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Wachsen in der Krise

Mittelstand: Wie erfolgreiche Firmenchefs jetzt agieren
Wachsen in der Krise

Nicht alle Unternehmen sind von der Wirtschaftskrise betroffen. Vor allem Mittelständler nutzen die Zeit, um zu wachsen, um Strukturen zu straffen und effizienter aus der Rezession herauszutreten. Dabei setzen sie auf intelligente Personalpolitik. Denn Fachkräfte sind auch in der Krise rar.

Ein Mittelständler, der stetig wächst, ist die Gebrüder Eberhard GmbH & Co. KG aus Nordheim südwestlich von Heilbronn. Jedes Jahr um 10 %. In den kommenden zwei Jahren investiert das Unternehmen 10 Mio. Euro in neue Gebäude und Maschinen an den Standorten Nordheim und Heilbronn in Württemberg sowie Ohrdruf in Thüringen. Zeitgleich soll das Personal entsprechend aufgestockt werden.

Wie und warum der 400 Mitarbeiter große Betrieb antizyklisch wachsen kann, erklärt Herbert Hennige, Mitglied der Geschäftleitung: „Wir haben drei Standbeine: Werkzeugtechnologie, Elektrofach-Großhandel und ein kleines Küchenstudio. Diversifikation ist ein wichtiger Teil unseres Erfolgsrezeptes“, sagt er zur Ausrichtung des vor 75 Jahren gegründeten Unternehmens. Die Ausweitung spiegelt sich auch im Produktangebot wider. Beispiel Werkzeugtechnologie, das in die Sparten Formen- und Vorrichtungsbau sowie Stanz- und Umformtechnik untergliedert ist: Hier stellt Eberhard einstufige Artikel wie Auswerfer, Düsennadeln, Pipettenkerne, Zentrier-, Zylinderstifte, Bohrbuchsen, Napfdorne und Fließpreßstempel her. Geliefert werden diese Werkzeugkomponenten ebenso an Kunden aus der Automobilindustrie wie an Firmen aus der Medizintechnik, an Haushaltsgerätehersteller und andere Branchen. Weil die Unterländer mit keinem Kunden mehr als 5 % des Umsatzes von 80 Mio. Euro machen, ist die Firma von der Automobilkrise nur gering betroffen. „Stattdessen erhöhen sich unsere Umsätze etwa in der Medizin, weil immer mehr Teile aus Kunststoff gefertigt werden“, sagt Hennige und begründet, „und krank werden Leute leider auch immer.“
Wer in der Krise wachsen will, muss sich „nicht nur strategisch schlau positionieren, sondern benötigt vor allem gut ausgebildete Menschen, die das Wachstum stemmen“, sagt Andreas Preißing. Als Mitgründer der Stuttgarter Personalanalysten, hat er sich auf Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern spezialisiert. Zudem betont er, dass Unternehmen Professionalität auch nach innen leben müssen. Ist das Ziel „Wachstum in schwierigen Zeiten“, müsse dies auch den Mitarbeitern gesagt werden, betont Preißing. Der 35-Jährige rät, vor dem Wachstum erst zu schrumpfen. Und meint, sich auf Wesentliches zu konzentrieren. „Konsolidierung ist wichtig“, erklärt der Betriebswirt, „Prozesse und Strukturen müssen eingespielt sein, bevor die Personalkosten durch Wachstum sprungfix nach oben schnellen.“ Denn dadurch verkürzen sich Einarbeitungsphasen. Schlanke und definierte Prozesse schaffen zudem Freiraum für nötige Kommunikation mit den Beschäftigten. Dies erkennen nur wenige Firmen. Gerade dann, wenn Auftragsbücher voll sind, bleibt meist wenig Zeit, Probleme zu besprechen, die aus dem Wachstum heraus entstehen können. Ungeklärte Verantwortlichkeiten, überflüssige Doppelarbeit und aufgeblasene Workflows sind oftmals die Folge, meint der Personalexperte. Als Folge sieht Preißing, dass Beschäftigte gestresst auf Mehraufwand reagieren. Auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten.
Die Baudisch Electronic GmbH aus Wäschenbeuren, östlich von Stuttgart, kennt diese Luxusprobleme. Für Inhaber Peter Baudisch liegt die größte Herausforderung 2009 darin, alle Aufträge fristgerecht abzuwickeln. Ihm fehlen Fachkräfte. Der Elektronikspezialist beschäftigt aktuell 32 Menschen, erwirtschaftet 3,2 Mio. Euro Umsatz und wächst jährlich um knapp ein Fünftel. Seine rund 50 Kunden stammen überwiegend aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie der Gebäudetechnik. Weil das 1992 gegründete Unternehmen des 43-jährigen Hard- und Softwareentwicklers wächst und somit jedes Jahr mindestens zwei neue Stellen geschaffen werden, achtet er darauf, dass alle Fachdisziplinen mit Experten besetzt sind. Und prüft vor der Annahme von Projekten, ob diese überschaubar sind.
„Unsere Entwicklungskomplexität liegt im Bereich von Mannmonaten, nicht -jahren und unsere Produktionsserien liegen zwischen einem Stück und 10 000“, erläutert der Tüftler. Die Hälfte ihrer Aufträge bekommt die Elektronik-Schmiede über Empfehlungen von und Wachstum mit Kunden, für die der Chef teils seit 16 Jahren arbeitet und deren Bestellvolumina seither deutlich gestiegen sind. Ein Drittel der neuen Kunden finden den Hersteller von Platinen, die unter anderem in Software gesteuerten Hightech-Bahn-WC-Kabinen zu finden sind, übers Internet. Der Rest kommt über Messen und Mailings, sagt Baudisch. Bis in fünf Jahren will das Unternehmen mit Eigenprodukten wie Touchpanels und Zugangkontrollsystemen ein weltweit beachteter Hersteller sein.
Wenn Baudisch Umsatz- und Strategieziele kommuniziert und aufzeigt, wie er sie umsetzt – durch moderate Personalpolitik plus gesteuertes Kundenwachstum –, holt er seine sechs Entwickler, fünf Kaufleute und 21 Facharbeiter mit ins Boot. Weil Wachstum – vor allem in Krisenzeiten – Risiko bedeutet und Ängste bei Beschäftigten auslöst, handelt er richtig. Ziele auf eine überschaubare Zeitachse zu stecken, löst Blockaden bei Beschäftigten. „Das schafft Sicherheit“, meint Personalentwickler Preißing.
Sowohl bei Eberhard als auch bei Baudisch ist das Wachstum organisch. Ohne Firmenzukäufe und somit ohne Finanzierungsrisiko leben die Chefs Bescheidenheit als Tugend vor, die Mittelständler gerne pflegen. Eberhard finanziert seine Millioneninvestition aus eigener Kraft. „Einen Bankkredit benötigen wir nicht“, betont Hennige nicht ohne Stolz. Das schafft er, weil der Großteil des nicht öffentlich genannten Gewinns stante pede ins Unternehmen investiert wird. Für Baudisch ist zudem entscheidend, flexibel und schnell zu bleiben. „Einfache Elektronik liefern wir bis zum Prototyp oft schon in vier bis sechs Wochen, weil wir die Wertschöpfung aus einer Hand bieten und uns deshalb nicht mit externen Partnern abstimmen müssen“, erläutert er. Schlüssige Strategien gehen eben weiter, als bis zum nächsten Quartalsbericht oder Großauftrag. Wie in Nordheim und Wäschenbeuren bewiesen wird – auch ohne Kanzlerinnen-Konjunkturpaket.
Michael Sudahl Freier Journalist in Stuttgart
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