Besonders tradierten Marktakteuren und Branchenriesen fällt es schwer, ihre zwar langbewährten, aber verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Obwohl gemeinschaftlich betraut mit dem Produkterfolg, kochen Produktmanagement und F&E-Abteilung ihr eigenes Süppchen. Ein solches Kompetenzgerangel zieht die Entwicklungsiterationen in die Länge. Dabei sind Tempo, Flexibilität und Agilität mehr denn je kritische Erfolgsfaktoren.
Klare Rollenverteilung
Vor allem in Großunternehmen tragen innerhalb des Produktentwicklungsprozesses eine Vielzahl von Arbeitsbereichen zu gewinnbringenden Neu- oder Weiterentwicklungen von Produkten bei. Produktmanagement (kurz PM) und Entwicklungsbereiche nehmen in diesem Konstrukt eine besondere Rolle ein. Während die Gewährleistung des wirtschaftlichen Produkterfolgs im Markt zu den Aufgaben des PM zählt, fällt es ins Ressort von F&E, diese zu verwirklichen.
Was brauchen die Kunden und welche relative Priorität kommt den einzelnen Marktanforderungen zu? Diese Fragen klären Produktmanager. Außerdem begleiten sie die Markteinführung und betreuen am Markt bereits verfügbare Produkte.
Wie werden die Marktanforderungen realisiert? Gemeinsam mit den anderen Abteilungen treibt F&E eine fachlich gute Produktentwicklung bis zur Lieferbereitschaft in den Markt voran.
Es braucht diese klare Trennung zwischen „Was“ und „Wie“, um einerseits den Kundennutzen zu definieren und anderseits Lösungsräume für innovative Ideen zu kreieren.
Scheuklappen abnehmen
Die Isolation von PM und F&E-Abteilung begünstigen eine ungewollte Lagerbildung beider Bereiche., befeuert von raufenden Egos und widersprüchlichen Erfolgsmaßstäben. Darüber geht die geschlossene Zuständigkeit der Interessensgruppen für den Produkterfolg verloren. Dafür gibt es verschiedene Anzeichen:
- In der Kommunikation stehen „ich“ und „ihr“ anstelle von „wir“ im Mittelpunkt
- Vom Produktmanagement festgeschriebene Vorgaben reichen deren Akteure dem F&E zwecks Implementierung unkommentiert weiter
- Abschätzungen zum Arbeitsaufwand oder Zeitpläne setzen detaillierte Spezifikationen voraus
- Verzögerungen wegen kurzfristiger Änderungen auf der Anforderungsseite oder Umsetzungsprobleme führen zu Unverständnis und Unmut
- Im Falle einer Eskalation suchen beteiligte Personen nach Schuldigen
- Es liegen unterschiedliche Ziel- und Incentivierungsparameter für die einzelnen Arbeitsbereiche vor
- Die Erstellung von Anforderungskatalogen, Realisierungskonzepten und deren Verhandlung binden viel Zeit. Dadurch zögern Akteure den Startschuss zur formalen Produktentwicklung unnötig hinaus.
Gräben überwinden
In einem auf Scrum basierten, agilen Zusammenarbeitsmodell trägt das Team die Verantwortung für ein Produkt. Sogenannte Product Owner koordinieren den Entwicklungsprozess unter Berücksichtigung der Anforderungen der verschiedenen Stakeholder und schließen die Lücke zwischen PM und F&E-Abteilung. Formal hat der Product Owner den Hut für den Produkterfolg auf. Er steuert neben Formulierung und Priorisierung der Anforderungen auch die Projektdauer sowie den Entwicklungsaufwand. Ihm obliegt, „was“ die Gruppe konzipiert. In die Zuständigkeit der Entwickler – Mitarbeitende aus allen am Produktentstehungsprozess beteiligten Bereichen – fällt die Umsetzung („wie“) und Sicherung der Produktqualität. Wenn es gelingt, jedes Teammitglied mit einer klaren Produktvision zu motivieren, verschwinden die Gräben zwischen den Abteilungen und es entsteht echter Mannschaftsgeist mit Kundenfokus.
Der Job des Product Owner stellt hohe Erwartungen an potenzielle Anwärter. Deren Profil umfasst bevorzugt die Fähigkeit des unternehmerischen Denkens, umfassende Marktkenntnisse sowie tiefes Verständnis für interne Ablauf- und Entwicklungsprozesse. Damit Product Owner ihre Rolle adäquat erfüllen, müssen ihre Firmen sie von Aufgaben des Downstream-Marketing entbinden.
Das Fallbeispiel
Personen, die mehrjährige Berufserfahrung als Produktmanager wie auch als Entwickler oder Projektleitende mitbringen, machen als Product Owner eine gute Figur. Erfüllt niemand im Unternehmen diese Voraussetzungen, können übergangsweise zwei Menschen mit bereichsspezifischem Know-how die Position besetzen. Nachstehend das Beispiel einer mittelständischen Firma aus dem Industriegüterbereich:
Erst als Projektleiter und später als Produktmanager tätig, kennt Oliver neben den Erwartungen aus dem Produktentstehungsprozess sowie der Projektentwicklung auch die Kunden, ihre Ansprüche und die Angebote der Marktbegleiter. Mit der Einführung agiler Methoden vergibt sein Arbeitgeber den Posten des Product Owner deshalb an Oliver. In enger Zusammenarbeit mit einem cross-funktionalen Team gelingt es ihm in vergleichsweise kurzer Zeit, neue Produkte für den Markt zu entwerfen. Permanent balanciert er Aufwand und Nutzen von Anforderungen aus und legt sein Hauptaugenmerk auf eine frühe Markteinführung. Oliver räumt der Arbeit im Kollektiv einen Großteil seiner Zeit ein und leistet mit diesem Schritt einen wichtigen Beitrag zu effektiver Kommunikation, Vertrauen sowie Transparenz. Klarheit über Erwartungshaltungen und Prioritäten einer- und Wissen über die Herausforderung jedes Einzelnen andererseits, sorgen für eine gelungene Performance des gesamten Teams. Entscheidungen ohne lange Wartezeiten zu treffen, zahlt enorm auf die Arbeitseffizienz ein.
Dem Unternehmen muss Interdisziplinarität mittelfristig in Fleisch und Blut übergehen. Der Vergleich zum Fußball liegt nahe: Erst ein gut funktionierendes Team, getrieben von einem starken Mannschaftsgeist, bringt den Sieg nach Hause – im Alleingang entschied noch kein Spieler ein Match zugunsten seines Vereins.
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