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Verschwendung in F&E systematisch vermeiden

Serie „Pictures of the Future des Innovationsmanagements“ (Teil 5)
Verschwendung in F&E systematisch vermeiden

Wertstromanalyse | Um neue Produkte effizient zu entwickeln, sollten Unternehmen den gesamten Entwicklungsprozess systematisch auf Verschwendung hin untersuchen. Dabei können sie auf ein bewährtes Verfahren aus der Produktion zurückgreifen: die Visualisierung und Analyse des Wertstroms.

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh Lehrstuhl für Produktionssystematik, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Stefan Rudolf, M.Eng. Abteilungsleiter Innovationsmanagement, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen M.Eng. Stefan Breunig Abteilung Innovationsmanagement, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen

In einem Unternehmensumfeld, welches durch weitestgehend gesättigte Märkte und schnellen technologischen Wandel charakterisiert ist, kommt der Produktentwicklung eine zunehmende Schlüsselrolle zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit zu. Hierbei ist es entscheidend, neben der Effektivität der Entwicklung in gleichem Maße auch die Effizienz zu steigern. Ziel der Effizienzsteigerung ist das Erreichen einer Produktdifferenzierung bei gleichzeitig reduziertem Ressourceneinsatz.
Studien und Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass bis zu ein Drittel der Aktivitäten eines Entwicklers aus nicht wertschöpfenden Tätigkeiten besteht und somit als Verschwendung bezeichnet werden kann. Eine Möglichkeit zur Identifikation und Reduktion von Verschwendung bietet die Anwendung der Wertstromanalyse in der Produktentwicklung. Sie befähigt zur Darstellung und Optimierung des Wertstroms innerhalb eines Entwicklungsprozesses.
Die Methode der Wertstromanalyse hat ihren Ursprung in der Produktion und wird dort als ein zentrales Element zur Umsetzung von Lean Production genutzt. Innerhalb des „Lean Innovation“-Ansatzes hat die Wertstromanalyse ebenfalls eine zentrale Bedeutung, wobei ihre Umsetzung in der industriellen Praxis noch vergleichsweise gering ist. Ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass die Methode nicht ohne Weiteres aus der Produktion in die Entwicklung überführt werden kann. Während in der Produktion Rohmaterialien in physische Erzeugnisse überführt werden, besteht die Produktentwicklung aus einem komplexen Zusammenwirken aus Interaktionen und Informationsflüssen, welches ein „Rezept“ für ein neues Produkt als Ergebnis hat. Vor diesem Hintergrund ist es eine große Herausforderung, den wirklichen Wertstrom in der Produktentwicklung sichtbar zu machen, um systematisch Verschwendung identifizieren zu können.
Auch die Definition von Verschwendung in der Produktentwicklung unterscheidet sich zu der in der Produktion. Während in der Produktion Verschwendung zum Beispiel in Form von Beständen und unnötigen Warenbewegungen auftritt, so lässt sich Verschwendung in der Produktentwicklung beispielsweise durch die verspätete oder fehlerhafte Bereitstellung von Informationen beschreiben.
IT-Tool unterstützt die Aufnahme und Visualisierung des Wertstroms
Um in dem anspruchsvollen Umfeld der Produktentwicklung eine systematische Identifikation von Verschwendung zu ermöglichen, bedarf es einer Weiterentwicklung der bisher stark produktionsorientierten Methoden. In der Abteilung Innovationsmanagement des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen wurde daher ein Ansatz entwickelt, welcher in Verbindung mit einem eigens entwickelten IT-Tool die effiziente Aufnahme und Visualisierung des Wertstroms in der Forschung und Entwicklung (F&E) ermöglicht. Eine Grundlage hierbei ist die Aufnahme und Klassifizierung von Aktivitäten und Entscheidungen in der Entwicklung sowie deren Verbindung untereinander.
Um den Wertstrom sichtbar zu machen, gilt es die im Kern wertschöpfenden Entwicklungsaktivitäten in einem zentralen Strom darzustellen. Dieser Leitgedanke wird auch in dem abgebildeten „Picture of the Future“ aufgegriffen (siehe Seite 28). Die Aufnahme des Wertstroms erfolgt dabei in einem partizipativen Prozess mit allen am Kernprozess beteiligten Bereichen. In der Regel werden hierbei vergangene oder aktuelle Projekte visualisiert.
Die in die Vergangenheit blickende Analyse ermöglicht es, wiederkehrende und typische Schwachstellen zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen zur Optimierung des Wertstroms abzuleiten. Durch eine systematische Anwendung der Wertstromanalyse können so Ursachen von Verschwendung identifiziert und in zukünftigen Entwicklungsprojekten vermieden werden.
Oft können in Entwicklungsprojekten wiederkehrende Muster von Verschwendungsursachen identifiziert werden. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Big Data ist es ein Ziel, diese Muster systematisch in der laufenden Produktentwicklung zu erkennen und für eine präventive Vermeidung von Verschwendung zu nutzen. Das Ziel ist die Ermöglichung einer echtzeitfähigen Steuerung des Wertstroms in der Entwicklung und somit der Übergang von einer retrospektiven Betrachtung in eine proaktive Projektsteuerung mit der Antizipation von Schwachstellen. Im „Picture of the Future“ wird dies durch die Darstellung eines Cockpits verdeutlicht, welches ein Live-Tracking und somit eine Steuerung des Wertstroms ermöglicht.
Neben der Eliminierung von Schwachstellen, die zu Verschwendung führen, liegt ein großes Potenzial darin, den Wertstrom radikal neu zu gestalten, um die knappen Ressourcen einer Produktentwicklung auf die Aktivitäten konzentrieren zu können, die einen wirklichen Mehrwert für die Gestaltung eines innovativen Produktes bringen. Der Schlüssel hierbei ist die systematische Differenzierung zwischen repetitiven Aktivitäten, wie dem Erstellen von Stücklisten und Zeichnungen, und kreativen Aktivitäten, wie dem Entwickeln neuer Lösungen.
Im Wertstrom der Zukunft werden alle repetitiven Aktivitäten vollständig automatisiert, wodurch es dem Entwickler ermöglicht wird, seine kreativen Fähigkeiten vollständig für wertschaffende Tätigkeiten einzusetzen. Dabei gilt es Lösungen zu entwickeln, die über parametrisierte Konstruktion und automatische Stücklistengenerierung hinausgehen und eine zunehmende Intelligenz in unterstützenden EDV-Systemen schaffen. Grundlage hierfür ist die fortschreitende informationstechnische Vernetzung der Geschäftsprozesse, besser bekannt als Industrie 4.0.
Die rückblickende, aber auch die zukunftsgerichtete Analyse des Wertstroms in der Produktentwicklung stellen eine Lösung zur systematischen Vermeidung von Verschwendung dar. Wird die Analyse des Wertstroms über Einzelprojekte hinaus Teil eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses, so kann eine signifikante Steigerung der Effizienz in der Produktentwicklung erreicht werden. •

Über die Serie „Pictures of the Future“
Ausgehend vom Ansatz des „Lean Thinking“, welcher als obersten Grundsatz die Fokussierung auf echte Wertschöpfung und Vermeidung von Verschwendung adressiert, ist das Ziel von „Lean Innovation“ eine systematische Übertragung dieses Ansatzes auf das moderne Innovationsmanagement. Durch eindeutiges Priorisieren, frühes Strukturieren, einfaches Synchronisieren und sicheres Adaptieren kann sowohl die Effektivität als auch die Effizienz des Innovationsmanagements nachhaltig optimiert werden. Auf Basis der vier Kernfelder des „Lean Innovation“ sollen aktuelle Trends in den Bereichen des Komplexitäts- und Entwicklungsmanagements im Rahmen der sechsteiligen Reihe vorgestellt und anhand der „Pictures of the Future“ visualisiert werden:
  • Teil 1: Market Intelligence – Aufbau marktspezifischer Kenntnisse zur systematischen Marktsegmentierung (Ausgabe 32/2014)
  • Teil 2: Architekturgestaltung – Gestaltung der Produkt-/Produktionsarchitektur zur Erschließung von Economies of Scale and Scope
(Ausgabe 01/2014)
Teil 3: Datendurchgängigkeit – Zugriff auf einheitliche Echtzeitdaten auf Basis einer durchgängigen Single Source of Truth
(Ausgabe 03/2015)
  • Teil 4: F&E-Prozessoptimierung – Effiziente und effektive Entwicklungsprozesse zur schnellen Umsetzung individueller Kundenanforderungen (Ausgabe 05/2015)
  • Teil 5: Wertstromanalyse – Systematische Identifikation von Verschwendung durch Wertstromanalyse in der Produktentwicklung (Ausgabe 07/2015)
  • Teil 6: Synchronisation & Tak- tung – Effiziente Produktentwicklung durch Synchroni- sation & Taktung von parallel arbeitenden Expertenteams (Ausgabe 09/2015)

  • Die Abteilung Innovationsmanagement des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen hat sich in den letzten Jahren ausführlich mit dem Komplexitäts- und Entwicklungsmanagement produzierender Unternehmen beschäftigt. Die Ergebnisse aus zahlreichen Studien, Arbeitskreisen und Forschungsprojekten sollen in dieser sechsteiligen Serie dargestellt sowie aktuelle und zukünftige Trends des Innovationsmanagements beschrieben werden.
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