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Technik-Know-how im Vertrieb gefragt

Qualifikation: Technisches Verständnis ist im Verkauf gefragt
Technik-Know-how im Vertrieb gefragt

Vertriebsingenieure verbinden Produktkenntnis mit Betriebswirtschaft. Um ihre Kunden zu verstehen und gezielt passende Produkte anzubieten oder neu zu entwickeln, setzen Unternehmen verstärkt auf Vertriebsingenieure.

„Ingenieure mit Vertriebskenntnissen sind momentan branchenübergreifend sehr gefragt“, sagt Dieter Moll. Der VDI-Mann mit Spezialgebiet Technischer Vertrieb beobachtet, dass Maschinen- und Anlagenbauer, Antriebs- und Automatisierungstechniker mit technischem und kaufmännischem Know-how in einer Person suchen, weil sie neben dem Produkt immer öfter Dienstleistungen ums Produkt verkaufen. Denn Kunden kaufen im Kern nicht eine Maschine, sondern deren Verfügbarkeit. Der Lieferant stellt deshalb die Produktion seines Kunden sicher und damit die geforderte Qualität und Produktionsmenge der Maschine, so Moll.

Diesen Trend bestätigt Jens Gabel von Danfoss Bauer. „70 Prozent unserer Außendienstmitarbeiter sind Ingenieure“, sagt der 40-Jährige, der in der Geschäftsleitung den weltweiten Vertrieb verantwortet. Das Esslinger Unternehmen positioniert sich bei seinen Kunden mit technischem Grundverständnis schon im Verkauf. „Unsere Vertriebler müssen auf Augenhöhe mit den Firmeneinkäufern diskutieren können“, sagt der Esslinger. Das setzt neben Produktkenntnissen technisches Wissen voraus. Schon bei Motoren für scheinbar simple Lüftungsklappen einer Produktionshalle gibt es viele technische Details zu beachten: Größe und Gewicht der Fenster, Funktionsfähigkeit bei unterschiedlichen Temperaturen oder genügend Kraft, um bei Sturm zu schließen. Aus wirtschaftlichen Gründen sollte der kleinstmögliche Motor verwendet werden, der aber unter extremen Bedingungen einwandfrei funktionieren muss. Eine Ingenieursaufgabe, die ein klassisch ausgebildeter Vertriebler nicht lösen kann.
Immer öfter entwickeln Unternehmen Problemlösungen, die speziell auf einen Kunden abgestimmt sind. Vertriebsingenieure haben entsprechend großen Einfluss auf die Produktinnovationen ihres Unternehmens. Sie wissen, was der Betrieb technisch zu leisten vermag. Gleichzeitig muss der Vertriebler Marktchancen für neue Entwicklungen abschätzen können. Doch Universitätsabgängern fehlt oft das Gespür für Menschen und Kontakte, so Gabel. Von betriebswirtschaftlichen oder Marketingkenntnisse ganz zu schweigen.
Ähnlich erging es Nico Hanke, der im November 2006 nach dem Studium direkt im Vertrieb von Danfoss Bauer landete: Dem Maschinenbauer fehlten Kenntnisse über Verkauf und Außendienst. Deshalb drückte er ab Frühjahr 2007 beim Plochinger Bildungszentrum Garp freitags und samstags ein Jahr lang die Schulbank. Erstmals bot der IHK-nahe Bildungsverein eine Ausbildung zum Vertriebsingenieur an. Innerhalb von 220 Stunden lernten die 13 Teilnehmer Kommunikations- und Vertriebstechniken kennen. Rollenspiele und Videoaufnahmen boten einen hohen Praxisbezug sowie eine unmittelbare Selbstreflektion und Fremdeinschätzung. „Für mich waren vor allem die systematischen Vertriebsabläufe hilfreich“, sagt der gebürtige Esslinger, der sein Unternehmen inzwischen in der Region Freiburg vertritt. Vom Anlegen einer strukturierten Kundendatenbank über detaillierte Besuchsberichte und genau kalkulierte Angebotserstellung bis zur konsequenten Nachbereitung der Gespräche, profitiert der 28-Jährige von der Ausbildung, die besonders für Technische Betriebswirte gedacht ist.
Gerade für kleine und mittlere Betriebe, die sich keinen Ingenieur leisten können, lohnt sich die kaufmännische Weiterbildung von Technikern, die beim Kunden die Maschinenwartung übernommen haben, urteilt Verbandsmann Moll. So könne aus jedem Kundenkontakt ein Verkaufsgespräch werden. Die Hochschulen hinkten der Entwicklung in den Unternehmen hinterher. Vor allem Universitäten tun sich schwer, entsprechend dem Berufsbild auszubilden, so die Beobachtungen des VDI. Immerhin gibt es in Bochum unter dem Titel „Sales Engineering“ seit zwei Jahren die erste universitäre Ausbildung zum Vertriebsingenieur. Fachhochschulen mit höherem Praxisbezug tun sich offenbar leichter. „Vor allem in Furtwangen werden seit 20 Jahren zusammen mit der Industrie reale Projekte entwickelt“, sagt Moll. Schon bei den Präsentationen in den Unternehmen lernen dort Studenten, wie Verkauf funktioniert. Weitere spezielle Ausbildungsmöglichkeiten bieten in Baden-Württemberg die Hochschulen in Aalen, Heilbronn und Karlsruhe.
Gezielt bildet der Anlagenbauer Bürkle in Freudenstadt seine Wirtschaftsingenieure an der Berufsakademie in Horb aus. Geschäftsführer Ralf Spindler: „Um die komplexe Technik verkaufen zu können, benötigen unsere Mitarbeiter technische, kommunikative und vertriebliche Kompetenzen.“ Während des dreijährigen Studiums werden durch das duale System theoretische und praktische Ausbildung eng miteinander verzahnt. Gegenwärtig steht der Vertrieb des Oberflächenspezialisten auf zwei Säulen: Es gibt Gebietsverkaufsleiter mit langjähriger Firmenzugehörigkeit ohne Ingenieurswissen sowie Projektingenieure. Dagegen ist heute eine Ingenieursausbildung Voraussetzung, um bei Bürkle im Vertrieb überhaupt arbeiten zu können.
Einerseits sei die Technik in den vergangenen Jahren wesentlich komplexer geworden, begründet der 43-jährige Kaufmann diesen Trend. Andererseits gewinnen durch immer schnellere Entwicklungs- und Produktionszyklen die Schnittstellen zwischen Kunde und Unternehmen sowie Ingenieur und Betriebswirtschaftler an Bedeutung. Die Vertriebsprofis suchen nach Wettbewerbsvorteilen für ihr Unternehmen, analysieren den Markt, bieten Problemlösungen an und entwickeln daraus neue Leistungen des Unternehmens. „Momentan ist die Nachfrage nach unseren Produkten enorm hoch“, betont Vertriebsingenieur Hanke. Doch gerade in Zeiten großer Aktivität ist die Pflege von Geschäftskontakten auch ohne Abschlussaussichten enorm wichtig. Die Erkenntnis hat er aus der Garp-Ausbildung mitgenommen: „Es kommen auch wieder schlechtere Zeiten, in denen ein funktionierendes Kundennetzwerk entscheidend ist.“
Jens Gieseler, Journalist in Göppingen
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