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Bilanz zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Serie Recht: Supply Chain Compliance
Ein Jahr Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Wie fällt die Bilanz aus?

Ein Jahr Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Wie fällt die Bilanz aus?
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz greift seit dem 1.1.2024 auch für Unternehmen mit weniger als 3000 Mitarbeitenden. Bild: Zerbor/stock.adobe.com
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) ist seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mindestens 3000 Mitarbeitenden in Kraft. Seit dem 1. Januar 2024 gelten die neuen gesetzlichen Anforderungen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt in der Lieferkette nun auch für Unternehmen mit 1000 Mitarbeitenden. Welches Fazit zieht die zuständige Behörde und wie gehen Unternehmen bislang mit den neuen Sorgfaltspflichten um?

» Eric Mayer, Rechtsanwalt bei GSK Stockmann

Mit dem Anfang 2023 neu eingeführten LkSG werden Unternehmen dazu verpflichtet, insbesondere auch bei ihren unmittelbaren Zulieferern verstärkt auf Menschenrechte und Umwelt zu achten. Zu den menschenrechtlichen- beziehungsweise arbeitsrechtlichen Standards gehören neben einem Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit auch Koalitionsfreiheit, Diskriminierungsschutz oder Bezahlung von Mindestlöhnen. Die neuen Sorgfaltspflichten betreffen in der Umsetzung nahezu die gesamte Unternehmensorganisation und viele betriebliche Standardprozesse. Zusätzlich muss auch ein für Unternehmensdritte zugängliches Beschwerdeverfahren eingerichtet werden, das die Meldung von Verstößen gegen Menschenrechts- oder Umweltstandards ermöglicht. Eine neue Berichtspflicht zu den Unternehmenssorgfaltspflichten verlangt überdies öffentliche Kommunikation und Pflichtberichterstattung an das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

Positive Behördenbilanz

BAFA-Präsident Safarik zieht in seiner öffentlichen Stellungnahme vom 1. Dezember 2023 eine positive Premierenjahr-Bilanz. Die verpflichteten Unternehmen setzen demnach die neuen gesetzlichen Anforderungen des LkSG größtenteils erfolgreich um und leisten damit einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtslage in internationalen Lieferketten. Ausdrücklich betont wird der kooperative Ansatz der Bundesoberbehörde, mit dem die Unternehmen zwar gefordert, aber nicht überfordert werden sollen. Tatsächlich untermauern Zahlen eine aktive BAFA-Rolle. Dessen Informationsoffensive spiegeln nicht nur 140 Teilnahmen auf Großveranstaltungen, 1000 beantwortete Anfragen von Unternehmen, Verbänden oder Einzelpersonen, aber auch bislang 5 detaillierte Handreichungen inzwischen teils auch auf Englisch, Französisch und Spanisch beispielsweise zum Risikomanagement und dem Beschwerdeverfahren wieder. Diese beiden LkSG-Sorgfaltspflichten waren auch der inhaltliche Schwerpunkt der 486 BAFA-Kontrollen bei Unternehmen aus den Branchen Automobil, Chemie, Pharma, Maschinenbau, Möbel, Textil und Nahrungs- und Genussmittel im Jahr 2023 – eine angesichts der nach Schätzungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) rund 900 im ersten LkSG Anwendungsjahr erfassten Unternehmen beachtlich hohe Zahl. Aus dieser ersten Kontrollwelle resultierten 78 anlassbezogene Einzelprüfungen, 34 davon in der Textil- und 23 in der Nahrungsmittelindustrie. Über den behördeneigenen Beschwerdekanal fanden 38 Beschwerden zum BAFA, von denen 20 als ohne jeden LkSG-Bezug oder schlicht unsubstantiiert bezeichnet wurden. In 6 Fällen nahm das BAFA Kontakt auf und geht aktuell davon aus, dass die betroffenen Unternehmen sich mit den Beschwerden intensiv auseinandersetzen. Konkrete Sanktionen wurden allerdings bis heute noch nicht verhängt.

Gemischte Bilanz der verpflichteten Unternehmen

Die betroffenen Unternehmen betreiben etwas vorsichtiger Rückschau. Nach wie vor werden regelmäßig Unklarheiten, Aufwand und Komplexität der neuen gesetzlichen Anforderungen betont. Gerade kleinere Unternehmen beklagen, dass die neuen Sorgfaltspflichten gerade außerhalb der eigenen Unternehmensgrenzen schlicht nicht umsetzbar seien – und bleiben oft nach wie vor passiv. Andere Unternehmen versuchen, entweder allzu einseitig ihre eigenen Sorgfaltspflichten vertraglich auf ihre Geschäftspartner durchzuleiten oder sich ausschließlich auf die teils kritisch zu hinterfragende Schutzwirkung von ESG-Zertifizierungen oder Öko-Labels zu verlassen. Wieder andere Unternehmen begreifen das deutsche LkSG als einen wichtigen Baustein weltweit zunehmender ESG-Regulatorik und investieren nun mehr in ihre Unternehmensverantwortung, was tatsächlich die angestrebte Transparenz in internationalen Lieferketten steigert und potentielle Menschenrechtsverletzungen oder schädliche Umweltauswirkungen früher als bislang zu einem unternehmerischen Entscheidungskriterium macht.

Ausblick und Handlungsempfehlung

Wie seit dem 14. Dezember 2023 bekannt wurde, hat das EU Trilogverfahren zum Vorschlag einer EU Richtlinie zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen in Hinblick auf Nachhaltigkeit – der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D) – zu einer inhaltlichen Einigung der EU Organe geführt. Das EU Lieferkettengesetz kommt also und wird nach bisherigem Kenntnisstand sowohl Anwendungsbereich als auch Pflichtenkatalog eines deutschen LkSG maßgeblich erweitern. Stichworte sind hierbei vor allem eine „echte“ zivilrechtliche Haftung und die Einhaltung von Klimazielen. Insofern kann damit auch nicht empfohlen werden, auf die im November 2023 berichtete Forderung von Bundeswirtschaftsminister Habeck, die neuen LkSG Berichtspflichten erst einmal um mindestens ein Jahr auszusetzen, zu bauen. Nicht ohne Grund hat das BAFA dies bislang unkommentiert gelassen und stattdessen nach den klar erkennbaren inhaltlichen Kontrollschwerpunkten Beschwerdeverfahren und organisatorischer Zuständigkeit für das Risikomanagement im Jahr 2023 für 2024 den Fokus Risikoanalyse öffentlich aufgerufen.


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