Ein Unternehmen, das konsequent Lean-Methoden nutzt, hat einen Produktivitätsvorsprung von sechseinhalb Jahren, im Vergleich zu einem Betrieb, der Lean-Management nur durchschnittlich einsetzt. Das zeigt die Studie „Wertschöpfungspotenziale 4.0“, eine Zusammenarbeit der Hochschule Karlsruhe, dem Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) sowie dem Institut für Lernen und Innovation in Netzwerken (ILIN).
Bei Lean-Index und digitalen Technologien noch Luft nach oben
„Bei einer Bruttowertschöpfung im deutschen verarbeitenden Gewerbe von etwa 667 Milliarden Euro im Jahr 2019, ergibt sich daraus ein unausgeschöpftes Wertschöpfungspotenzial von etwa 95 Milliarden Euro“, wird Prof. Dr. Steffen Kinkel, Leiter des ILIN an der Hochschule Karlsruhe, in einer Presseinformation zitiert. Bei einem Lean-Index von mindestens 1 und maximal 7 liegt der Mittelwert aller Betriebe jedoch lediglich bei 2,2. Auch beim Einsatz digitaler Technologien gibt es noch Luft nach oben: Jedes siebte Industrieunternehmen gibt an, keine dieser Technologien zu nutzen und nur 18 Prozent gehören bei der Digitalisierung zur Spitzengruppe.
Bisher noch nicht entdeckte Verschwendung sichtbar machen
Digitale Technologien helfen vor allem, bisher noch nicht entdeckte Verschwendung sichtbar zu machen. Das vorrangige Konzept, um ungenutzte Potenziale zu heben, ist Lean-Management, so die Analysten. „Mit einem konsequenten Einsatz von Lean-Konzepten lässt sich nicht nur die Arbeitsproduktivität erhöhen. Eine intensive Lean-Nutzung wirkt sich auch positiv auf die Qualität aus“, sagt Markus Mersinger, der sich vor allem im produzierenden Gewerbe eine hohe Expertise in Lean-Prozessen aufgebaut und fast 200 Projekte begleitet hat.
„Im Kern geht es im Lean-Management darum, sich auf die Wertschöpfung zu konzentrieren und Verschwendung zu vermeiden“, erläutert der Business-Experte. Bezogen auf ein produzierendes Unternehmen könne das etwa bedeuten, Durchlaufzeiten zu verbessern, Lagerbestände zu senken und die Produktivität zu erhöhen. „Viele Werkhallen könnten effizienter organisiert werden. Bei einem meiner Kunden war etwa die Fertigung eines Messgerätes in einzelne, völlig voneinander isolierte Arbeitsplätze aufgeteilt. Dadurch gab es regelmäßig 20 bis 30 angefangene Aufträge, die auf einem Wagen darauf warteten, weiterbearbeitet zu werden. Es fehlte an Transparenz und die Lagerbestände waren unnötig hoch“, schildert der Berater ein Beispiel aus einer klassischen Werkstattfertigung. „Da es unmöglich war, das Produkt fließen zu lassen, haben wir einfach mal anders gedacht und kurzum die Werker im Takt fließen lassen.“
30 Prozent produktiver mit gleicher Mitarbeiteranzahl
Mit Mersingers Unterstützung konnte das Unternehmen in 18 Monaten den Lagerbestand um die Hälfte reduzieren; die Durchlaufzeiten verbesserten sich um 70 Prozent. „Nach der Einführung von Lean-Prinzipien war der Betrieb um 30 Prozent produktiver, bei gleichbleibender Belegschaft“, betont er den Erfolg der Veränderung. Kapazitätsneutrales Wachsen bedeute dabei nicht, dass Mitarbeiter mehr leisten müssen – ganz im Gegenteil: „Mitarbeiter merken schnell, dass es mit Lean stressfreier ist zu arbeiten, weil es störungsfreier und strukturierter wird.“
Für Mersinger beginnen Lean-Management-Projekte stets mit der Kundenorientierung: „Um in einer Organisation ungenutztes Potenzial zu heben, sollten Analysen mit Fokus auf den Kunden durchgeführt werden. Besonders durch den voranschreitenden Wandel zur Outcome-Economy, in der es um Lösungen geht, nicht einfach nur um Produkte, sollten Kunden Verbesserungen sofort spüren.“ In der Praxis könne das für Hersteller im ersten Moment eine Verschlechterung bedeuten, weil etwa in der Endmontage zunächst viel Bestand aufgebaut werden muss, um lieferfähig zu sein. „Wenn dann aber nach und nach stromaufwärts neue Prozesse aufgebaut werden, gelingt es, die Produktion zu verschlanken und benötigtes Material vielleicht im Kundentakt beim Lieferanten abzurufen. Damit sinken die Bestände wieder – meist signifikant.“
Bei Lean-Einführung die Organisation immer ganzheitlich betrachten
Wenn Unternehmensleitungen Lean-Prinzipien einführen wollen, sollten sie die Organisation immer ganzheitlich betrachten: von der Betriebspforte bis zur Managementebene. Denn für jeden Bereich eines Unternehmens gibt es auch einen (internen) Kunden. Mersinger: „Sich lediglich auf Lager und Produktion zu beschränken, wäre zu kurz gedacht. Lean-Prinzipien greifen auch in den Management- und Verwaltungsbereichen.“
Bei der Umsetzung von Lean-Maßnahmen sei es wichtig, dass sich alle, von der Geschäftsführung über die Führungskräfte bis hin zu den Werkern, schrittweise auf ein gemeinsames Ziel zubewegen: „Das Ziel muss jedem im Unternehmen klar sein. Auf Basis von Zielbildern sollten mit allen Beteiligten konkrete Etappenziele vereinbart werden. Wichtig dabei ist, den Zielzustand zu beschreiben, ohne bereits mögliche Lösungen zu nennen“, so der Berater.
Mersinger empfiehlt außerdem, mit einer Analyse ungenutzter Potenziale bei den Prozessen einer Produktfamilie zu beginnen, die im Unternehmen am häufigsten durchgeführt werden oder bei den Produkten mit dem höchsten Absatz: „Hier wirken sich Skaleneffekte der Optimierungen am deutlichsten aus.“ In einem Pilot-Workshop kann als erster Schritt zunächst ein kleiner Bereich, der nicht allzu komplex ist, mit allen dort beschäftigten Mitarbeitern umorganisiert oder anders eingerichtet werden. Zum Beispiel, indem Material neu positioniert oder eine Montagelinie umgebaut wird.
Komplettumstellung auf Lean ist kein Sprint, sondern ein Marathon
Erste Ergebnisse zeigen sich nach Mersingers Erfahrung sofort nach der Umsetzung. „Die Umstellung eines kompletten Unternehmens auf ‚Lean‘ ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Denn es geht sehr um einen Mindset-Shift in der Organisation“, betont der Berater und Coach. Mit dem richtigen Experten könne jedoch jeder Betrieb das Ziel – den nächsten Level der Leistungsfähigkeit – erreichen.
Kontakt:
Markus Mersinger
Alpenstrasse 15
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Tel +49 177 72 70 200
www.markusmersinger.com