Die Digitalisierung wird die Anforderungen an den Vertrieb und dessen Arbeitsweise in den nächsten Jahren radikal verändern. Nach einer aktuellen Studie von Roland Berger und Google Deutschland über die digitale Zukunft des B2B-Vertriebs sind sich 60 % der befragten Unternehmen sicher, dass die Digitalisierung der Sales-Organi-sation ausschlaggebend für den Erfolg ihres Geschäfts sein wird, allerdings haben 58 % keinerlei Strategie für die Digitalisierung des Vertriebs. Vielmehr erleben die Unterrnehmen täglich, wie ihnen die Datenflut weniger Zeit für Kunden lässt, Big Data dem Vertrieb ein zahlengetriebenes Verhalten aufzwingt und die Kommunikation nach innen und außen leidet.
Die Vertriebsverantwortlichen müssen sich den Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung stellen. Kein Unternehmen kann heute die Augen davor verschließen, dass Kunden mit der Nutzung digitaler Möglichkeiten ihr Verhalten und ihre Erwartungen – insbesondere beim Einstieg in den Verkaufsprozess – massiv verändern: Schon bevor ein Vertriebler beim potenziellen Kunden einen Termin bekommt, hat dieser etwa zwei Drittel der relevanten Informationen online recherchiert – über Messenger-Dienste, Suchmaschinen, Fachblogs oder andere Social-Media-Aktivitäten. Rund 50 % der Einkaufsverantwortlichen in Deutschland sind unter 35 Jahre alt – diese „Millennials“ setzen auf digitale Entscheidungsfindungsprozesse.
Das bedeutet, dass die digitale Präsenz und Kommunikationsstärke eines Unternehmens die Auftragsvergabe maßgeblich beeinflusst. Dennoch sind Kunden keine homogene Masse. Sie unterscheiden sich nicht nur durch ihr Alter, sondern auch durch ihre Gewohnheiten, Vorlieben, Tagesabläufe und unterschiedlichen Präferenzen in der Kommunikation. Hier kommt es darauf an, den richtigen Kommunikationskanal zum Kunden zu finden und diesem auch im losen Kontakt stets die Möglichkeit zu bieten, auf „seinen“ Vertriebler zuzukommen, sobald ein akutes Problem besteht.
Datensammeln ist kein Selbstzweck
Eine Kernaufgabe und -kompetenz des Vertriebs wird die Digitalisierung nicht verändern: den Aufbau stabiler und auf Vertrauen basierender Kundenbeziehungen. Hinzukommt: Der Megatrend Digitalisierung verändert Geschäftsmodelle. Viele Unternehmen verkaufen heute statt Produkte beratungsintensive Lösungen, die erst durch neue Technologien möglich geworden sind. Gerade hier braucht es den persönlichen Vertrieb oder die Fähigkeit des Vertrieblers, das Geschäft des Kunden zu verstehen und gemeinsam mit ihm neue Wertschöpfungspotenziale zu erkennen und umzusetzen. Zudem verkaufen Vertriebler nicht mehr einfach etwas, sie managen Projekte und zwar mit digitalen Hilfsmitteln. Als echte Partner unterstützen sie ihre Kunden dabei, transparente Informationen richtig einzuordnen.
Gefragt sind deshalb Vertriebler mit Weitsicht, die es verstehen, die vorhandenen Zahlen sinnvoll zu nutzen – etwa die Daten, die im CRM verwaltet werden wie Ziele, Budgets, Umsatzentwicklung des Unternehmens, die Rolle ihrer Ansprechpartner im Buying Center sowie bisherige Einkäufe und geplante Projekte. Natürlich ist es von großem Vorteil, wenn Unternehmen im Vertrieb Tablets einsetzen, mit denen etwa im Verkaufs- oder Beratungsgespräch auf das Produktportfolio sowie relevante Kundendaten zugegriffen werden kann.
Um ihre Kunden aber aktiv und vorausschauend beraten zu können, brauchen sie den Blick über den Tellerrand des reinen Vertriebsinteresses: Erst ein umfassendes Wissen über die Märkte, in denen sich ihr Kunde bewegt, über politische und ökonomische Einflüsse, Wettbewerbsbetrachtung sowie die allgemeinen Umsatzentwicklungen in seiner Branche machen Vertriebler zu echten Partnern ihrer Kunden und sichern sich deren langfristige Loyalität.
Digitale Teams und neue Führungskultur
Wie in allen Zeiten des Wandels kommt auch im digitalen Zeitalter den Führungskräften eine entscheidende Rolle zu. Denn die digitale Transformation verändert die Art und Weise, wie Teams zusammenarbeiten: räumlich (vom Homeoffice bis zu Projekten im internationalen Raum), zeitlich (meist auf ein Projekt befristet) und hierarchisch (gleichberechtige Spezialisten unter lateraler Führung mit wenig Weisung von oben).
Das kann die direkten Beziehungen in Teams auf der einen Seite und die Bindung eines Mitarbeiters an sein Unternehmen auf der anderen Seite erheblich lockern. Vorgesetzte müssen hier neue Wege einschlagen, um die Bindung und Loyalität ihrer Mitarbeiter zum Unternehmen zu sichern – indem sie die persönliche Begegnung und Kommunikation aktiv fördern und sich zugleich Zeit nehmen für Mitarbeitergespräche auf Augenhöhe, um über die Motivation und Ziele ihrer Mitarbeiter im Kontakt zu bleiben. Entscheidend für den Vertriebserfolg ist auch, die Mitarbeiter an den richtigen Stellen einzusetzen und sie mit Aufgaben zu betrauen, die ihrem Charakter und ihrer persönlichen Eignung entsprechen.
Auch die Altersstruktur der Vertriebsmannschaft kann das Management vor Herausforderungen stellen – insbesondere in Teams, wo altverdiente Vertriebler, die bis vor kurzem noch mit dem Notizblock in „ihrem Verkaufsgebiet“ unterwegs waren, und junge „Millenniels“ aufeinandertreffen. Diese kennen sich zwar meist perfekt mit neuen sozialen Medien und digitalen Technologien aus, zeigen aber häufig große Defizite in der direkten Kundenkommunikation, die es durch Schulungen oder Trainings zu verbessern gilt. Umgekehrt fühlen sich ältere Kollegen durch die neuen Technologien abgehängt und erleben geradezu einen „Kulturschock“, da der einzelne Kunde nicht mehr ihr Hoheitsgebiet ist.
Teamwork wird immer wichtiger
Wer seine Vertriebsmannschaften auf eine digitale Zukunft vorbereiten will, braucht vor allem ein gemeinsames Verständnis darüber, dass auch in Zeiten von Big Data der Kunde bei allen Aktivitäten im Fokus steht. Zahlen allein verkaufen kein Produkt und Datensammeln ist kein Selbstzweck. Allerdings kommt dem Teilen von Informationen zwischen den Kollegen im Team, aber auch verschiedenen Abteilungen wie etwa Marketing und Vertrieb, eine große Bedeutung zu: Teamwork wird im digitalisierten Vertrieb immer wichtiger. Dazu braucht es jedoch eine gemeinsame „Vision“ – eine Identifikation mit dem Unternehmen und ein Verständnis darüber, welchen wichtigen Beitrag das Unternehmen für den Kunden leisten kann.
Auch bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle muss immer der Kunde mit seinen ganz individuellen Anforderungen im Mittelpunkt stehen. Und ausschließlich erfolgreich am Nutzer getestete Ideen – am besten erst einmal in kleineren, überschaubaren Projekten – sollten auch weiterentwickelt werden. Denn letztlich bestimmen immer die Kunden sowie ihre Perspektive und Bedürfnisse, wohin die digitale Reise im Vertrieb geht.