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WZL: In der Krise mit Strategieentwicklung Chance ergreifen

Strategien in der Einzel- und Kleinserienfertigung – Teil 1/2
Unternehmen sollten Krisen als Chance nutzen

Mehr und mehr Einzel- und Kleinserienfertiger müssen ihre Unternehmensstrategien hinterfragen, um ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Ein praxisnahes Vorghen zur strategischen Neuausrichtung hat das WZL der RWTH Aachen erarbeitet.

Prof. Dr. Günther Schuh, Prof. Dr. Wolfgang Boos, Dr. Christoph Kelzenberg, Julian Boshof, Niklas Kessler
Abteilung Unternehmensentwicklung des WZL der RWTH Aachen

Gegenwärtig ist die allgemeine Wirtschaftslage von der globalen Covid-19-Pandemie geprägt. In der Folge müssen Unternehmen sämtlicher produzierender Branchen auf anhaltende Produktionsausfälle, unterbrochene Lieferketten und rückläufige Auftragseingänge reagieren. Unternehmen der Einzel- und Kleinserienfertigung (EuK) werden jedoch besonders von den Herausforderungen bedroht. Begründet werden kann dies unter anderem durch den sehr hohen Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) und ihre Position in der Wertschöpfungskette. Im Vergleich mit den zumeist großen Serienproduzenten verfügen diese über weniger finanzielle und personelle Ressourcen, um angemessen auf die hieraus resultierenden Herausforderungen zu reagieren.

Weiterhin agieren viele Betriebe der EuK in der Automobilindustrie als Zulieferer von beispielsweise Maschinen und Anlagen, Werkzeugen und Formen oder Vorrichtungen. Entsprechend sind am Automobilstandort Deutschland viele KMU der EuK abhängig von dem – gemessenen am Umsatz – wichtigsten deutschen Industriezweig. Bedingt durch die seit 2019 anhaltende Strukturkrise in der Automobilindustrie sowie die bisher unklaren Auswirkungen neuartiger Mobilitätskonzepte auf bestehende Produkte und Leistungen, sehen sich viele Betriebe der EuK mit einer möglichen Existenzbedrohung konfrontiert.

Als Resultat der beschriebenen Herausforderungen müssen Betriebe der EuK bestehende Unternehmensstrategien hinterfragen, um so die langfristige Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Die Abteilung Unternehmensentwicklung des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen hat ein praxisnahes Vorgehen zur Strategieentwicklung für die Unternehmen der EuK erarbeitet (siehe Bild 2).

Analysephase checkt strategischen Fit

In der Analysephase wird die Überprüfung des sogenannten strategischen Fits durchgeführt. Dieser beschreibt, inwieweit ein Unternehmen basierend auf seiner aktuellen Strategie und seinen Fähigkeiten die Kunden- und/oder Marktanforderungen erfüllt. Initial müssen dafür die Anforderungen vom Markt erhoben und analysiert werden. Eine bekannte Methode ist Porter‘s Five Forces. Die Analyse der eigenen Wertschöpfung ist unter Berücksichtigung von organisatorischen und technologischen Gegebenheiten durchzuführen. Der Fokus liegt auf der Ermittlung vorhandener Kompetenzen. Ein klassischer Ansatz zur Analyse der internen Wertschöpfung ist beispielsweise die SWOT-Analyse.

Im Anschluss erfolgt die Bewertung des strategischen Fits unter Berücksichtigung strategischer Erfolgspositionen (SEP). SEP dienen zur Besetzung strategischer Positionen im Wettbewerb und zur Erzeugung eines Kundennutzens durch Bündelung von Aktivitäten und Kompetenzen. Die Identifizierung existierender SEP erfolgt im Rahmen der Marktanalyse. Zur Bewertung des strategischen Fits müssen die SEP in Bezug auf die eigene oder wettbewerbsseitige Erfüllung bewertet und bezüglich ihrer zukünftigen Relevanz priorisiert werden. Das Ergebnis der Bewertung stellt den unternehmensspezifischen Erfüllungsgrad aktueller und zukünftiger Differenzierungsmerkmale dar. Darauf aufbauend werden in der folgenden Phase Handlungsalternativen bestimmt.

Konzeptionierungsphase erarbeitet die zukünftige Strategie

Basierend auf dem bewerteten strategischen Fit erfolgt in der Konzeptionierungsphase die Erarbeitung der zukünftigen Strategie. Große Abweichungen zur zukunftsfähigen Differenzierung erfordern eine grundlegende Neuauslegung der bestehenden Strategie (Erneuern). Sofern die bestehende Strategie zukunftsorientiert ausgelegt ist, jedoch Abweichungen zu den SEP vorliegen, bedarf es einer Überarbeitung der Strategie (Modifizieren). Liegen lediglich kleine Abweichungen zu den SEP vor, muss die Strategie hinsichtlich der vorherrschenden Diskrepanzen verbessert werden (Optimieren). Grundlage für die Erneuerung, Modifizierung und Optimierung der eigenen Strategie sind die drei in der Literatur und Praxis anerkannten grundsätzlichen Strategietypen (siehe Bild 3).

Die Differenzierungsstrategie verfolgt das Ziel, bestimmte Leistungsmerkmale der angebotenen Produkte zu fokussieren und diese am Markt zu etablieren. Verfolgt ein Unternehmen demgegenüber die konsequente Realisierung von Kostenpotenzialen zur kostengünstigen Herstellung seiner Produkte, wird dies als Kostenführerschaft bezeichnet. Die Nischenstrategie dient der Fokussierung auf eine bestimmte Kunden- oder Produktgruppe durch das Angebot spezifisch optimierter oder individualisierter Lösungen.

Nach Festlegung des Strategietyps erfolgt die Definition zukünftiger SEP, die das Unternehmen adressieren soll. Dazu werden potenzielle SEP formuliert. Anschließend werden für die einzelnen funktionalen Einheiten des Unternehmens notwendigen Inhalte und Maßnahmen zur erfolgreichen Realisierung der SEP ausgearbeitet. Zudem erfolgt ein Abgleich von SEP und gewählter Strategie. Exemplarisch kann eine angestrebte Kostenführerschaft zu einer Neugestaltung der Lieferantenstruktur führen, um niedrigere Einkaufspreise zu erzielen.

Sobald die zukünftigen SEP definiert sind, bedarf es der Entwicklung und inhaltlichen Ausgestaltung von Handlungsfeldern zur Erreichung dieser. Je nach gewähltem Strategietyp kann dies etwa die personelle Stärkung bestimmter Unternehmensbereiche oder die Implementierung neuartiger Technologien zur Folge haben. Besonders die wertschöpfungsseitige digitale Transformation bietet vielfältige Potenziale zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen.

Im abschließenden Schritt wird in der Implementierungsphase die Umsetzung der entwickelten Handlungsfelder sowie der zugehörigen Maßnahmen fokussiert. Die Implementierung von Strategien wird in der kommenden Ausgabe des Industrieanzeigers ausführlich im zweiten Teil der Reihe „Strategien in der Einzel- und Kleinserienfertigung“ vorgestellt.

Das präsentierte Vorgehen wurde bereits in mehreren Projekten zur strategischen Neuausrichtung in der EuK erfolgreich eingesetzt und zählt zu einer der Kernkompetenzen der Abteilung Unternehmensentwicklung. Bei Interesse an einem unverbindlichen Austausch steht Ihnen die Abteilung Unternehmensentwicklung des WZL der RWTH Aachen gerne zur Verfügung.

Kontakt:

WZL der RWTH Aachen
Campus-Boulevard 30
52074 Aachen
Tel. +49 241 8027400
www.wzl.rwth-aachen.de

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