Ein Klick am Bildschirm und schon befinde ich mich in der knall-orangefarbenen Atmosphäre des Kölner Herstellers von Kunststoffgleitlagern und Energieketten Igus. Das Firmen-Markenbanner und im Hintergrund leicht verschwommen wahrnehmbare mit Gleit- und Gelenklagern befüllte Behälter sowie drei Mitarbeiter von Igus und vier kameralose externe Teilnehmer poppen in meinem Microsoft-Teams-Meetingfenster auf. So sieht beispielsweise ein Messebesuch in Corona-Zeiten aus.
„Als eine Messe nach der anderen abgesagt wurde, war uns schnell klar: Dann machen wir unsere eigene Messe und teilen sie von Köln aus mit der Welt“, erklärt Frank Blase, Geschäftsführer der Igus GmbH. „Normalerweise wären wir 2020 auf 222 Messen und Kongressen weltweit vertreten gewesen, insgesamt waren es dann gerade einmal 26.“
Die Idee einer virtuellen Produktpräsentation ist nichts Neues. Es gibt zahlreiche Simulationsanbieter, die sich auf diese 3D-Darstellung spezialisiert haben. Oft bleibt es aber beim virtuellen Erlebnis; Ein haptischer Eindruck der Bauteile sowie der persönliche Kontakt mit Experten für anwenderspezifische Rückfragen werden durch ein Chatfenster nicht ersetzt.
Igus baute Lagerhalle zu 400 m² großen Messestand um
Um das eigene Produktportfolio so realitätsnah wie möglich vorstellen zu können, hat das mittelständische Unternehmen einen 400 m² großen Messestand an seinem Hauptstandort in Köln Porz-Lind errichtet. Die Ausstellungsfläche entspricht in etwa der Fläche, die der Hersteller normalerweise auf Messen wie der Motek in Stuttgart oder der SPS in Nürnberg belegt. Rund 1,5 Monate lang hat ein Team das ursprüngliche Instandhaltungslager umgebaut. Seit Mai 2020 zeigen Mitarbeiter auf dem Stand mehr als 100 Produkte und Neuentwicklungen aus dem Motion-Plastics-Portfolio: Von Low-Cost-Automation-Robotern über intelligente 3D-gedruckte Gleitlager bis hin zu den Energieketten.
Den Messestand können Besucher virtuell eigenständig besuchen (mehr dazu: siehe Kasten) und sich so einen ersten Überblick über das Portfolio von Igus verschaffen. Mehr als 55.000 Interessierte haben das Angebot laut des Anbieters bereits genutzt. An den einzelnen Stationen informieren Displays, Filme und Texte über die Produktinnovationen, Verlinkungen führen zu weitergehenden technischen Informationen und Videos auf der Webseite.
Individuelle Live-Führung
Eine Besonderheit im Vergleich zu vielen 3D-Messeständen im Internet ist jedoch die Möglichkeit einer geführten digitalen Tour mit einem Experten von Igus. „So erhält der Anwender oder Interessent direkt die relevanten Informationen, die ihn für seine tägliche Arbeit interessieren. Das kommt bei unseren Kunden sehr gut an“, erklärt Lars Braun, Leiter Branchenmanagement Verpackungsindustrie bei Igus.
Doch wie sieht so ein Standbesuch genau aus? Michael Kammler, Konstruktionsleiter bei Schäfer & Flottmann – Spezialist für die Automatisierung von Verpackungs- und Kommissionierungsvorgängen –, und zwei seiner Teamkollegen haben sich an diesem Nachmittag für die digitale Tour angemeldet. Nach dem Einwählen in das Teams-Meeting führen Branchenexperte Braun und Christof Meurer, Vertriebsmitarbeiter für Linearführungen bei Igus, über den Messestand. Meurer ist für die Live-Video-Übertragung vor Ort auf dem Igus-Messestand in Köln. Mithilfe eines speziellen Rollwagens, auf dem ein Tablet-PC fixiert ist, wandert der Mitarbeiter während des Livestreams mit den Besuchern von Station zu Station. Die Konstrukteure kennen das Portfolio von Igus schon länger, sie haben konkrete Fragen zu Produkten und Problemstellungen in ihrem Arbeitsalltag. Braun nimmt sich Zeit für die Fragen, er stellt nur die Produktbereiche vor, die für die Maschinenbauer relevant sind. Meurer folgt parallel mit der Kamera, er nimmt die besprochenen Bauteile wie die Iglidur-Gleitlager in die Hand, zoomt heran, kann durch Zusammendrücken oder Ziehen beispielsweise Eigenschaften der Werkstoffe verdeutlichen. Wünscht der Anwender selbst das haptische Erlebnis der Produkte, ist auch das möglich: Braun notiert sich während des Messebesuchs einzelne Komponenten, er wird Kammler im Nachgang des Termins die entsprechenden Produktmuster zusenden.
Nach einer knappen Stunde sind alle zufrieden: Das Konstruktionsteam von Schäfer & Flottmann schätzt die persönliche und schnelle Beratung, die Igus-Experten sehen den digitalen Messebesuch als gute Alternative, um die anwendungsnahen Einschätzungen von Kunden und interessierten Firmen einzufangen. Insgesamt 12.000 solcher Gespräche fanden bereits in Form des digital geführten Messebesuchs bei Igus statt.
Virtuelle Messen sind kein Ersatz für reale Messen
Dieses erfolgreiche Konzept will der Anbieter auch 2021 weiterführen. Ein Ersatz für reale Messen sei es aber trotzdem nicht, betont Geschäftsführer Blase: „Wir haben gesehen, welches Potenzial die physisch-virtuelle Messe bietet, um mit den Kunden in Kontakt zu treten, die nicht zur Messe kommen können, andererseits ist der persönliche Austausch vor Ort und das Erleben der Produkte wichtig.“ Eine Messe sei auch immer ein Ideen-Forum, auf dem Trends beobachtet werden können, präzisiert er.
Daher setzt der Hersteller neben den digitalen Möglichkeiten, dort wo es möglich ist, auch auf den persönlichen Kontakt: Ein mobiler Road-Show-Messestand mit mehr als 120 Motion-Plastics-Produkten kann etwa einfach auf dem Parkplatz beim Kunden innerhalb einer Stunde aufgebaut werden. Produktspezialisten von Igus führen die Neuheiten dann live, unter Einhaltung der Hygieneregeln, vor.
Kontakt:
Igus GmbH
Spicher Str. 1a
51147 Köln
Tel.: +49 22039649-0
E-Mail: info@igus.de
www.igus.de
Das digitale Angebot von Igus
Der reale Igus-Messestand in Köln diente neben Kundenbesuchen als Drehort für die jährliche Pressekonferenz, für Berichte von Nachrichtensendern sowie für Neuheiten-Vorstellungen auf Youtube. Zudem hat der Anbieter ein Webinar-Studio eingerichtet: Hier erfahren Kunden alles zu aktuellen Entwicklungen im Bereich der Tribo-Kunststoffe.