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Agile Methoden: „Neuer Innovationsprozess bietet Raum für Kreativität“

Interview mit Guido Ege von der Lapp-Gruppe
„Unser neuer Innovationsprozess bietet viel mehr Raum für Kreativität“

Effizienz und Kreativität beim Entwickeln von innovativen Lösungen für das digitale Zeitalter gehen bei Lapp jetzt Hand in Hand. Warum der Kabelspezialist jetzt parallel zu seinem seit langem eingeübten Stage-Gate-Prozess für die Produktentwicklung eine agilen Innovationsmethode forciert, erläutert Lapp-Manager Guido Ege. ❧

Dietmar Kieser

Herr Ege, warum ist Innovation so wichtig für einen Hersteller von Kabeln, die einen Lebenszyklus von gut 20 oder 30 Jahren erreichen können?

Unser Ziel ist es, dass unsere Kunden Lapp als Lösungsanbieter ansehen, sich von uns verstanden fühlen und Lapp nicht nur als Kabelhersteller wahrnehmen. Unterstützend wirken hier beispielsweise neue hybride Geschäftsmodelle, wo wir mit Hilfe von Digitalisierung einen Kundenmehrwert schaffen. Hierbei geht es nicht um inkrementelle Innovationen auf Basis bestehender Produkte, sondern vielmehr um Modelle, die unser Geschäft ausweiten. Das heißt: Lapp wird sich vom Anbieter physischer Produkte zu einem Lösungsanbieter wandeln, das betrifft Prozesse, Logistik, Management. Dazu müssen wir auch über den Tellerrand hinausdenken können.

Brauchen solche innovativen Lösungen andere Methoden als bisher, um Ideen zu finden und umzusetzen?

Grundsätzlich ist Innovation ja kein Thema der Produktentwicklung. Die Ideen müssen vielmehr aus allen Winkeln des Unternehmens kommen. Es geht um Mut, Risiko und darum, Neues zu entdecken. Unsere frühere Vision war darauf ausgerichtet, Produkte kontinuierlich weiterzuentwickeln und inkrementell zu verbessern. Künftig werden wir vermehrt Lösungen generieren, die Lapp zukunftsfähiger machen sollen. Hierfür braucht es auch den kulturellen Wandel im Unternehmen.

Auf welcher Wegstecke sehen Sie sich heute?

Ein Technologie- und Innovationsmanagement haben wir seit Jahren etabliert mit verschiedensten Elementen wie etwa Stage-Gate-Prozess, Technologiebeirat oder Technologieradar. Dieser klassische Prozess passt jedoch nicht für alle Problemstellungen und Ideen. Der klassische Stage-Gate-Prozess definiert die Leitplanken, innerhalb derer der Innovationsprozess abläuft, die dominanten Zielsetzungen sind Projektmanagement und Effizienz. Werden bestimmte Ziele erfüllt – Funktionalität, Kosten, Termine – geht der Daumen der Gatekeeper nach oben – oder im anderen Fall nach unten und das Projekt wird beendet. Für radikale, transformative und disruptive Innovationen ist dabei kaum Platz, denn bei denen kennt man Ziele, Marktpotenzial und auch Geschäftsmodell am Anfang des Prozesses oft noch gar nicht. Neue Geschäftsmodelle erfordern eine neue Herangehensweise an den Innovationsprozess. Hierfür haben wir unseren Innovation for Future-Prozess, den wir derzeit einführen.

Was ist das Besondere daran?

Wie der strukturierte, effizienzgetriebene und kontrollierbare Stage-Gate-Prozess hat dieser neue Prozess zwar auch eine Struktur. Er bietet aber viel mehr Raum für Kreativität und ermöglicht, über den Tellerrand zu schauen. Wenn wir sagen „Jeder Traum braucht seinen Raum, jede Idee ihre Methode“, heißt das nicht, dass wir den Stage-Gate-Prozess abschaffen. Es gibt nach wie vor Produkte und inkrementelle Verbesserungen, für die dieses Vorgehen perfekt passt. Der entscheidende Unterschied zum klassischen Stage-Gate-Prozess ist die Rolle des Managements. Statt bisher nur in definierten Intervallen Ja oder Nein zu einem Entwicklungsstand zu sagen, sind Führungskräfte künftig als Ideengeber und Unterstützer – neudeutsch: Enabler – gefragt. Sie knüpfen für das Innovationsteam Netzwerke und stellen das Budget bereit, womit nicht nur Geld gemeint ist, sondern auch zeitlicher Freiraum – genau jener Raum, in dem der Traum von einem neuen Produkt oder einem neuen Service Wirklichkeit werden kann.

Mit anderen Worten: Sie haben jetzt für unterschiedliche Ideen auch unterschiedliche Prozesse?

Genau. Es geht dabei um die Balance zwischen Effizienz und Kreativität im Innovationsprozess. Ansonsten dreht man sich in kreativen Schleifen. Während wir mit Blick auf die Kreativität Lösungsräume schaffen und freies Denken fördern, schränkt die Fokussierung auf die Effizienz die Möglichkeiten ein und drängt einen zur Herbeiführung einer Entscheidung. Jedenfalls sollte auch am Ende unseres neuen, vom Design-Thinking geleiteten Weges die Einführung einer Lösung stehen, um Umsätze zu generieren.

Wie gelingt dieser Balanceakt?

Wesentlich im neuen Innovation for Future-Prozess sind drei Elemente pro Projekt. Erstens muss die Idee in einen Prototyp überführt werden, damit sie visualisierbar wird. Zweitens hat mindestens ein potenzieller Kunde dabei zu sein, der Feedback gibt. Und drittens gilt es, einen standardmäßigen Business Model Canvas auszufüllen. Damit schaffen wir einerseits den nötigen Freiraum für Kreativität, andererseits ist auch dafür gesorgt, dass wir stringent vorgehen und effizient sind. Dabei wird in kurzen, agilen Sprints immer wieder versucht, das nächste Ziel zu erreichen. Indem wir Kreativität und Effizienz bedienen, stellen wir die Balance her.

Welche Lösungen haben Sie bereits in der Pipeline, die das Geschäft von Lapp verändern könnten?

Unsere klassische Herangehensweise war für zwei in den letzten Jahren durchgeführte Innovationsprojekte nicht zielführend. Zum einen wollten wir bei den Markierungen für die Konfektionäre eine innovativere Lösung anbieten. Das Ergebnis sollte eine cloudbasierte Markierungslösung sein. Dabei haben wir jedoch die physische Realisierung aus den Augen verloren und keinen Partner für die Softwareentwicklung eingebunden. Hier haben wir also die technische Umsetzung vergessen. Mittlerweile ist Cloudmarking wieder auf dem Weg: Ein Dienstleister in Indien entwickelt die Software dafür.

Und im zweiten Fall?

Bei diesem Projekt im Bereich von Predictive Maintenance waren weder der potenzielle Kunde noch das Geschäftsmodell vorhanden. Die vorausschauende Wartung zielt in diesem Fall darauf ab, Alterung und Ausfallwahrscheinlichkeit einer Leitung voraussagen zu können. Die Technik dieses Systems war anspruchsvoll, weshalb lange Zeit daran entwickelt wurde. Niemand hatte sich jedoch gefragt, wer die Kunden sein könnten und wieviel sie dafür zu bezahlen bereit sind. Nun haben wir Pilotkunden gefunden und entwickeln mit ihnen die Lösung weiter samt passendem Geschäftsmodell.

An wie vielen Projekten arbeiten Sie mit dem neuen Innovationskonzept derzeit?

An diesen beiden und drei weiteren Projekten. Ziel ist es, jährlich mindestens eine Lösung oder ein Produkt aus diesem Prozess erfolgreich im Markt zu platzieren.

Setzen Sie dabei auch auf externe Unterstützung?

Der Change-Prozess ist unser Baby. Aus der Begrenztheit des Stage-Gate-Prozesses bei disruptiven Innovationen haben wir gelernt. Seit Längerem haben wir uns dazu Gedanken darüber gemacht, wie sich die Hemmnisse in einem Projekt überwinden lassen. Seit rund drei Jahren unterstützt uns darin Launchlabs, eine auf Agilität und Design Thinking spezialisierte Berliner Kreativfirma. Das Team um Geschäftsführer Simon Blake unterstützt uns im Feinschliff des neuen Prozesses.

Lässt sich der Erfolg Ihrer Innovationstätigkeit messen?

Eine Kennzahl dafür gibt es nicht. Aber wir sind stolz auf die Anzahl neuer Produkte in unserem Katalog. Ihr Anteil lag vor vier Jahren bei rund 13 Prozent, im aktuellen Katalog sind es bereits 22 Prozent. Und dies, obgleich ein Kabel durchaus eine Lebensspanne von 20, 30 Jahren haben kann. Deshalb ist es ein beträchtlicher Erfolg, dass wir unser Portfolio deutlich aufgefrischt haben. Schließlich wollen wir unseren spezifischen Kundengruppen ein attraktives Angebot bieten.

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