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Niedrige Preise langfristig sichern

RohstoffEinkauf: Aktives Management reduziert Abhängigkeiten
Niedrige Preise langfristig sichern

Für viele Unternehmen der Metall- und Kunststoffindustrie gleicht der Umgang mit Rohstoffkosten einer Achterbahnfahrt. Dabei bieten sich gerade jetzt Chancen, von den schwankenden Preisen zu profitieren, statt darunter zu leiden.

Bis vor kurzem machten Hiobsbotschaften über Insolvenzen, Arbeitsplatzabbau und Versorgungsengpässe durch hohe Rohstoffpreise die Runde. Viele Unternehmen reagierten mit Preisabwehr, Aktionismus und beklagten die Abhängigkeit von äußeren Markteinflüssen. Die schlechten Nach- richten sind zwar geblieben, aber aktuell richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Finanzkrise als Ursache für eine schwierige Wirtschaftslage. Das Thema Rohstoffmanagement dagegen scheint durch die Entspannung an den Rohstoffmärkten bei vielen Unternehmen wieder vom Tisch zu sein. Doch starke Preisschwankungen bei Rohstoffen bleiben eine Herausforderung.

Die Gefahr von Turbulenzen bis hin zu weiteren Unternehmenspleiten, die maßgeblich durch hohe Rohstoffkosten mit verursacht sind, ist keineswegs gebannt. Die aktuelle Preisbewegung ist kein Grund, sich beruhigt zurückzulehnen. Schon gar nicht in einer zunehmend schwierigeren Wirtschaftslage. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) etwa prognostiziert für 2009 nur noch ein Plus von 0,6 % beim realen Bruttoinlandsprodukt, im Jahresgutachten der Wirtschaftweisen ist sogar vom so genannten Nullwachstum die Rede.
Dauerhaft sind nur diejenigen überlegen, die sich für die nächste Preissteigerung rüsten. Unternehmen verschenken Sparpotenzial und Gewinne, wenn sie nicht vorbereitet sind, um von gesunkenen Preisen langfristig zu profitieren. So fordern etwa die Rohstoffexperten der Einkaufsberatung Inverto in einer aktuellen Markteinschätzung, jetzt die Abhängigkeit von Preisschwankungen durch aktives Management der Rohstoffkosten zu mindern und Erträge zu sichern. Entscheidend sind nach Meinung der Berater der optimale Zeitpunkt der Einkaufsentscheidung sowie die Vertragslaufzeit bei der Beschaffung. Dies erkennen Unternehmen aber nur durch systematische Beobachtung der Rohstoffmärkte.
Verunsicherung im Umgang mit Rohstoffpreisen kennzeichnet die Stimmungslage in vielen Unternehmen. Der Einkaufsleiter eines mittelständischen deutschen Automobilzulieferers, Weltmarktführer in seinem Segment, schildert: „Die Frage ist, wann wir die Jahrespreise fixieren. Es ist ein Spiel auf Zeit. Bei Kunststoffen etwa ist der richtige Zeitpunkt zwar besonders wichtig, aber kaum vorherzusehen. Für Stahl erwarten wir im ersten Quartal weiterhin fallende Preise.“ Diese Einschätzung ist derzeit typisch für viele Beschaffungsmanager der Metall- und Kunststoffindustrie. Zugleich fordern die Endkunden in der Industrie oft bereits eine Preissenkung bei den Materialkosten, obwohl die Zulieferer von diesen gesunkenen Preisen noch gar nicht selbst profitieren. Der enorme Ertragsdruck wird zum Beispiel in der Automobilzulieferindustrie durch den aktuellen Nachfrageeinbruch bei den OEMs zusätzlich verschärft.
Dabei sieht es auf den ersten Blick beruhigend aus: Die Wirtschaftsforscher sehen die Rohstoffpreise aktuell auf Talfahrt. Der Preisindex für Rohstoffe des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) beispielsweise liegt seit einiger Zeit unter Vorjahresniveau – nach einem historischen Höchststand im Juli dieses Jahres. Führende Stahlproduzenten kündigen bereits Kürzungen der Produktion an, um der schwächeren Stahlkonjunktur zu begegnen.
Doch mittel- bis langfristig werde dies nicht so bleiben, sagen unter anderem die Rohstoffexperten der Einkaufsberatung Inverto. Sie verweisen darauf, dass die langfristige Rohstoff-Hausse ihr Ende noch nicht erreicht habe und die Unternehmen noch einige Jahre beschäftigen werde.
Die Experten erwarten aktuell aufgrund ihrer Markt- und Projektexpertise bei den Durchschnittspreisen 2009 im Vergleich zum Jahr 2008 teils eine erhebliche Veränderungsspanne je Rohstoff: Zum Beispiel bei Stahl von – 15 % bis + 5 %, unter anderem durch weiter fallende Stahlschrott- und Eisenerzpreise, und bei Kunststoffgranulaten von – 11 % bis + 5 %. Nun gilt es für die Unternehmen, sich diese niedrigen Preise längerfristig zu sichern. Die Inverto Excellence Center für Rohstoffe beobachten intensiv die weltweiten Märkte und verfügen über umfangreiches Know-how zum Rohstoffmanagement verschiedener Branchen.
„Tatsache ist, dass der Preis von Rohstoffen das Unternehmensergebnis unmittelbar beeinflusst“, betont Inverto-Vorstand Markus Bergauer. Nach Erfahrung der Einkaufsberater sind Unternehmen oft aber nur ungenügend auf stark schwankende Beschaffungskosten vorbereitet. Deutlich bessere Resultate fahren Entscheider ein, die die Rohstoffbeschaffung aktiv steuern und die Märkte systematisch beobachten.
„Rohstoffeinkauf ist wie Wellenreiten“, vergleicht Vorstandskollege Frank Wierlemann. Es zähle das perfekte Timing, um den optimalen Einkaufszeitpunkt und die Dauer eines Vertrags festzulegen. „Jetzt ist der richtige Moment, um ein schlagkräftiges Rohstoffmanagement aufzubauen.“ Die Unternehmen sollten sich in eine gute Verhandlungsposition für das nächste Jahr bringen. Ziel sei es zum einen, die Erträge zu stabilisieren, indem die unternehmerischen Risiken sinken, die Planbarkeit steigt und Abhängigkeiten minimiert werden. Zum anderen steigere ein aktives Rohstoffmanagement die Erträge durch geringere Einkaufskosten.
Auch wenn vermeintlich einfache Patentlösungen ein schnelles Resultat versprechen, so sind sie beim komplexen Rohstoffmanagement mit Vorsicht zu genießen. Beispiel Hedging: Diese Finanzgeschäfte zur Absicherung von Risiken schaffen allein noch keinen Wettbewerbsvorteil und sollten nur als Teil einer umfassenden Strategie zum Kostenmanagement eingesetzt werden. Beim Hedging wird für den jeweiligen Rohstoff eine Gegenposition, beispielsweise ein Future, am Finanzmarkt erworben. Gewinne bei der Gegenposition sollen dann Verluste im Rohstoffeinkauf durch steigende Preise kompensieren.
Die Basis für ein erfolgreiches Hedging sind ein maßgeschneidertes Risikomodell und die Identifikation geeigneter Gegenpositionen zum abzusichernden Rohstoff. Für Stahl und Kunststoffe ist die Auswahl an möglichen Gegenpositionen aber noch stark begrenzt. Zudem erfordert Hedging eine enge Zusammenarbeit aller Unternehmensbereiche und verursacht zunächst Kosten, was den Ertrag erst einmal mindert. Beispiele aus der Industrie zeigen, dass Hedging auch ein enormes Risiko birgt: Die amerikanische Metallgesellschaft Refining & Marketing hatte zum Beispiel bereits im Jahr 1993 Preise für eigene Öllieferungen mit Öl-Futures abgesichert, was im Ergebnis zu einem Verlust von über 1,3 Mrd. US-$ führte.
Ausdrücklich rät daher auch Inverto davon ab, jetzt isoliert auf eine einzige Lösung zu setzen, denn die Stellhebel für strategisches Management von Rohstoffkosten unterscheiden sich je nach Branche und Ausgangssituation im Unternehmen. „Die Verpackungsmittelindustrie beispielsweise mit einem hohen Rohstoffkostenanteil von häufig mehr als einem Drittel an den Gesamtkosten kennt und überwacht die Kerninformationen ihrer Rohstoffmärkte genau“, so Sebastian Mayer, Leiter des Inverto Excellence Centers Industrierohstoffe.
Oft aber setzen Unternehmen die Maßnahmen, die ihnen Handlungsspielraum verschaffen, anschließend nicht konsequent um. Ein Automobilzulieferer, dessen Rohstoffkostenanteil am Einkaufsvolumen knapp 50 % betrug, konnte durch die Optimierung mehrerer Stellhebel allein bei den Rohstoffkosten rund 7 % einsparen. Andere Unternehmen mit einem noch höheren Anteil von Rohstoffen am gesamten Einkaufsvolumen konnten mit Rohstoffkostenmanagement eine Verbesserung der Einkaufspreise von 4 % erreichen. Auf die Gesamtkosten wirkt sich dies erheblich aus.
Es gilt, auf der gesamten Klaviatur des aktiven Kostenmanagements zu spielen. Welche Maßnahmen die wirkungsvollsten sind, um die Preisabhängigkeit zu mindern und Einkaufskosten zu senken, ist je Warengruppe zu entscheiden. Um die Abhängigkeit von Rohstoffpreisen zu verringern, bieten sich unter anderem die Beschaffung aus mehreren Ländern an, die Harmonisierung der Preisbildung zwischen Einkauf und Verkauf oder die Verbesserung des Materialeinsatzes.
Um Einkaufskosten zu senken, können etwa Einkaufsbedarfe gebündelt werden oder systematische Ausschreibungen und Verhandlungen mit Lieferanten stattfinden. Der eingangs zitierte Einkaufsleiter aus der Zulieferindustrie etwa setzt verstärkt auf Global Sourcing für sein Unternehmen: „Wir nutzen die Marktsituation, um qualifizierte chinesische Lieferanten aufzubauen. Im Stahlbereich haben wir damit bereits vor mehreren Jahren begonnen, jetzt treiben wir das Thema schneller voran.“
Derzeit nutzen einige Lieferanten die langfristige Hausse bei den Rohstoffkosten als Anlass für pauschale Preiserhöhungen. Die Angst vor Versorgungsengpässen lässt Untenehmen dabei zu rasch nachgeben. Die Folgen reichen von sinkenden Margen bis zu ernsthaften Liquiditätsproblemen. „Hier lohnt sich genaues Hinschauen, zum Beispiel durch eine Produktkostenanalyse“, berichtet Inverto-Vorstand Frank Wierlemann.
Die Chancen für Unternehmen, von schwankenden Rohstoffpreisen zu profitieren statt darunter zu leiden, sind vielfältig. Eines ist jedoch sicher: Rohstoffpreise managt man mit Informationen und mehreren Stellhebeln, nicht mit dem Blick in die Glaskugel.
Dr. Jutta Rosenkranz-Kaiser Journalistin in Stuttgart
Einkauf muss Maßnahmen konsequent umsetzen
Marktsituation nutzen, um Lieferanten aufzubauen
Verunsicherung prägt die Stimmungslage

Checkliste für den Rohstoffeinkauf
Die fünf wichtigsten Maßnahmen, mit denen Unternehmen jetzt von fallenden Rohstoffpreisen profitieren:
1. Gesunkene Rohstoffkosten von Bestandslieferanten einfordern
Gehen Sie selbst in Preisverhandlungen mit Ihren Lieferanten. Von fallenden Rohstoffpreisen profitieren nur die Unternehmen im vollen Umfang, die jetzt den Spieß umdrehen und aktiv bessere Einkaufskonditionen aufgrund gesunkener Rohstoffpreise einfordern. Die größte Wirkung wird erreicht, wenn Sie systematisch und flächendeckend alle Lieferanten ansprechen – beispielsweise durch Mailings oder Anrufaktionen – und in Ihrem Einkaufsteam für diese Aufgabe vorübergehend größere Ressourcen einsetzen.
2. Chancen durch Spotkäufe nutzen
Kapazitäten aus Überschüssen der Produzenten machen die Spotmärkte global interessant. Sie können jetzt mit Spot- und Lagerkäufen Ihre Preisvorteile sichern, da ohnehin aktuell keine langfristigen Verträge geschlossen werden.
3. Neue Lieferanten identifizieren
Vor dem Hintergrund aktuell frei gewordener Produktionskapazitäten können Beschaffungsmanager ihre Lieferantenbasis verbreitern. Die Suche nach qualifizierten neuen Lieferanten bietet Ihnen die Möglichkeit, Preisrisiken besser zu verteilen, Einkaufskosten nachhaltig zu sichern und sich dadurch in Summe von starken Preisschwankungen bei Rohstoffen weniger abhängig zu machen. Die momentane Entspannung an den Rohstoffmärkten lässt es zu, die neuen Lieferanten schließlich auch konsequent und mit hoher Priorität durch den Freigabeprozess zu führen.
4. Bestehende Lieferanten entwickeln
Gehen Sie ins Gespräch mit Ihren bestehenden Lieferanten – nicht nur in Preisverhandlungen. Gerade in der verarbeitenden Industrie verfügen Lieferanten oft über umfangreiches Spezial-Know-how bei Materialien und Herstellungsverfahren, das Sie in Entwicklung und Fertigung einsetzen können. So lassen sich die Lieferantenproduktivität steigern sowie die Einkaufskosten beispielsweise durch die Optimierung des Materialeinsatzes langfristig senken.
5. Preisbildung harmonisieren
Zwischen Einkauf und Vertrieb fehlt oft eine unmittelbare Abstimmung bei der Preisbildung. Beschaffungsmanager sollten jetzt dafür sorgen, dass die Preisbindungslogik an Indices in Verträgen für zukünftig steigende Rohstoffpreise auf beiden Seiten übereinstimmen. So stellen Unternehmen sicher, dass sie nicht von zwei Seiten unter Druck geraten, wenn nämlich steigende Rohstoffkosten die Einkaufspreise belasten und der Vertrieb höhere Preise nicht an den Endkunden weitergibt.
Quelle: Inverto AG

Kosteneffizienz
Im Umgang mit den Rohstoffkosten sind dauerhaft nur die Unternehmen überlegen, die sich für die nächste Preissteigerung rüsten. Vermeintlich einfache Patentlösungen wie das Hedging sind dabei mit Vorsicht zu genießen. Experten raten, mehrere Stellhebel anzusetzen – etwa die Beschaffung in mehreren Ländern, die Harmonisierung der Preisbildung zwischen Ein- und Verkauf oder die Verbesserung des Materialeinsatzes.
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