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Stromversorgung: Kundenanlage oder schon reguliertes Verteilnetz?

Energierecht
Noch Kundenanlage oder schon Netz?

Noch Kundenanlage oder schon Netz?
Industrielle Betreiber von Blockheizkraftwerken müssen sich mit der Frage befassen, ob ihre Versorgungseinrichtung eine Kundenanlage oder schon reguliertes Verteilnetz ist. Bild: Gerd/stock.adobe.com
Strom, der in einer Kundenanlage erzeugt und verbraucht wird, ist in der Regel von den Netzentgelten sowie netzseitigen Umlagen und Abgaben befreit. Doch BHKW-Betreiber, die auch Dritte mit Strom versorgen, könnten ihre Privilegien verlieren.

Ingo Schmidt
Journalist in Thedinghausen

Kundenanlage oder schon reguliertes Verteilnetz? Mit dieser Frage mussten sich in der jüngeren Vergangenheit nicht nur Betreiber eigener Versorgungseinrichtungen befassen, sondern auch mehrere Gerichte.

Viele Industriebetriebe nutzen für einen oder gleich mehrere ihrer Standorte eine dezentrale Energieversorgung mittels Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) oder Blockheizkraftwerk (BHKW) zur eigenen Stromversorgung oder Versorgung Dritter. Überall dort spielt die Abgrenzung zwischen solchen „Kundenanlagen“ und dem „Stromnetz der allgemeinen Versorgung“ eine entscheidende Rolle. Denn anders als das allgemeine Netz unterliegen Kundenanlagen in weitaus geringerem Maße den zahlreichen regulatorischen Vorgaben. Außerdem ist Strom, der innerhalb einer Kundenanlage erzeugt und verbraucht wird, in der Regel von den Netzentgelten sowie netzseitigen Umlagen und Abgaben befreit.

Der energierechtliche Status solcher Anlagen ist deshalb auch ganz entscheidend für die Wirtschaftlichkeit dezentraler Versorgungskonzepte. „Aufgrund bisheriger restriktiver Betrachtung der Gerichte fürchten Betreiber bestehender dezentraler Versorgungsstrukturen zunehmend, dass ihre Anlagen auf den Prüfstand geraten und Privilegien verloren gehen“, beobachtet Sebastian Igel, Rechtsanwalt und Vorstand der Energie-Admin AG. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich im November mit dem Thema befasst und ein richtungweisendes Urteil gesprochen, das aus Sicht vieler Juristen in Teilen Klarheit für vergleichbare Fälle schafft, aber dennoch viele Fragen offenlässt.

Begriff der Kundenanlage

Das Gesetz definiert den Begriff der Kundenanlage in § 3 Nr. 24a bzw. 24b EnWG als

  • Energieanlage zur Abgabe von Energie, die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden,
  • mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden ist,
  • für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend ist und
  • jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird.

Die insoweit speziellere „Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung“ im Sinne von § 3 Nr. 24b EnWG unterscheidet sich davon nur insoweit, als dass sie sich auf einem räumlich zusammengehörenden Betriebsgebiet befindet und fast ausschließlich dem betriebsnotwendigen Transport von Energie im eigenen oder zum verbundenen Unternehmen dient. Sie kann auch fast ausschließlich dem der Bestimmung des Betriebs geschuldeten Abtransport in ein Energieversorgungsnetz dienen. „Die Vielzahl der vom Gesetz verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe ist jedoch auslegungsbedürftig und erschwert die Rechtsanwendung“, beklagt Igel. Ihn verwundere es nicht, dass in der Praxis immer wieder darüber gestritten werden muss.

BGH-Urteil liefert konkrete Richtwerte

Der BHG hat Ende 2019 ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 13. Juni 2018 nochmals neu bewertet und konkrete Richtwerte geliefert. Wichtig war, dass der BGH für das Kriterium des unverfälschten Wettbewerbs nun Zahlen hinsichtlich Größe, Anzahl der Letztverbraucher und Strommengen aufzeigt, woran nun der konkrete Einzelfall besser bewertet werden kann. Eine Kundenanlage scheidet in der Regel aus, wenn mehrere Hundert Letztverbraucher angeschlossen sind, die Anlage eine Fläche von deutlich über 10.000 m² versorgt, die jährliche Menge an durchgeleiteter Energie voraussichtlich 1000 MWh deutlich übersteigt und mehrere Gebäude angeschlossen sind.

Damit seien nun konkrete Grenzen benannt, bei deren Überschreitung der Betreiber der Kundenanlage ins rechtliche Risiko geht, zumal ihm die Feststellungslast obliegt, dass die Kundenanlage unbedeutend für den Wettbewerb ist. Jeder Einzelfall bleibt zu betrachten, aber durch die gesteckten Grenzen lasse sich die Frage nach der Wettbewerbsrelevanz zielgerichteter ausloten. Angesichts der besonderen Relevanz dezentraler Energieversorgungskonzepte für die Energiewende bleibe der Gesetzgeber aufgerufen, endlich einen klaren und kohärenten Rechtsrahmen zu schaffen. Weiterhin gilt: Anlagenbetreiber müssen den Status als Kundenanlage kritisch überprüfen und dabei stets im Auge behalten, dass weitere Entscheidungen zu diesem Thema sicher folgen werden.

„Kleine“ Versorger aktuell im Visier

Hauptzollämter hinterfragen zurzeit im Rahmen von Außenprüfungen den Kundenanlagenstatus bei sogenannten „kleinen“ Versorgern mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt (MWel). „Bislang haben sich Unternehmen in erster Linie dann mit dem regulierungsrechtlichen Status ihrer Energieinfrastruktur beschäftigt, wenn es etwa um Fragen von Netzanschluss, freie Lieferantenwahl nachgelagerter Letztverbraucher ging “, so Igel. Nunmehr befassen sich auch die Hauptzollämter vermehrt mit dieser Frage. Unternehmen sind dann „kleine“ Versorger i.S.d. § 1a Abs. 6 StromStV und haben stromsteuerrechtliche Pflichten zu beachten, wenn sie Strom innerhalb einer Kundenanlage in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu 2 MWel erzeugen, diesen Strom an Letztverbraucher ausschließlich innerhalb dieser Kundenanlage leisten und darüber hinaus ausschließlich vollversteuerten Strom (20,50 Euro/MWel) von einem im Steuergebiet ansässigen Versorger beziehen und diesen ausschließlich innerhalb dieser Kundenanlage leisten.

BHKW-Betreiber oft im Unklaren

„Vielfach herrscht bei den Betreibern solcher Anlagen keine Klarheit“, weiß Igel. Seien diese Voraussetzungen erfüllt, müsse ein Unternehmen zunächst einmal eine Anzeige auf amtlichen Vordruck bei seinem zuständigen Hauptzollamt abgeben. „Dies muss aber vor Aufnahme seiner Tätigkeit als kleiner Versorger geschehen“, warnt er. Dabei habe er selbst einzuschätzen, ob sein Betriebsnetz eine Kundenanlage darstellt oder nicht.

Eine Erleichterung sieht das Stromsteuerrecht dahingehend vor, dass in Zweifelsfällen zunächst vermutet wird, dass eine Kundenanlage vorliegt (§ 1a Abs. 9 HS. 2 StromStV). Im Rahmen der Außenprüfung hinterfragen nun einige Hauptzollämter die Selbsteinschätzung der Firmen bezüglich ihres Kundenanlagenstatus. „Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dieser Thematik sowie Dokumentation der Ergebnisse und ihrer argumentativen Herleitung ist unerlässlich“, rät der Experte.

Kontakt:

FEnergie-Admin AG
Am Klagesmarkt 30
30159 Hannover
Tel. +49 511 310302–0

www.energie-admin.ag

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