum Repertoire der E-Learning-Anbieter. Content lässt sich in 5-Minuten-Häppchen aufteilen, die je nach individuellem Bedarf der Teilnehmer durch die Lernplattform zur Verfügung gestellt werden. Echte KI benötigt man dazu nicht. „Aber heute geht es nicht mehr darum, wie man eine Sprache lernt“, betont Urban, „sondern darum, wie man kommuniziert.“

Ein KI-basiertes Tool kommt dem menschlichen Tutor schon sehr nahe: VR Easy Speech, eine Virtual-Reality-Brille, mit der sich Präsentationen und freies Reden trainieren lassen. „Sie sprechen zu schnell und undeutlich, verwenden zu viele Füllwörter und halten keinen Blickkontakt zu Ihrem Publikum.“ Zack. Gnadenlos. „KI ist rabiat“, sagt Fabian Friedrichs, Geschäftsführer des Verlags Dashöfer, „die nimmt keine Rücksicht wie ein menschlicher Tutor.“ Die Anwender können einstellen, ob sie in einem Seminarraum vor 20 Leuten oder in einem Konferenzsaal mit 2000 Teilnehmern sprechen. „Ein Kunde sagte uns, die VR fühle sich so echt an, dass er sogar mit der 3D-Brille Redeangst hatte.“ Aber genau darum geht es: Ängste in einem realen Umfeld, aber in einem geschützten Raum zu überwinden.

Inhaltlich kann das intelligente System den Vortrag zwar nicht beurteilen, „aber ein Spiegel sagt einem ja auch nicht, ob man gut aussieht“, scherzt Friedrichs. Redegeschwindigkeit, Aussprache, Rhetorik – all das kann die KI bereits auswerten. Der Blickkontakt lässt sich über das Eye Tracking in der Brille nachverfolgen. Die Entwicklung ist längst nicht zu Ende: „Irgendwann kommen wir auch zu einer inhaltlichen Bewertung“, ist Friedrichs überzeugt.

Oft ist KI nur eine bessere Suchmaschine

Ob sich hinter Lernbots eine echte künstliche Intelligenz oder nur eine bessere Suchmaschine verbirgt, sieht man erst bei der Anwendung. „Auch das ist eine Frage der Konzeption“, findet Kowald von Time4you, „ein FAQ-Bot ist letztlich nur eine bessere – oft sogar schlechtere – Suchmaschine.“ Entscheidend sei, ob sich ein Mehrwert für die User ergibt. „In manchen Kontexten kann der Suchmaschinen-Bot sinnvoll sein, weil eine Bedienung per Formular und Tastatur nicht möglich ist. In anderen Kontexten macht erst die didaktische und dialogische Aufbereitung der Inhalte den Unterschied.“

Für Kowald müssen Lernbots drei zentrale Eigenschaften mitbringen: eine hohe fachliche Kompetenz, Transparenz über den Umfang des Wissens und des Nutzens für die Lernenden sowie eine didaktische Kompetenz und angemessene Gesprächsstrategien. „Ich sage hier bewusst nicht Gesprächsfähigkeit“, betont Kowald, „denn das suggeriert, dass es um die Technik geht.“ Ob ein Chatbot auf eine Frage eine Antwort gibt oder eine Rückfrage stellt, ist ihrer Ansicht nach eine konzeptionelle Entscheidung.

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Wer sitzt am anderen Ende der Leitung? Und kann er Fragen ebenso gut beantworten wie ein Mensch? Die Antworten darauf entscheiden über den Erfolgvon E-Learning-Maßnahmen bei den Anwendern. Bild: Phonlamaiphoto/stock.adobe.com

Lernen von Empfehlungsmaschinen

In Bezug auf den Mehrwert können E-Learning-Anbieter von Empfehlungssystemen lernen, wie man sie von Amazon und Google gewöhnt ist. Solche Systeme könnten auch für Lernempfehlungen zum Einsatz kommen. Doch KI ist nur so gut wie die Datenbasis. „Amazon und Google haben Petabyte große Datenbestände“, sagt Christian Bauckhage, Professor für Informatik an der Uni Bonn und wissenschaftlicher Direktor des Fraunhofer Zentrums für maschinelles Lernen am Fraunhofer IAIS.

Trotzdem kann Google einen Wolf nicht von einem Husky unterscheiden. Die Maschine verließ sich auf die Datenbasis, und dort war auf jedem Bild mit Wölfen auch Schnee zu sehen. „Die statistische Folgerung war nachvollziehbar: Wenn Schnee, dann Wolf“, resümiert Bauckhage, „diesen Fehler hätte ein dreijähriges Kind nicht gemacht.“ Anders als der Name suggeriert, ist KI also nicht intelligent, sondern simuliert lediglich kognitive Fähigkeiten. Die werden allerdings immer besser, wie Tests mit Chatbots zeigen: Bei Unterhaltungen über einfache Sachverhalte wissen Probanden oft nicht, ob sie mit einem realen oder elektronischen Gegenüber chatten. Bei komplexen Themen dagegen kommt irgendwann das alles entlarvende Feedback: „Tut mir leid, diese Frage habe ich nicht verstanden.“

Der Mensch bleibt unersetzlich

„Die KI ist immer nur gut darin, bereits Bekanntes zu reproduzieren“, so Kowald, „keine KI der Welt ist in der Lage, etwas wirklich überraschend Neues zu schaffen – auch wenn die Marketing- und Presseberichte manchmal anders klingen.“

Menschliche Trainer müssen also nicht um ihre Jobs bangen. Insbesondere sei die Flexibilität von KI-Tools, sich auf neue, ungewöhnliche Kontexte einzustellen, begrenzt. „Zweitens gilt das, was wir zurzeit im Home Office erleben: Technik kann helfen und überbrücken, aber der menschliche Kontakt ist nicht ersetzbar“, resümiert Kowald, „und wenn es nur ist, dass uns ein Trainer sympathisch ist und wir uns deshalb etwas williger auf ein ungeliebtes Thema einlassen. Oder Inspirationen erhalten in persönlichen Nebenbemerkungen. Oder einfach feststellen: Wir sind mit unseren Fragen nicht allein.“

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