Industrie 4.0 ist die logische Konsequenz einer technologischen Entwicklung, deren Beginn bereits über 80 Jahre zurückliegt. Die Arbeiten von Wladimir Kotelnikow in den 30er-Jahren und Claude Elwood Shannon in den 50ern lieferten das grundlegende Theorem der Nachrichtentechnik, Signalverarbeitung und Informationstheorie als Bindeglied zwischen der analogen und der digitalen Welt. Digitalisierung und Automatisierung nahmen seitdem stetig an Geschwindigkeit zu und erreichen derzeit mit Industrie 4.0, der sogenannten vierten industriellen Revolution, einen vorläufigen Höhepunkt. Fehler, die bei der Einführung des Computer Integrated Manufacturing (CIM) in den 90er-Jahren gemacht wurden, sollten bei der Implementierung von Industrie 4.0 unbedingt vermieden werden.
In der aktuellen Debatte wird Industrie 4.0 hauptsächlich als technologischer Prozess verhandelt. Überlegungen, wie sich die digitale Transformation auf Beschäftigung auswirkt, beschränken sich in der Regel auf die Frage, wie viele und welche Art von Fachkräften (Spezialisten und/oder Generalisten) in Zukunft benötigt werden. Aber erfasst die primär technisch orientierte Perspektive alle Dimensionen von Industrie 4.0? Welche Bedeutung hat der Faktor Mensch? Wie werden Mensch und Technik miteinander verzahnt sein? Und welche Rolle spielt Führung bei alledem?
Industrie 4.0 ist Führungsaufgabe
Es gibt zurzeit viele Annahmen, wie sich Industrie 4.0 und die fortschreitende Digitalisierung auf die Arbeitswelt von morgen auswirken werden. Verlässliche Prognosen sind jedoch schwierig. Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass einerseits der Bedarf an einfachen Tätigkeiten im produzierenden Gewerbe zurückgehen wird. Gleichzeitig werden gerade durch Industrie 4.0 weiterhin hochspezialisierte Fachkräfte benötigt, womöglich sogar in steigendem Umfang. Damit setzt sich ein Trend der vergangenen 20 Jahre fort, wie der „Employment Outlook 2017“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt. Seitdem sind in allen Industrieländern vor allem durchschnittlich qualifizierte Jobs weggefallen, während die Zahl der hoch qualifizierten Funktionen zugenommen hat.
Auch Führungsfunktionen und Führungskulturen in der produzierenden Industrie werden von Industrie 4.0 nicht unbeeinflusst bleiben. Durch die integrierte Vernetzung aller am Produktionsprozess beteiligten Bereiche müssen Industrie-4.0-belastbare Führungskräfte in der Lage sein, interdisziplinär zu denken und zu kommunizieren. „Silo-Denken“ ist tabu. Gleichzeitig wird der Bedarf an neuen Kenntnissen und Kompetenzen durch die immer kürzer werdenden Innovationszyklen weiter zunehmen.
Das betrifft alle Beschäftigten – und Führungskräfte in doppelter Weise: Sie müssen sich selbst ständig auf dem Laufenden halten und weiterbilden, diesen Grundsatz aber auch bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fördern. Im Unternehmen Potenziale zu erkennen und weiter zu entwickeln sowie die Bereitschaft zu Veränderungen auf personeller und organisatorischer Ebene aufrecht zu erhalten, war schon immer Führungsaufgabe. Unter Industrie 4.0 hat sich aber die Taktzahl der Veränderungen und der zu treffenden Entscheidungen erhöht.
Kein völlig neuer Führungskräfte-Typus
All diese Management-Skills sind nichts revolutionär Neues, sondern universelle Eigenschaften erfolgreicher Führungspersönlichkeiten. Damit braucht Industrie 4.0 keinen vollkommen neuen Typus Führungskräfte. Universelle Führungstugenden müssen aber noch intensiver, konsequenter und nachhaltiger als bisher für die Bewältigung der bevorstehenden Herausforderungen genutzt und auf Flexibilität, Innovationsaffinität, unternehmensinterne Vernetzung und Identitätsstiftung ausgerichtet werden.
Wenn Digitalisierung die einzelnen Bereiche der Produktionskette stärker miteinander verzahnt oder sogar in einem Prozess integriert, müssen Führungskräfte ganzheitlich denken und handeln. Wenn Digitalisierung die Mitarbeiter von ihrem Produkt entfremdet – da immer weniger „selbst Hand angelegt“ wird – müssen Führungskräfte ein Identifikationsvakuum auffangen. Wenn die Gefahr besteht, dass sich Belegschaften nur noch als „Handlanger“ der Technik fühlen, der mehr Vertrauen entgegengebracht wird als ihnen, müssen Führungskräfte neues Vertrauen schaffen. Übrigens besteht diese Gefahr auch bei Führungskräften selbst, denn im Rahmen von Industrie 4.0 sollen ebenso Teile ihrer Entscheidungskompetenzen an cyberphysische Systeme übergehen. All diese Aspekte fasst Johann Soder, Geschäftsführer bei SEW Eurodrive, in seinen Vorträgen und Artikeln zum Thema gerne unter dem Begriff der „Kollaborationsproduktivität zwischen Mensch und Technik“ zusammen, die als Team zusammenarbeiten müssen.
Die eigentliche Herausforderung ist dabei die Tatsache, dass es für diese Transformation keinen Masterplan gibt. Jedes Unternehmen muss für sich individuell, basierend auf Geschäftsmodell, Internationalisierungsgrad, Innovationspotenzial und Unternehmenskultur, die Veränderungsprozesse vorantreiben. Das ist originäre Führungsaufgabe.
Die richtigen Führungskräfte finden
Wie aber die passenden Führungskräfte für diese Herausforderung finden? Hilfe bei der Bewerberansprache und -auswahl können externe Experten liefern. Seriöse Personaldienstleister erkennt ein potenzieller Auftraggeber dabei schnell: Sie kennen den Bewerbermarkt, geben eine realistische Einschätzung, was in der aktuellen Arbeitsmarktsituation möglich ist, und entwickeln bei Bedarf Alternativen. Sie stellen bei der Formulierung des Stellenangebotes dieselben Fragen, die ein potenzieller Bewerber stellen würde, und vielleicht sogar noch mehr. So machen sie das Unternehmen schnell darauf aufmerksam, wo das Stellenangebot Lücken oder Verbesserungsbedarf aufweist.
Externe Beratungs- und Vermittlungsanbieter wie etwa die ZAV-Managementvermittlung können insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen dabei helfen, geeignete Kandidaten für Führungspositionen zu identifizieren, die neben den klassischen Management-Tugenden auch über die Fähigkeit verfügen, Unternehmen durch die digitale Transformation zu führen.
Industrie 4.0 macht nicht alles neu, aber vieles anders. Das gilt nicht nur für den technischen Bereich. In einer ganzheitlichen Betrachtung hat Industrie 4.0 ebenso und in gleichem Umfang Auswirkungen auf Mitarbeiterschaft, Unternehmensorganisation und Führungskultur – an deren Schnittstelle die Führungskraft steht.
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