Mietverträge mit einer Festlaufzeit von über einem Jahr müssen nach derzeitiger Rechtslage schriftlich geschlossen werden (§ 550 BGB). Ansonsten kann der Mietvertrag von jeder Partei vorzeitig gekündigt werden. „Schriftlich“ meint dabei, dass der Mietvertrag von beiden Parteien eigenhändig, also handschriftlich unterzeichnet werden muss. Schriftform meint aber mehr: Es müssen sich alle wesentlichen Abreden aus der Mietvertragsurkunde ergeben. Daran kann es auch bei kleineren formellen Fehlern fehlen. Solche Fehler werden in der Praxis zum Teil von einer vertragsreuigen Partei zum Anlass genommen, um sich von einem langlaufenden Mietvertrag zu lösen und das Mietverhältnis zu kündigen. Ein Ärgernis für den Vermieter, der mit verlässlichen Mieteinnahmen rechnet, oder für den Mieter, der vom Standort abhängig ist.
Das Schriftformgebot hat einen guten Grund. Es dient dem Schutz eines Erwerbers einer Immobilie. Dieser tritt kraft Gesetzes in bestehende Mietverhältnisse ein („Kauf bricht nicht Miete“). Die Rechtsprechung hat sich von dem reinen Erwerberschutz zunehmend verabschiedet und auch den ursprünglichen Parteien ein Kündigungsrecht wegen einem sogenannten Schriftformverstoß eingeräumt – auch bei kleinen formellen Fehlern. Das Schriftformgebot ist daher ein zentrales Ärgernis im Immobilienbereich. Die Branche verlangt schon lange eine Reform.
Durch das am 26.09.2024 vom Bundestag beschlossene vierte Bürokratieentlastungsgesetz wird aus dem Schriftformgebot nun das Textformgebot. Mietverträge müssen nicht mehr ausgedruckt und eigenhändig unterzeichnet werden, ein Scanexemplar oder ein E-Mail-Wechsel reichen künftig aus. Dass Mietverträge künftig nicht mehr ausgedruckt, eigenhändig unterzeichnet und per Post versandt werden müssen, ist ein auf der einen Seite ein Vorteil.
Doch beschränkt sich das Schriftformgebot nicht auf die eigenhändige Unterschrift der Parteien. Das eigentliche Ärgernis ist vielmehr die umfangreiche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur „Einheitlichkeit der Urkunde“, wonach alle wesentlichen Regelungen des Mietvertrages in einer Urkunde enthalten sein müssen. Das Bürokratieentlastungsgesetz stellt diese inhaltlichen Anforderungen nicht in Frage; die strengen, bereits bekannten Anforderungen an die Einheitlichkeit der Mietvertragsurkunde werden auch unter dem neuen Textformerfordernis gelten.
Empfehlungen für die Praxis
Die Reform bringt also nicht den erwarteten Befreiungsschlag, sondern schafft neue Unsicherheiten, insbesondere für einen Erwerber. Das bisherige Schriftformgebot brachte die Sicherheit, dass alle wesentlichen Abreden dokumentiert und für den Erwerber nachvollziehbar sind. Zumindest würden sie ihn nicht lange binden können (da er wegen Schriftformverstoßes das Mietverhältnis kündigen konnte). Mit der Abschaffung des Schriftformgebots besteht die Gefahr, dass Absprachen oder Änderungen, die per E-Mail oder Messenger getroffen wurden, nicht vollständig dokumentiert und damit für den Käufer nicht nachvollziehbar sind. Ein Risiko für Immobilienkäufer, die versuchen werden, den Verkäufer der Immobilie hierfür haftbar zu machen.
Für die Praxis ist Folgendes zu empfehlen:
- Die Vorgaben der Rechtsprechung zur Einheitlichkeit der Urkunde (die „Schriftform-Kriterien“) dürften auch in Zukunft fortbestehen. Diese weiterhin penibel zu beachten ist deshalb essenziell.
- Da künftig auch Vereinbarungen in Textform, etwa per E-Mail oder Messenger, (form-)wirksam sind, muss auf eine eindeutige Kommunikation geachtet werden. Es sollte klar erkennbar sein, ob sich die Parteien noch in Verhandlungen befinden oder bereits eine verbindliche Einigung erzielt wurde.
- Die Korrespondenz mit dem Mieter (insbesondere E-Mails) sollten noch sorgfältiger als bisher dokumentiert werden, weil sie gegebenenfalls bei Veräußerung der Immobilie im Rahmen der Legal-Due-Diligence vorgelegt werden muss.
- Schließt man Vereinbarungen per E-Mail, muss auf eine sorgfältige Empfangsbestätigung geachtet werden, um nachweisen zu können, dass die E-Mail der anderen Partei auch zugegangen ist.