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Transparenz und Nachhaltigkeit im Fokus

Der digitale Produktpass unter der Lupe
Transparenz und Nachhaltigkeit im Fokus

Der digitale Produktpass (DPP) soll die Transparenz und Nachhaltigkeit von Produkten über ihren gesamten Lebenszyklus verbessern. Er dokumentiert alle Komponenten, deren Zusammensetzung und Herkunft von der Rohstoffgewinnung bis zur Wiederverwendung.

» Herta Kerz, freie Journalistin

Obwohl der DPP erst ab 2026 verbindlich sein soll, arbeiten viele Unternehmen bereits an seiner Umsetzung. Die Einführung beginnt 2027 mit Batterien und wird bis 2030 auf Schlüsselindustrien ausgeweitet. Bosch Connected Industry spielt eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung der notwendigen Technologie. Ulrich Wolters, Leiter des Produktbereichs Bosch Semantic Stack, erklärt: „Wir schaffen die notwendige Basis mittels Digitaler Zwillinge, um Daten für einen DPP zu liefern und zu nutzen.“ Ein Beispiel ist bonprix, das zur Badesaison 2024 eine Badekollektion mit einem Sustainability Passport präsentierte, der Informationen zur ökologischen Performance der Lieferanten bereitstellt.

Der DPP nutzt QR-Codes, NFC-Chips und RFID-Tags, um Produktinformationen zugänglich zu machen. Unternehmen müssen jedoch ihre IT-Systeme anpassen, um zusätzliche Informationen zu erfassen, was neue Software oder Erweiterungen bestehender ERP-Systeme erforderlich machen kann. Die Schulung der Mitarbeiter in der Handhabung der Technik ist entscheidend für die erfolgreiche Implementierung. Wolters betont: „Um das Kosten-Nutzen-Verhältnis von DPP in einer Lieferkette zu optimieren, sind skalierbare Lösungen und standardisierte Datendefinitionen essenziell.“

Rechtliche Rahmenbedingungen

Der rechtliche Rahmen für den DPP wird durch die EU-Batterieverordnung und die Ökodesign-Verordnung geprägt. Es werden spezifische Normen entwickelt, wobei Standards wie ISO/IEC 15459 für die Identifikation von Produkten eine wichtige Rolle spielen werden. Thomas Fell, Lead GS1 Germany, sagt: „GS1 erfüllt genau diese Anforderungen, weshalb unter dem Dach von GS1 in Europe Grundprinzipien für die Datenarchitektur des DPP bereits festgelegt wurden.“

Die Einführung des DPP erfordert umfassende Anpassungen in Produktion, Logistik und Vertrieb. Ein effektives Datenmanagement mit klaren Standards und Datenschutzmaßnahmen ist unerlässlich. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten in der Wertschöpfungskette und Investitionen in Technologie und Schulungen. Wolters hebt hervor: „Ein Open-Source-Ansatz öffnet die Technologie für alle und schafft Raum für neue, datengetriebene Geschäftsmodelle.“

Stefanie Sumfleth von Bonprix betont die strategische Relevanz des Sustainability Passport: „Wir bringen Transparenz in die Lieferkette, was nur durch enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern möglich ist.“

Die Implementierung des DPP birgt Herausforderungen, wie den Mangel an einheitlichen Standards, hohe Kosten für KMU und Unsicherheit aufgrund fehlender politischer Richtlinien. Technologische Barrieren, Datenschutzanforderungen und die Notwendigkeit zur Benutzerfreundlichkeit erhöhen die Komplexität. Erfolgreiche Umsetzung erfordert Zusammenarbeit zwischen Industrie, Standardisierungsgremien und Behörden. Pilotprojekte wie CIRPASS helfen, Best Practices zu entwickeln. GS1 betont die globale Auswirkung des DPP auf Unternehmen, die Produkte nach Europa importieren oder dort herstellen.

Der „Batteriepass“ wird ab Januar 2026 verpflichtend, mit standardisierten Lösungen von GS1 und der Global Battery Alliance. Pilotprojekte helfen, Best Practices zu entwickeln.

Doch die Datenflut ist verheerend. Bonprix beispielsweise erklärt, dass für jeden Badeartikel über 200 Datenpunkte zur Lebenszyklusanalyse erhoben wurden. Auch sind die Erwartungen des Gesetzgebers an die Verbraucher unklar. Denn die Annahme, dass Kunden alle für sie interessanten Produkte detailliert scannen und vergleichen werden, erscheint unrealistisch, da viele Verbraucher nicht die Zeit oder das Interesse haben, sich intensiv mit technischen Details auseinanderzusetzen. Noch immer und auch in Zukunft wird für die meisten Verbraucher in erster Linie der Preis eine zentrale Rolle spielen.

Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen

Bosch sieht in der Nutzung des Semantic Stack viele Vorteile, darunter sofort verfügbare Informationen und Datentransparenz über den gesamten Lebenszyklus. Beispiele sind der DigitalCV zur Nachverfolgung elektrischer Antriebskomponenten und das Product Lifecycle Management bei Bosch Rexroth, das Technikern den Zugriff auf alle Produktinformationen erleichtert. Um die Herausforderungen des DPP für KMU zu bewältigen, sind finanzielle Unterstützung, technische Unterstützung durch Kompetenzzentren und Schulungen notwendig. DPP-Templates und Netzwerke zum Erfahrungsaustausch würden helfen, die Hürden für KMU zu senken und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Allerdings bleibt die Frage, ob KMU nicht aufgrund der insgesamt großen Zahl von Verordnungen und Richtlinien in der EU überfordert sind.

Der DPP fördert Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, schafft Transparenz und stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Er bietet sowohl Herausforderungen als auch Chancen für KMU zur Optimierung von Liefer- und Prozessketten. Die testweise Einführung des Sustainability Passport ist ein Schritt hin zu mehr Transparenz und Vorbereitung auf zukünftige EU-Verordnungen. Der Gesetzgeber erkennt an, dass der Preis weiterhin eine Rolle spielt, sieht aber im DPP ein Instrument, das schrittweise zu nachhaltigen Praktiken führen kann, auch wenn nicht alle Verbraucher die Informationen intensiv nutzen.


EU-Batterieverordnung und Ökodesign-Verordnung

Die EU-Batterieverordnung schreibt bereits vor, dass jede Batterie einen Batteriepass mit einem QR-Code tragen muss, der wichtige Informationen wie Kapazität, Leistung und Zusammensetzung bereitstellt. Die neue Ökodesign-Verordnung (EU) 2024/1781 geht noch weiter und erweitert den Geltungsbereich auf zusätzliche Produktgruppen wie Textilien und Verpackungen. Sie definiert 16 mögliche Ökodesign-Anforderungen, darunter Aspekte wie Reparierbarkeit, Rezyklatanteil und Recyclingfähigkeit.

Am 18. Juli 2024 tritt die neue Ökodesign-Verordnung in Kraft und wird unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten gelten. Obwohl die Verordnung bereits 2024 wirksam wird, ist die vollständige Umsetzung und EU-weite Einführung des digitalen Produktpasses erst für 2027 geplant. Diese Übergangszeit ermöglicht es Unternehmen und Behörden, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen und die erforderlichen Systeme zu implementieren.

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