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Stromkosten für Industrie und Gewerbe

Stromkosten für Industrie und Gewerbe: Einblicke und Aussichten
Subventionierter Industriestrom

Für Industriekunden sind die Stromkosten im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken. Trotzdem bleibt in Deutschland Strom und Energie für Industrie und Gewerbe im internationalen Vergleich hoch. Eine kurzfristige Entlastung ist nicht in Sicht.

» Michael Grupp, freier Journalist in Stuttgart

Einen berechenbaren und bundesweit gültigen Strompreis für gewerbliche und industrielle
Abnehmer existiert nicht. Die Kosten hängen von zahlreichen Faktoren ab – zum Beispiel vom Standort des Verbrauchers. So ist die Energieversorgung in Mecklenburg-Vorpommern sowie im Osten der Republik am teuersten, tendenziell günstiger wird es in der Mitte und im Süden Deutschlands. Dafür gibt es mehrere Gründe: In dünn besiedelten Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern oder auch Schleswig-Holstein verteilen sich die Kosten auf weniger Verbraucher. Darüber hinaus wirkt die Energiewende als Kostentreiber: Schwankende Stromeinspeisungen aus regenerativen Energiequellen kosten Geld; dafür muss eine neue Infrastruktur aufgebaut werden. Das wirkt sich in Form von steigenden Netzentgelten vor allem in Regionen mit hoher dezentraler Einspeisung aus – beispielsweise im Norden mit einem vergleichsweise hohen Anteil an Windkraft. Insgesamt machen Netzentgelte circa 20 % des Strompreises für Industrie und Gewerbe aus.

Mehr Kohle für Kohle

Parallel zu einer global steigenden Nachfrage ist auch der Preis für Kohle gestiegen. Dazu kamen Probleme in Frankreichs Atomreaktoren sowie Versorgungsprobleme bei Kohlekraftwerken, weil aufgrund niedriger Pegelstände der Schiffsverkehr längere Zeit behindert war.

Inzwischen hat sich der Markt laut der BDEW-Strompreisanalyse (April 2023) wieder teilweise
beruhigt. Der durchschnittliche Strompreis für kleine bis mittlere Industriebetriebe ist beim Neuabschluss eines Vertrages wieder gesunken und liegt derzeit im Jahresmittel 2023 bei rund 27 ct/kWh. Für kleine bis mittlere Industriebetriebe hat sich damit der Strompreis gegenüber dem 2. Halbjahr 2022 fast halbiert. Bestandskunden zahlen nach einer Auswertung des Bundesverbands der Energie und Wasserwirtschaft derzeit im Durchschnitt rund 19 ct/kWh.

Stichwort Vertragsneuabschluss: Ein neuer Vertrag birgt derzeit das Risiko eines hohen Einstiegspreises, wogegen langfristige Vereinbarungen Preisspitzen abfedern – allerdings einen Preisaufschlag für das
Risiko des Stromanbieters beinhalten. Vor einem Wechsel ist deshalb immer ein Gespräch mit dem bisherigen Versorger ratsam.

Energie als globaler Wettbewerbsfaktor

Nach Einschätzung der Unternehmensberatung PwC bedroht die derzeitige Energiekrise Schlüsselsektoren der deutschen Industrie, allen voran energieintensive Unternehmen wie zum Beispiel die Stahl-, Zement- oder Papierindustrie. Mehr noch: Die Krise könnte
eine Deindustrialisierung Europas anstoßen. Die deutsche Industrie werde besonders hart von den deutlich gestiegenen Gaspreisen getroffen, befürchtet demnach auch eine aktuelle Studie der PwC-Tochter Strategy&. „Viele Unternehmen könnten sich zukünftig dazu entscheiden, ihre Produktion innerhalb Europas neu aufzustellen oder gänzlich aus Europa abzuziehen“, meinte Strategy&-Europachef Andreas Späne.

Entlastung kam und kommt vonseiten der Politik, beispielsweise durch den Wegfall der EEG-Umlage. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verpflichtete seit 2001 alle Netzbetreiber, vorrangig Strom aus
erneuerbaren Energien abzunehmen und den Betreibern dafür eine feste Vergütung zu zahlen. Damit war die EEG-Umlage in der Vergangenheit ein erheblicher Bestandteil der deutschen Energieversorgung und machte rund 10 % der Gesamtkosten aus.

Industriestrom für wenige Cent

Aktuell wird in der Politik über weitere Entlastungen diskutiert. Der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Ende April 2023: „Die ganze Wirtschaft
redet derzeit intensiv über einen Industriestrompreis, und ich denke, dass wir das machen müssen. Wenn wir die Preise deckeln, verlieren wir Geld. Wenn wir sie nicht deckeln, verlieren wir womöglich die Industrien der Zukunft.“ Zum Thema Zeithorizont ergänzt SPD-Chef Lars Klingbeil: „Manche Leute
reden vom Jahr 2030. Es geht aber um die nächsten zwölf Monate.“ Im Gespräch sind ein Subventions-Zeitraum von vier bis fünf Jahren sowie ein Preis-korridor von vier bis sieben Cent pro kWh für einen „klar definierten Empfängerkreis“. Dazu zählen vor allem energieintensive Wirtschaftszweige im internationalen Wettbewerb.

Bei Börsenstrompreisen über sechs ct/kWh sollen
Unternehmen dann die Differenz erstattet bekommen. Maßgeblich ist der durchschnittliche Börsenstrompreis im jeweiligen Jahr. Anfang Mai hat Robert Habeck dazu ein Arbeitspapier vorgelegt, das zurzeit in Politik, Verbänden und Unternehmen diskutiert wird. Wann die Maßnahmen greifen, steht allerdings noch in den Sternen. Eins ist aber sicher: Ohne
Subventionen wird Strom in Deutschland für Industrie und Gewerbe teurer bleiben als noch in 2021.

Selbst ist der Strom

Wie können Unternehmen ihre Stromkosten minimieren, bis die Preise weiter sinken bzw. Subventionen entlasten? Nach den seit 2015 verpflichtenden Energie-Audits für Unternehmen mit einem Gesamtenergie-Verbrauch ab 500.000  kWh pro Kalenderjahr lassen sich weitere Einsparungen vielerorts nur noch durch Verbrauchs- und Produktions-Änderungen umsetzen. Dazu zählt vor allem die Vermeidung von Lastspitzen, weil diese maßgeblich die Gesamtkosten beeinflussen. Das ist beispielsweise durch eine
gezielte Produktionssteuerung sowie abgestimmte Zeitpläne für Wärme und Kühlung möglich.

 

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