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Esther Henoch von IBM Watson IoT im Interview

Esther Henoch von IBM Watson IoT im Interview
Künstliche Intelligenz bringt wertvolle Erkenntnisse in der Instandhaltung

Durch den Einsatz von KI in der Instandhaltung gewinnt man wertvolle Erkenntnisse über zukünftige Ereignisse in der Produktion, wie zum Beispiel Maschinenstillstände oder -ausfälle. Und gerade in der Corona-Krise müssen Unternehmen auch im Bereich der Instandhaltung handlungsfähig bleiben. Künstliche Intelligenz hilft dabei. Wie? Das erklärt Esther Henoch, Senior Solution Sales Professional bei IBM Watson IoT.

Beim Versuch, KI zu definieren, stößt man schnell an seine Grenzen. Würden Sie einen Versuch wagen?

Künstliche Intelligenz ist der Oberbegriff für eine Gattung lernender Computer-Systeme, die aus einer Kombination von vielen Technologien bestehen. KI wird zum einen dadurch ermöglicht, dass immer mehr Daten verfügbar sind und zur Verwendung gespeichert und abgerufen werden können. Zum anderen stehen leistungsfähigere Computersysteme zur Verfügung, die durch spezielle Algorithmen selbst lernen können. Wir sprechen in diesem Zusammenhang häufig von Augmented Intelligence, weil diese Intelligenz die Fähigkeiten des Menschen unterstützt und mit weiteren und besseren Informationen anreichern kann.

Welche Vorteile entstehen durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Instandhaltung?

KI hilft bereits heute dabei, die vielen Daten, die durch unterschiedlichste Quellen wie zum Beispiel Sensoren zur Verfügung stehen, schneller auszuwerten und Korrelationen zu erkennen. Ein erster, häufig sehr hilfreicher Schritt, ist die Visualisierung der Daten. Dies schafft Transparenz und ermöglicht es, schneller und effektiver handeln zu können. Gerade in der aktuellen Lage ist es für Unternehmen essenziell, dass sie auch in der Instandhaltung stets handlungsfähig sind und es trotz der Herausforderungen auch bleiben. Das kann beispielsweise durch eine optimierte und schnell anpassbare Einsatzplanung von Instandhaltungstechnikern geschehen oder auch durch die Unterstützung von mobilen Anwendungen. Diese sorgen dafür, dass Techniker zu jeder Zeit unabhängig und effizient auf Informationen zugreifen können, die sie brauchen, um ihre Arbeitsaufträge durchzuführen.

Was ist mit KI in der Wartung von Maschinen und Anlagen heute möglich und was meinen Sie kann in Zukunft noch möglich werden?

Bereits heute sind wir in der Lage, mit KI große Mengen an Daten zu speichern und auszuwerten. Diese Daten fließen in die Operationelle Technologie (OT) ein. Damit sind Systeme gemeint, die für den Betrieb von Maschinen und Anlagen zuständig sind. OT leisten einen wichtigen Beitrag für einen möglichst reibungslosen Betrieb.
Die Auswertungen werden sicherlich in Zukunft immer genauer werden, da mehr Daten zur Verfügung stehen und diese autonomer ausgewertet werden können. So unterstützen sie Menschen im kompletten Betriebsablauf. KI-gestützte Systeme können häufig erst dann ihren vollen Nutzen entfalten, wenn sie in einem Ökosystem mit Kunden und Partnern entwickelt und genutzt werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Hafen von Rotterdam. In Zusammenarbeit mit einem weltweiten Ökosystem von Reedereien, Technologiefirmen und anderen Partnern werden Echtzeitdaten von unter anderem Temperatur, Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit, Strömungen oder Ebbe und Flut aus verschiedenen Quellen erfasst. Diese werden mithilfe von KI analysiert, um zum Beispiel das beste Zeitfenster für das Einlaufen oder Auslaufen eines Schiffes aus dem Hafen zu ermitteln. Damit lassen sich Zeit und Kosten sparen sowie ein reibungsloserer Betrieb im Hafen sicherstellen.

Und wie kann diese Rolle in Zukunft aussehen?

Es wird immer mehr darum gehen, vorhandene Daten auszuwerten und selbstständig aus diesen zu lernen. Es können Muster und Zusammenhänge erkannt werden, die es ermöglichen, Erkenntnisse über die Zukunft zu gewinnen. In der Instandhaltung hilft KI beispielsweise, den Ausfall einer Maschine oder Anlage rechtzeitig zu prognostizieren und zu vermeiden – indem man diese wartet oder entsprechend repariert, bevor größere Schäden oder ein Ausfall entstehen.

Wie können die vielen Daten für die Instandhaltung und auch mithilfe von KI genutzt werden?

Historische Daten und Informationen liefern sozusagen das Futter für die KI. Stehen genügend Daten zur Verfügung, kann eine KI wie etwa IBM Watson alles lernen. Aus den ausgewerteten Daten gewinnt man mithilfe von KI wertvolle Erkenntnisse über zukünftige Ereignisse, wie etwa den bevorstehenden Ausfall einer Maschine. In der aktuellen Situation ist es für viele Unternehmen wichtig, zu einem hohen Maß flexibel zu sein. Geräte und Anlagen müssen gewartet werden, auch und insbesondere, wenn sie nicht im Einsatz sind. Viele Unternehmen stellen zum Beispiel angesichts der Engpässe bei Schutzausrüstung momentan ihre Produktion um. Somit müssen Anlagen entsprechend angepasst oder umgebaut werden. KI kann helfen, aus den gewonnen Daten Erkenntnisse zu ziehen, die sich für zukünftige Ereignisse nutzen lassen. Tritt ein ähnlicher Fall dann erneut ein, wissen Betreiber anhand der KI-Daten, auf was sie zu achten haben und können schneller handeln.
Zudem helfen historische Daten zum einen auch dabei, den Maschinenzustand festzustellen und durch das Identifizieren von Mustern so zu analysieren, dass man bestimmte Ereignisse bereits im Voraus erkennen kann. Ein wichtiger Bereich von KI ist hier Deep Learning. Künstliche neuronale Netze ermöglichen dem System, selbstständig Verbindungen herzustellen und Muster zu erkennen. So lassen sich nicht nur Daten verstehen, sondern auch geschriebene und gesprochene Sprache, Bilder und Videos. Dadurch versetzt man die Systeme in die Lage zu verstehen, auf dieser Basis zu Schlüssen zu kommen und mit dem Menschen zu interagieren.

Welche Technologien sind für den Einsatz von KI nötig?

Bei KI-gestützten Systemen kommen eine ganze Reihe von Technologien bzw. Methoden und eine Kombination dieser zum Einsatz. Zu den bekanntesten gehören Machine Learning, Deep Learning, neuronale Netze und Natural Language Processing (NLP). Welche Technologien zum Einsatz kommen, hängt stark von dem jeweiligen Anwendungsfall ab. In der Instandhaltung werden zum Beispiel Machine-Learning-Verfahren eingesetzt, um dem System anzutrainieren, ab wann die Motortemperatur erhöht ist und möglicherweise das Getriebeöl gewechselt werden muss.
Damit KI-Projekte aber erfolgreich sind, brauchen Unternehmen die passende Infrastruktur – von den verfügbaren Daten bis hin zu Cloud-Konnektivität und verstärkt lokalen Analysefähigkeiten entscheidender Komponenten mittels erweiterten Edge-Computing-Funktionen. Nur so können die riesigen Datenmengen auch verarbeitet, transportiert, analysiert und gespeichert werden. Außerdem darf man das Thema Sicherheit nicht außer Acht lassen. Ohne entsprechende Sicherheitsmechanismen in Bezug auf die Daten und das Gesamtsystem sind KI-Projekte in der Regel zum Scheitern verurteilt. Durch die zunehmende Vernetzung von Maschinen und Anlagen, auch häufig mit externen Systemen, steigt auch das Risiko von Cyberangriffen.

Stichwort Asset Performance Management: Können Sie kurz den Kerngedanken dahinter zusammenfassen?

Asset Performance Management hilft im operativen Betrieb dabei zu erkennen, warum und wann Anlagen ausfallen. Bislang wurden Anlagen und Maschinen typischerweise nach festen Wartungszyklen gewartet, die sich an rechtlichen Vorgaben orientierten, oder nach Verbrauchs- und Zeitintervallen. Getreu der Gleichung „Je älter die Anlage, desto häufiger muss diese gewartet werden“. Die Königsdisziplin ist, Wartungsintervalle nicht noch enger, sondern nach tatsächlichem Bedarf zu takten. Asset Performance Management ermöglicht genau das – und noch mehr. Kombiniert man im Zuge eines Asset Performance Managements das Wissen aus früheren Wartungsvorgängen mit den Analysen der aktuellen Daten für die vorausschauende Wartung, können Wartungseinsätze intelligent vorhergesagt werden. Techniker können so schneller und zielgerichteter Maßnahmen treffen, um die Anlagenleistung und -effektivität zu optimieren.

Welche Vorteile bietet das? Auch in Bezug auf die aktuelle Corona-Krise?

Im Bereich der Instandhaltung geht es vor allem um die Sicherstellung eines reibungslosen Betriebs. Ausfälle von Equipment, Maschinen und Anlagen können akkurater vorausgesagt werden und die Instandhaltung kann so geplant werden, dass es möglichst wenige oder kurze Ausfallzeiten gibt. Durch bessere Planung führt dies auch zu einer Optimierung der geplanten Wartungen und somit auch zu Kosteneinsparungen in der Instandhaltung. Insbesondere in der aktuellen Lage ist es wichtig, dass Unternehmen schnell auf neue Bedingungen und Anforderungen reagieren können – etwa eine höhere Auslastung bei der Produktion von Schutzkleidung oder vermehrter Kranken‧stand unter den Technikern. KI-‧gestützte Instandhaltungslösungen helfen dabei, dass der Betrieb auch bei solchen außergewöhnlichen Ereignissen bestmöglich aufrechterhalten wird und schnell notwendige Anpassungen vorgenommen werden können.

Können Sie einen Anwendungsfall nennen?

Neben dem bereits erwähnten Beispiel über den Hafen von Rotterdam, nutzt auch Kone KI-Technologie, um Ausfälle von Aufzügen und Rolltreppen genauer vorherzusagen und Reparaturempfehlungen zu geben. Das bedeutet für viele Menschen kürzere Wartezeiten, weniger Verzögerungen und Potenzial für weitere personalisierte Services.
Einen weiteren spannenden Anwendungsfall liefert Sandvik, ein schwedisches Industrieunternehmen im Bereich Berg- und Tiefbau. Der Bergbau ist eine sehr anlagenintensive Industrie, daher ist es essenziell, ungeplante Reparaturen und Ausfallzeiten zu minimieren. IBM hat mit Sandvik gemeinsam eine Lösung auf Basis von IBM Watson und IoT-Technologie entwickelt. Mit dieser Lösung können Ausfälle besser vorhergesagt und verhindert werden.
Bleiben wir noch kurz beim Bergbau und seinen besonderen Anforderungen. Nicht nur die Instandhaltung der Anlagen ist hier aufwendig, auch der Schutz der Arbeiter in den zumeist abgelegenen Einsatzorten hat höchste Priorität. Deshalb müssen potenzielle Gefahren am Arbeitsplatz frühzeitig erkannt und beseitigt werden. IBM Maximo Worker Insights kombiniert dazu IoT-Daten von Wearables am Körper der Arbeiter, Umweltsensoren und anderen Daten mit fortschrittlichen Analysen. Angesichts der aktuellen Entwicklungen gewinnt diese Lösung auch zur Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen in anderen Arbeitsumgebungen an Relevanz. Etwa, um zu gewährleisten, dass der Sicherheitsabstand zwischen Arbeitern eingehalten wird, zur Personen- und Flächenzählung sowie zur Messung der Körpertemperatur. Weichen die Angaben von vorab definierten Sollwerten ab, können Unternehmen flexibel Anpassungen vornehmen.

KI löst nach wie vor bei vielen aus den unterschiedlichsten Gründen ein ungutes Gefühl aus. Was antworten Sie diesen Menschen?

Offenheit und Transparenz sind wichtige Aspekte beim Einsatz von KI. Unternehmen müssen beispielsweise deutlich machen, wie ihre KI-Systeme trainiert und welche Daten hierzu verwendet werden. Nutzer haben ein Recht zu wissen, wann sie es mit KI-Systemen zu tun haben und wie diese Systeme zu ihren Entscheidungen kommen.
Nur so können wir Vertrauen in die Technologie aufbauen. Deshalb haben wir uns bei IBM ethischen Grundsätzen für einen verantwortungsvollen Umgang mit KI verpflichtet.

Rainer Hochecker
Leading Technical Sales Professional,
IBM AI Applications/DACH, München
Kyra Kutter
Redaktion Industrieanzeiger

 

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