An Manufacturing-X beteiligt sich derzeit alles was Rang und Namen hat: die Bundesregierung, große Verbände wie VDMA, ZVEI, VDI und Bitkom, die innovativsten Fertigungs- und IT-Unternehmen Deutschlands sowie renommierte Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer. Sie investieren Kapazitäten und Know-how in die Initiative, weil sie mit der Digitalisierung der deutschen Wirtschaft endlich Ernst machen wollen.
Digitale Transformation neu definiert
Die digitale Transformation hat in den vergangenen zehn Jahren die Bedürfnisse des Kunden ein Stück weit vernachlässigt. Der Fokus lag zu stark auf der eigenen Produktionslandschaft. Die Transformation der Zukunft wird allerdings nicht nur in der Fabrikhalle, sondern maßgeblich auch außerhalb der Fabriktore, insbesondere in Datenräumen (Dataspaces) stattfinden.
Dabei ist Manufacturing-X mehr als ein föderativer Datenraum für das produzierende Gewerbe. Neben dem sicheren Teilen von Daten soll laut Bitkom-Positionspapier zu Manufacturing-X auch eine Struktur für „Services, etwa zur Datenveredelung, Anonymisierung, Datenvalidierung oder Überwachung von Compliance“ geschaffen werden.
Mehr Datensouveränität in Europa
Player wie Amazon im Versandhandel oder Uber in der Mobilität stehen bislang im Verbraucherbereich als Beispiele für eine disruptive, digitale Plattformökonomie. Solche Beispiele verfestigen allerdings auch die Sorge europäischer Regierungen und Unternehmen, ihre unabhängige Stellung in der digitalen Wirtschaft zu verlieren. Was tun, wenn die Daten und Konnektoren der Maschine eines Maschinenbauers von Hyperscalern ausgewertet und entsprechende Mehrwertdienste entwickelt sowie selbst vermarktet werden und gleichzeitig der exklusive Kundenzugang besetzt wird? Mit Manufacturing-X, Catena-X und weiteren X-Initiativen wollen die EU und die europäische Wirtschaft das Ruder herumreißen: Datensouveränität soll Europa den Weg zu einer führenden Digitalmacht ebnen.
Großteil erhobener Industriedaten bislang ungenutzt
Als juristische Grundlage zum Datenaustausch hat das Europäische Parlament den EU Data Act auf den Weg gebracht. Um eine höhere Wertschöpfung aus Daten zu erreichen, regelt die EU-Verordnung den fairen und rechtssicheren Datenaustausch und die faire Datennutzung zwischen Unternehmen, Verbrauchern und öffentlichen Einrichtungen.
Bildlich gesprochen wird das Gesetz die Schleusen vermeintlich privater Data Lakes öffnen und die Stauseen von Catena-X, Manufacturing-X und weiterer X-Inititativen fluten, um den Datenraum für eine föderative, datengetriebene Wertschöpfung zu schaffen. Das Potenzial ist riesig – laut Europäischer Kommission sind 80 % der in der Industrie erhobenen Daten bisher noch ungenutzt. Die EU rechnet damit, dass dies in etwa einem Volumen von 270 Mrd. Euro an zusätzlicher Wertschöpfung bis etwa 2028 entspricht.
Digitale Geschäftsmodelle
Ein Papier von McKinsey im Auftrag des VDMA teilt die Digitalisierung im Maschinenbau in zwei Bereiche: zum einen in die Plattform-, zum anderen in die Anwendungsebene mit Mehrwertdiensten. Diese werden auch als digitale Wertschöpfungsketten dargestellt, in denen Daten analysiert, neu ausgewertet oder zu innovativen Services konfiguriert werden. Damit können dann leicht nutzbare „Industrie-Apps“ oder „zubuchbare“ Services für Endnutzer einer Produktionsmaschine zur Verfügung gestellt werden. Das Ökosystem arbeitet vertrauensvoll in den föderativen Datenräumen, um gemeinsam Nutzen und Mehrwerte für den Kunden zu erarbeiten.
CO2-Bilanzierung und Lieferkettengesetz: ohne Datenräume deutlich schwieriger
Um die Klimaziele umzusetzen, schnürt der Gesetzgeber das Korsett inzwischen immer enger. Sowohl Regulierungen auf Bundes- als auch auf EU-Ebene verpflichten Unternehmen zu einer umfangreichen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ohne einen gemeinsamen Datenraum führt das im besten Fall zu einem Flickenteppich, denn in ihren eigenen Systemen finden Unternehmen bestenfalls einen Bruchteil der benötigten Daten.
Dasselbe gilt für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das von Unternehmen verlangt, die Verantwortung für ESG-Aspekte auch für Lieferanten zu übernehmen. Es verpflichtet sie, Menschenrechts- und Umweltverletzungen innerhalb der eigenen Geschäftstätigkeit oder der Zulieferer zu identifizieren und ihnen proaktiv zu begegnen. Neben einem umfassenden Risikomanagement ist die Dokumentation ein Muss. Sie enthält Prozesse, Risikoanalysen, Präventionsmaßnahmen, Verstöße, Abhilfemaßnahmen und Hinweise, die über das einzurichtende Beschwerdeverfahren eingehen.
Mit Manufacturing-X sollen Unternehmen flächendeckend in die Lage versetzt werden, Wertschöpfung mit Daten zu betreiben, resilienter und nachhaltiger zu werden. Damit wächst die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Föderative unternehmensübergreifende Datenräume werden zudem Berichtspflichten zur CO2-Bilanzierung oder Lieferkettenverantwortung enorm erleichtern.