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Wie Sensoren und Digitale Zwillinge die Industrie verändern

Wie Sensoren die Grundlage des IIoT bilden und digitale Zwillinge entstehen
Vom Funkchip über IIoT bis zum digitalen Zwilling

Vom Funkchip über IIoT bis zum digitalen Zwilling
Sensoren in der Smart Factory: Die Brücke zwischen physischen Prozessen und digitalen Zwillingen. Bild: molpix/stock.adobe.com
Eine wahre Flutwelle von Sensor-Chips begegnet uns im Alltag, aber auch in der Industrie. Mancher Gegenstand ist schnell mit einem Sensor versehen, lässt aber bei weitem noch die Intelligenz und Auswertungsprozesskette missen, die ihm zugeschrieben wird. Bei all dem Fortschritt der vergangenen Jahre kommt die Idee zur Smart Factory derzeit nur langsam voran. Digitale Zwillinge können jedoch Struktur ins eigene Internet der Dinge bringen.

» Björn Goerke, Chief Technology Officer bei der Proalpha Group

Das Internet der Dinge hat seinen Ursprung in einem Problem mit Lippenstift: Noch als Manager bei Proctor & Gamble tätig, grübelte Kevin Ashton über die Tatsache nach, dass ein Lippenstift in einem ganz bestimmten Braunton ständig ausverkauft war. Ashton dachte darüber nach, einen kleinen Sende-Chip im Lippenstift einzubauen, mit dem die Ware besser zu verfolgen war. Ashton trieb danach die RFID-Technologie (Radio-Frequency Identification) wesentlich voran. Ashton war es auch, der bereits 1999 den Begriff des „The Internet of Things“ (IoT) prägte. Die Einengung des Begriffs auf IIoT – Industrial Internet of Things – für die Industrie sollte später folgen und seither ist, ob für die Konsumgüterindustrie als RFID-Chips oder die Fertigung und andere Branchen mit einer Vielzahl an Sensortypen, die Menge der Dinge im Internet ins Astronomische gewachsen. Schätzungen von IDC zufolge wird im Jahr 2025 die Zahl der miteinander verbundenen „Dinge“ auf 41 Mrd. anwachsen, die 79 ZB (Zettabytes) an Daten generieren.

Die Orchestrierung enormer Mengen an Daten aus unzähligen Sensoren ist immer noch eine gewaltige Herausforderung. So sehr zum Beispiel die Bandbreite gewachsen ist, zeigte sich dennoch, dass Daten ebenso wie Produkte in Zwischenstufen besser vor Ort (teil-)verarbeitet werden, was sich dann Edge Computing nennt. Nach wie vor geht es um die hochautomatisierte Fabrik, wofür vor über 13 Jahren auf der Hannover Messe das Schlagwort von der Industrie 4.0 geprägt wurde. Inzwischen wirkt der Begriff ein wenig abgetragen, vor allem wenn es um konkrete Wertschöpfung außerhalb der „Fabriktore“ geht. So stellt Roland Berger etwa in einer 2023 erschienenen Studie fest, dass „die ursprüngliche Vision einer autonomen, hochflexiblen und selbstorganisierenden Fabrik“ immer noch in weiter Ferne liegt. In fünf Bereichen konstatiert Berger immerhin einen gewissen Fortschritt: bei der Echtzeitoptimierung von Maschinenparametern, der Zustandsüberwachung (wobei das Teilgebiet Predictive Maintenance dennoch in den Kinderschuhen steckt), der automatisierten Qualitätsprüfung (derzeit am besten mittels visueller Prozessdaten), und maßgeblich in den beiden Logistikbereichen autonomer Materialtransport in der Intralogistik sowie Transportverfolgung entlang der Lieferkette.

Die Lage ist weiterhin unübersichtlich. Es tut sich viel bei der Konnektivität, der Cloud-Technologie und der Software-Algorithmik, insbesondere bei der rasanten Entwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz. Für den Mittelständler geht es darum, für sich eine pragmatische und gewinnbringende Rolle zu finden, und dabei sieht er sich vor Wahlmöglichkeiten, die weitaus quälender sind, als wenn Alice vor dem Lippenstiftregal eines Drogeriemarktes steht.

Da hilft ein Konzept, wie man Daten organisieren kann. Das Paradigma heißt digitaler Zwilling. Michael Grieves hat dieses Konzept zuerst für die Fertigung 2002 vorgedacht und John Vickers prägte innerhalb der NASA im Jahr 2010 den Begriff „Digital Twin“. Heute sind Digital Twins bei deutschen Unternehmen bereits zu 44 % im Einsatz. Das ergab eine Umfrage von Bitkom Research zur Hannover Messe 2023 unter 603 deutschen Unternehmen. Digitale Zwillinge sind die Verbindung zur physikalischen Welt mittels Sensoren, die laufend Messwerte liefern, welche das Konzept des digitalen Zwillings hervorgebracht hat. Digital Twins sind demnach virtuelle Abbilder von physischen Objekten oder Systemen, die vier Kernmerkmale aufweisen: Sensoren und ihre Konnektivität, definierte Datenstrukturen und eine (möglichst visuelle) Schnittstelle für den Menschen.

Im Digital Twin begegnen sich auch die klassische Welt des ERP (Enterprise Ressource Planning) mit Sensor-Daten aus der OT (Operational Technology) in der Werkshalle, Konstruktionsparameter aus den CAD-Systemen oder Businessinformationen aus weiteren Anwendungen des Unternehmens. Ein digitaler Zwilling einer Maschine beispielsweise kann diese auch lebenslang begleiten, bis zum Recycling. Die Rolle des ERP wird wieder wichtiger, denn nicht nur fließen Parameter vom ERP in den Digital Twin ein, umgekehrt tragen die Echtzeitdaten (aus der physikalischen Maschine) des Digital Twin dazu bei, dass das ERP im Rahmen der Wartung beispielsweise Material bestellt oder in einem Dashboard das betriebliche Monitoring verbessert.

Mittelständler können den Einstieg in die Welt der Smart Factory mit digitalen Zwillingen am besten über Praxisprojekte an technischen Universitäten wie in Aachen, Kaiserslautern, Würzburg, Potsdam oder Graz finden. In einer Modellfabrik in Graz wird etwa ein Automotive-Getriebe als Demonstrationsobjekt in 18 Varianten gefertigt. Mit dem Web-basierten Produktkonfigurator eines ERP-Systems wie dem von Proalpha können Kunden die Produktvarianten selbst konfigurieren. Relevante Informationen wie CAD-Zeichnungen oder Stücklisten werden im Product-Lifecycle-Management System (PLM) gewartet und danach über einen intelligenten Algorithmus ins ERP-System übernommen. Das ERP-System wird in Kombination so zur zentralen Daten- und Steuerplattform und nimmt eine zentrale Rolle speziell in der agilen Produktion ein.

Der Digital Twin weist auch den Weg in eine erfolgreiche Spezialisierung der deutschen und europäischen Industrie. Es geht nicht mehr um Massenfertigung, sondern um eine Produktion von individualisierten Bauteilen und Maschinen in höchster Qualität. Das kann im Extremfall bis zur Stückzahl 1 gehen. Dies ist die Zukunft.

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