Öffentliche Auftraggeber wie zum Beispiel Bund, Länder und Kommunen dürfen keine Aufträge mehr an Personen oder Unternehmen vergeben, die einen Bezug zu Russland aufweisen (sogenanntes Zuschlagsverbot). Außerdem müssen öffentliche Auftraggeber die Erfüllung bereits bestehender Verträge mit solchen Auftragnehmern spätestens bis zum 10.10.2022 beenden (sogenannte Vertragserfüllungsverbot). Davon sind sämtliche Bieter mit einem Bezug zu Russland im Sinne der Verordnung betroffen. Das betrifft unter anderem a) russische Staatsangehörige oder in Russland niedergelassene natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, b) juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, deren Anteile zu über 50 % (un)mittelbar von einer natürlichen Person oder einem Unternehmen gehalten werden, auf die eines der Kriterien nach Buchstabe a) zutrifft, c) natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung von Personen oder Unternehmen handeln, auf die eines der Kriterien der Buchstaben a) und/oder b) zutrifft. Das Verbot gilt für Bieter, Auftragnehmer sowie Unterauftragnehmer, Lieferanten und sonstige Beteiligte, soweit auf diese mehr als 10 % des Auftragswertes entfällt.
Ausnahmen nur mit behördlicher Genehmigung
Eine Ausnahme ist lediglich für die Bereitstellung unbedingt notwendiger Güter oder Dienstleistungen vorgesehen, wenn diese ausschließlich oder in ausreichender Menge von dem sanktionierten Personenkreis bereitgestellt werden können. Außerdem sind einige kritische Produkte und Dienstleistungen von dem Verbot ausgenommen (zum Beispiel Verträge, die den Betrieb ziviler nuklearer Kapazitäten; Erdgas und Erdöl sowie die Einfuhr oder die Beförderung von Kohle betreffen). Um sich auf diese Ausnahmen berufen zu können, ist eine behördliche Genehmigung erforderlich.
Folgen für die Praxis
Die Sanktionen haben weitreichende Konsequenzen für öffentliche Auftraggeber und Bieter beziehungsweise Auftragnehmer.
Für öffentliche Auftraggeber:
Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, das Zuschlags- und Erfüllungsverbot umzusetzen. Für Vergabeverfahren ab Erreichen der EU-Schwellenwerte müssen sie sich künftig davon überzeugen, dass Bieter, Bietergemeinschaften, Unterauftragnehmer und Lieferanten nicht zu den von dem Verbot umfassten Personen oder Unternehmen zählen. Dafür können sie eine Eigenerklärung einfordern.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie einige Bundesländer haben bereits Mustererklärungen veröffentlicht. Bieter, die trotz Aufforderung keine entsprechende Erklärung abgeben, müssen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.
Die Eigenerklärung entbindet den Auftraggeber allerdings nicht, den Sachverhalt sorgfältig zu überprüfen. Denn jeder Vertrag, der unter Verstoß gegen das Zuschlagsverbot geschlossen wird, ist nichtig und entfaltet keine vertragliche Wirkung.
Folgen für bereits abgeschlossene Verträge
Wurde ein Vertrag vor dem Stichtag 9.4.2022 abgeschlossen, besteht für öffentliche Auftraggeber Handlungsbedarf: Die Erfüllung solcher Verträge ist nach dem 10.10.2022 verboten. Deshalb müssen öffentliche Auftraggeber ihre Bestandsauftragnehmer auf potenzielle Verbindungen zu Russland überprüfen. Hier bietet sich ebenfalls die Einholung einer Eigenerklärung an. Wird dabei ein verbotener Russlandbezug festgestellt, ist der Vertrag spätestens zum 10.10.2022 zu kündigen.
Wird hingegen festgestellt, dass nicht der Auftragnehmer selbst, sondern nur dessen Unterauftragnehmer oder Lieferanten einen verbotenen Russlandbezug aufweisen, müssen öffentliche Auftraggeber den Auftragnehmer verpflichten, seine Geschäftsbeziehung mit dem Dritten bis zum 10.10.2022 zu beenden. Kommt der Auftragnehmer dem nicht nach, muss der öffentliche Auftraggeber das Vertragsverhältnis kündigen.
Für Bieter und Auftragnehmer:
Auch für Bieter und Auftragnehmer sind die Sanktionen von Bedeutung. Fordern öffentliche Auftraggeber Eigenerklärungen, sind am Vergabeverfahren beteiligte Bieter gehalten, ihre gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse auf einen Russlandbezug zu überprüfen und entsprechende Eigenerklärungen wahrheitsgemäß abzugeben. Besonderes Augenmerk ist dabei auf Unterauftragnehmer und Lieferanten mit einem Auftragsanteil von mehr als 10% zu richten. Wird gegen das Beteiligungsverbot verstoßen, ist mit einem Ausschluss nicht nur vom Vergabeverfahren zu rechnen, sondern auch für künftige Vergabeverfahren.