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Neben Ingenieurskunst ist auch Verhandlungstaktik gefordert

Marktstudie zeigt: Der Preisdruck für Zulieferer und Maschinenbauer nimmt weiter zu
Neben Ingenieurskunst ist auch Verhandlungstaktik gefordert

Die globalen Einkaufsstrategien der Großunternehmen setzen Fabrikausrüster wie Zulieferer einem immer stärkeren Preisdruck aus. Wenn es kein direktes Wettbewerbs-Produkt gibt, spielt der Einkauf bei Angebotsverhandlungen taktisch auch mal aufs Bluffen. Die erste Marktstudie über Preis- und Auftragsverhandlungen für Maschinen- und Ausrüstungsgüter 2011/2012 blickt hinter die Kulissen des Maschinenverkaufs.

„Das Angebot aus Asien liegt 30 Prozent günstiger als Ihres“, erwidert der Einkäufer bei der Auftragsverhandlung. Nach dem ersten Schreck antwortet der Verkaufsingenieur: „Aber die Maschinen sind sicher nicht vergleichbar, denn wir haben die Konstruktion mit Ihrer Technik genau für diese Prozesse ausgelegt.“ Darauf bekommt er zu hören: „Der andere Lieferant hat genau dasselbe Pflichtenheft bekommen.“

Solche oder so ähnliche Verhandlungen erleben heute immer mehr Großkunden-Betreuer der Maschinenbauer in Deutschland. Denn die Großkonzerne sind dabei, ihre Einkaufsmacht zunehmend auszuweiten. Beim Einkauf von Automobil-Serienteilen ist das Heranziehen von Vergleichs-Angeboten aus aller Welt heute schon fast Standard. Und das Global Sourcing wird nun mehr und mehr auch für das so genannte nicht-produktive Material wie Maschinen und Anlagen zur Praxis, um damit die Preise heimischer Anbieter unter Druck zu setzen. Im Durchschnitt konnten die Konzern-Einkäufer damit Nachlässe von 9,9 % durchsetzen; gefordert wurden gar 17,8 % Rabatt. Viele Kunden wollen einfach „so billig wie möglich“ einkaufen, klagt so mancher Maschinenbauer. Diesen neuen Trend belegt die Marktstudie 2011/12 zur Entwicklung der Preise im Maschinenbau von Professor Marco Schmäh, ESB Business School, Reutlingen, und der Unternehmensberatung Hans-Andreas Fein.
Vor allem die Erschließung der asiatischen Beschaffungsmärkte bringt für Investitionsgüter eine völlig neue Angebotsintensität. So werden die Geschäfte generell härter, und selbst Lieferanten, die bisher fast ausschließlich im Inlandsmarkt tätig sind, sehen sich plötzlich den Wettbewerbern aus aller Welt ausgesetzt.
In 136 Interviews mit Ausrüstungslieferanten wertet die Studie – anonym – deren Erfahrungen aus Preisverhandlungen mit Großkunden aus der Automobilindustrie (45 %) wie aus anderen Branchen (55 %) in den beiden vergangenen Jahren aus; von Gesprächen, die ausnahmslos hinter verschlossenen Türen stattfinden. Dabei wurde deutlich, dass Einkäufer der Kfz-Industrie ihre Knebelstrategien aus dem Autozuliefergeschäft mittlerweile auf die Beschaffung von Investitionsgütern übertragen. Auch große Konzerne außerhalb der Autoindustrie übernehmen die Methoden von Zuckerbrot und Peitsche aus der Fahrzeugindustrie. Das Instrumentarium lernen die Konzerneinkäufer in Schulungen rasch dazu. Und das wirkt sich offenbar auf die Inhalte ebenso wie auf die Atmosphäre während der Auftragsverhandlungen aus. So bezeichnet etwa ein Viertel der Verkäufer das Klima der Verhandlungen als „angespannt“, „aggressiv“, „frostig“ oder gar „knochenhart“. Und fast zwei Drittel der Befragten empfinden den Verhandlungsdruck als hoch oder als überdurchschnittlich.
In der Praxis laufen die Auftragsverhandlungen in zwei aufeinander folgenden Stadien ab: Zunächst einigen sich die Ingenieure und Techniker auf beiden Seiten auf Basis der Spezifikationen über die beste technische Lösung und Konfiguration einer Maschine und über den Liefertermin. Nicht selten scheint für die Verkäuferseite damit alles klar zu sein, doch dann beginnen die Einkäufer erst mit spitzem Bleistift zu kalkulieren und den Preis der Anlage zu drücken. Dabei spielen verhandlungstaktische Überlegungen mit Blick auf Rabatte, Budgetvorgaben und Vergleichs-Preise meist ausländischer Konkurrenten eine zentrale Rolle. Auf Einwände der Verkaufsingenieure, dass die Anlagen gar nicht vergleichbar seien, geht die kaufmännische Seite oft gar nicht ein.
Diese „Arroganz“, „Sturheit“ und „Ignoranz“ der Einkäufer, so lauten viele Aussagen, ärgert die Lieferanten am meisten. Ebenso reagieren sie erbost, wenn in den (Preis)Verhandlungen „Tatsachen verdreht werden“ oder wenn dabei „Äpfel mit Birnen verglichen“ werden. Auch „weiche Argumente“ wie bessere Qualität oder mehr Service wischen die Großkunden in dieser heißen Phase vom Tisch.
Allerdings sind die Verhältnisse noch nicht so schlimm wie für Autozulieferer. Die Mehrheit der Maschinen- und Anlagenbauer erlebt die Verhandlungen in sachlich-konstruktiver und schließlich doch zielführender Weise. Und am Ende schneiden die deutschen Lieferanten von Investitionsgütern relativ gut ab: Immerhin erhalten 89 % der heimischen Anbieter nach den Verhandlungen auch den Zuschlag. Ursache dafür sind laut Studie die kundenspezifischen, nicht austauschbaren Maschinen oder Anlagen, deren fertigungstechnische Präzision sowie eine hohe Lieferflexibilität. In den meisten Fällen finden die Beschaffungsexperten der Konzerne derzeit noch keine wirklich gleichwertigen Alternativen zu den deutschen Anbietern.
Andererseits sind sich die deutschen Maschinenbauer in den Verhandlungen nicht immer ihrer Stärke bewusst und lassen unter dem taktisch-psychologischen Druck so manchen Rabattpunkt nach. Das gilt auch für einen weiteren Aspekt: Viele heimische Hersteller haben in den jüngsten Jahren gelernt, die Fertigungszeiten von Maschine deutlich zu reduzieren. Als besondere Anforderungen neben der Technik nennen die Ausrüster am häufigsten „kürzere Lieferfristen“, wie die Erhebung zeigte. Zu den Ursachen des wachsenden Zeitdrucks gehört nicht zuletzt der Preispoker der Einkäufer, die ihre potenziellen Lieferanten und Verhandlungspartner häufig aus taktischen Gründen zappeln lassen. Dadurch verrinnt oft wertvolle Zeit für den Bau der Maschine, denn der Liefertermin ist ja vorgegeben. In der Folge muss eine Maschine dann mit einer völlig unrealistischen Zeitvorgabe gebaut, installiert und hochgefahren werden. Waren etwa noch vor wenigen Jahren Durchlaufzeiten von 9 bis 12 Monaten für eine Sondermaschine normal, gehen nun schon mal zwei bis drei Monate durch die Verhandlungs- und Entscheidungsprozesse verloren, wodurch der Maschinenbauer sich bereits bei der Auftragserteilung in Verzug befindet. In diesen Fällen ist die Kunst eines professionellen Projektmanagements oft noch wichtiger als der Preis. Denn selbst dann akzeptieren die meisten Besteller nicht, dass die Anlage später in Betrieb genommen wird und drohen gar mit Konventionalstrafen. Den „Auftragsgewinnern“ bleibt dann oft nur, mit Überstunden und Wochenendschichten zu fahren, um die Verspätung aufzuholen. Der eine oder andere Lieferant nimmt zudem das Risiko auf sich und beginnt bereits vor der Auftragserteilung mit dem Bau von Kernkomponenten und Engpassteilen, am besten solchen, die er im Notfall später auch für einen anderen Auftrag verwenden kann.
So lässt die Maschinenbaustudie auch die Potenziale erkennen, die die Ausrüster in den Verhandlungen stärker nutzen können: die Vorteile ihrer technischen Alleinstellung ebenso wie ihres im internationalen Vergleich hochentwickelten Zeit- und Projektmanagements beim Bau der Maschinen, bei gleichzeitigem Zwang der Beschaffer, die Terminvorgaben unbedingt einzuhalten. Diese Aspekte sollten die Lieferanten beim Preispoker viel stärker ins Kalkül ziehen, um dem Druck der Einkäufer standhalten zu können.
Es zeichnet sich ab, dass Maschinen- und Anlagenbauer künftig neben der Ingenieurskunst auch Fähigkeiten als Psychologen und Verhandlungsstrategen erwerben müssen, um ihre gute Position gegenüber den Kaufleuten in die Waagschale werfen zu können: „Der angebotene Preis bezieht sich auf eine Herstellzeit von 9 Monaten. Eine Verkürzung der Durchlaufzeit erfordert in jedem Fall besondere Maßnahmen und zusätzliche Kosten, die wir gerne für Sie kalkulieren. Die Kernkomponenten des Systems und einen Teil der Rohmaterialien müssen wir spätestens nächste Woche in Auftrag geben, damit der Termin überhaupt noch eingehalten werden kann. Den Preis kann ich nicht weiter senken, doch ich hätte da einen Vorschlag fürs Gesamt-Paket des Auftrags . . .“.
Prof. Dr. Marco Schmäh ESB Business School Reutlingen Dipl.-Kfm. Hans-Andreas Fein Unternehmensberatung Stuttgart

Einkäufer der europäischen OEMs setzten mehr durch

Preis-Studie für Autozulieferer in Europa und USA

Die Schwester-Studie unter Autozulieferern untersucht die Preissenkungs-Forderungen der Automobilhersteller an ihre Teilezulieferer, welche die Autoanalysten IRN (Grand Rapids/ Michigan) seit 1997 für Nordamerika und die Stuttgarter Fein-Unternehmensberatung seit 2002 in Europa regelmäßig durchführt.
Demnach forderten die amerikanischen OEMs (Automobilhersteller) im Jahr 2012 von ihren Zulieferern im Durchschnitt 3 % Preisnachlässe, und bekamen 1,21 % zugestanden. Ford-Lieferanten ließen 0,95 % nach, die von General Motors 1,26 % und die von Chrysler sogar 1,31 %. Die OEM-Gruppe „New Domestics“, zu denen auch die Werke von Daimler, BMW und Volkswagen in den USA gehören, stellte ihre Zulieferer vor Nachlass-Forderungen von 3,55 %, was nahezu dem aktuellen Niveau in Europa entsprach. Mit 1,54 % konnten sie also etwas mehr durchsetzen als ihre Kollegen in Detroit.
In der europäischen Automobilindustrie lagen sowohl die Forderungen der Einkäufer als auch die erzielten Preiszugeständnisse höher – im Schnitt waren die Zulieferer in der Saison 2011/2012 zu 4 % Preissenkung aufgefordert, und sie gewährten am Ende der Verhandlungen 2,7 % Nachlass, was einer „Erfüllungs-Quote“ von 67,5 % für die Einkäufer bedeutet (in USA 40,3 %). Gründe für die Differenz sind unter anderem die hervorragende Auftragslage der deutschen Premium-Anbieter einerseits und die zum Teil kritische Lage in den Massenfahrzeug-Segmenten in Europa andererseits. Beide gaben den europäischen Einkäufern gewichtige Begründungen in die Hände: Skaleneffekte durch (zum Vorjahresbeginn) steigende Stückzahlen oder Krisenbeiträge, um dem jeweiligen OEM im immer schärferen Wettbewerb des Volumensegments im eigenen Interesse zu helfen.
Das wesentlich geringere Niveau in Nordamerika ist auch vor dem Hintergrund zu erklären, dass viele Zulieferer während der Krise 2008/2009 ihre Fertigungs-Kapazitäten spürbar reduziert haben und die Autohersteller sich nun angesichts des wieder wachsenden US-Automarktes wegen drohender Lieferengpässe in der Zuliefererkette Sorgen machen. Da vertragen sich massive Preissenkungs-Forderungen mit dem gleichzeitigen Wunsch an die Zulieferer zu mehr Investitionen in den (Wieder-)Ausbau der Fertigung nicht.
Aus diesen transatlantischen Unterschieden wird deutlich, wie sehr die Stärke der Verhandlungs-Positionen von OEMs und Lieferanten im Teile-Zulieferergeschäft auch vom konjunkturellen Umfeld des jeweiligen Automarktes beeinflusst sind.
Hans-Andreas Fein

Preisstudie im Maschinenbau

Die 1. Marktstudie über Preis- und Auftragsverhandlungen im Maschinenbau 2011 / 2012 basiert auf 136 Interviews mit deutschen Herstellern von Maschinen und Ausrüstungsgütern. Das Ziel: Die Hintergründe aktueller Beschaffungsmethoden und Preisverhandlungs-Strategien ihrer Großkunden anhand von ausgewerteten Fallstudien zu untersuchen. Grundlage der Erhebung von Oktober 2011 bis Januar 2012 war ein Katalog mit 15 Fragen, ausgerichtet auf Angebots- und Verhandlungsinhalte. Die Auswertungen aller Antworten zeigen generelle Trends auf.
Das Produktspektrum der Teilnehmer umfasst nahezu die gesamte Breite des Maschinen- und Anlagenbaus. Für die Auswertung wurde den Gesprächspartnern und teilnehmenden Firmen Anonymität zugesichert. Diese Untersuchung ist die Einzige, welche Preisrunden, die durchweg hinter verschlossenen Türen stattfinden, nach vielfältigen Aspekten erhebt, anonym auswertet und analysiert.
Die Erhebung ist an die Schwesterstudie über Preissenkungs-Forderungen gegen Teilezulieferer in der Fahrzeugindustrie angelehnt, welche die Stuttgarter Fein-Unternehmensberatung seit 2002 in Kooperation mit dem US-Autoanalysten IRN mit Sitz in Grand Rapids/Michigan regelmäßig durchführt.

Fazit und Konsequenzen der Maschinenbau-Preisstudie

Für Key Account Manager

  • Ein Angebot braucht Spielraum für Verhandlungen, und zwar nicht nur im Preis.
  • Für eine wesentliche Preis-Reduktion sollte auch der Leistungsinhalt verringert werden.
  • Der gute Kompromiss liegt am Ende im Gesamt-Package, nicht im reinen Preisnachlass.
  • Das Beziehungsnetz spielt auch in der heißen Verhandlungs-Phase eine wichtige Rolle.
  • Global Sourcing setzt auch den reinen Inlands-Lieferanten dem globalen Wettbewerb aus.
  • Vorrausschauen: In der Kopplung mit Zukunfts-Bedarfen liegt oft die optimale Verhandlungslösung (plus Kundenbindung).
  • Die eigene Argumentation sollte dem Einkäufer keine zusätzlichen Ansätze zur Widerrede bieten.
  • Neben Sach-Argumenten braucht der Verhandlungs-Ansatz auch eine „Story“, die Historie und die Perspektive in die Gesamt-Situation mit einbezieht.
  • Übung macht den Meister. Preis-Verhandlungen brauchen gute Vorbereitung und Übungen.
  • Gelassenheit ist wichtig, gerade in den schwierigen Phasen. Der psychologische Druck gehört dazu.
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