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Was hat der, das ich nicht habe?

Mitarbeiterführung: Auf Frustrationen angemessen reagieren
Was hat der, das ich nicht habe?

Überzogenes Konkurrenzdenken wirkt sich im Betrieb eher motivationshemmend aus. Oft sind es nur Kleinigkeiten, unter denen die Arbeitsbereitschaft leidet. Gefragt sind Personalverantwortliche mit viel Feingefühl.

„Die Stimmung im Hause ist die halbe Miete“, hat kürzlich ein junger Teilnehmer in einem Motivations-Seminar des Personalberaters C. Jung gesagt, und der war von dieser Formulierung so begeistert, dass er sich umgehend in einigen Betrieben auf Stimmungssuche begeben hat. Sein Fazit: „Sie glauben gar nicht, wie viel unausgesprochene Missgunst, ja sogar Neid unter Arbeitskollegen herrschen und die Leistungen beeinträchtigen, ohne dass die Geschäftsleitung das Geringste ahnt.“ Als Beispiel nannte er ein kleines Unternehmen, wo allein „die falsche Stellung des Schreibtischs“ bei einer Sachbearbeiterin monatelang Frustrationen verursacht hatte. „Die anderen haben alle einen besseren Arbeitsplatz“, hatte die Betroffene geklagt, „nur ich muss mich mit dieser üblen Ecke begnügen.“ Das wurde geändert, und die Atmosphäre war schlagartig verbessert. Die Arbeitsbereitschaft übrigens auch.

Wir wollten wissen, ob das nicht doch möglicherweise nur Zufall war und fragten weiter. Erstes Ergebnis: Über Konkurrenzdenken oder gar Neid im Betrieb wird nur höchst ungern gesprochen. Einige Gesprächspartner befürchteten, in „offene Wunden“ zu stechen oder Unruhe zu riskieren, die vermeidbar sei. Hier deutet sich ein Bereich an, dessen offene Beobachtung und einfühlsame Behandlung jeder Betriebsorganisation zu deutlichen Vorteilen verhelfen kann.
Horst Keller, dessen Unternehmen in Kirchheim/Teck Entstaubungsanlagen herstellt, sagte etwas ganz Wichtiges: Dort bestimme die familiäre Grundlage das Betriebsklima. Das habe Vor- und Nachteile, denn die Zusammenarbeit werde zwar verbessert, aber es sei auch schwerer, Kritik anzubringen. Immerhin gebe es viele Gelegenheiten, sich auszusprechen – Teambesprechungen unter Beteiligung von Geschäftsleitungsmitgliedern oder Gespräche mit dem Betriebsrat und dessen Einbeziehung in fast alle Entscheidungen. Trotzdem gab es Zoff, zum Beispiel über etwas so geringfügig Erscheinendes wie die Höhe der Trennwände im Großraumbüro, weil sich Mitarbeiter beobachtet fühlten. Nach der Änderung hat sich das Klima deutlich verbessert. Aber Horst Keller weiß: „Bis so etwas in Erfahrung gebracht wird, dauert es immer eine Weile.“
Ähnliche, aber in einige Punkten auch andere Erfahrungen sind bei der RAS Reinhardt Maschinenbau GmbH in Sindelfingen gemacht worden. Inhaber Willy Stahl hat festgestellt, dass sich Mitarbeiter nur in Ausnahmefällen mit Fragen oder Problemen an die Vorgesetzten oder den Betriebsrat wenden. Er spricht offen aus, wovon in anderen Unternehmen oft nur zögerlich die Rede ist, dass nämlich Geld meist eine Rolle spielt, wenn in Konkurrenzgefühle auftauchen. Manchmal, so hat Stahl erfahren, führt auch die Entgelteinstufung zu Diskussionen, wenn jemand mit der erfolgten Einordnung zu wenig Renommé verbinden kann. Stahl betont die Bedeutung eines Netzwerkes von Besprechungen in allen Arbeitsbereichen. Denn grundsätzlich halten sich Geschäftsleitung wie Bereichsleitungen stets bereit, auf erkennbare Unzufriedenheiten direkt einzugehen.
Mit Sorgfalt wird dem Problem der Unzufriedenheit auch bei der Grünbeck Wasseraufbereitung GmbH begegnet, die ihren Sitz in Höchstädt an der Donau hat. Personalleiter Dieter Schiller erklärte: „Gewiss gibt es hier und da auch bei uns Neiddiskussionen. Sie bilden aber die Ausnahme. Wir haben ein transparentes, für alle Mitarbeiter nachvollziehbares Entlohnungssystem und sehr flache Hierarchien. Außerdem glaube ich, dass Unzufriedenheit in mittelständischen Firmen von der Geschäftsleitung grundsätzlich schneller wahrgenommen werden kann.“
Die Unternehmenskultur bei Grünbeck ermöglicht jederzeit Gespräche zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten. Außerdem hat jede Abteilung einen wöchentlich stattfindenden Jour fixe eingerichtet, der der Betriebsinformation und offenen Aussprache dienen soll. Personalleitung und Betriebsrat nehmen einmal pro Quartal einen fest vereinbarten Besprechungstermin wahr, und ebenfalls alle drei Monate wird eine so genannte Kantinenrunde arrangiert, in der die Belegschaft von der Geschäftsleitung über aktuelle Fragen informiert wird. „Sollte Unzufriedenheit gespürt werden, fragen die Geschäftsführer natürlich auch von sich aus nach den individuellen Ursachen“, so Schiller.
Bei Grünbeck ist man davon überzeugt, dass eine solche Ausgangssituation entscheidend dazu beiträgt, Konkurrenz- oder gar Neid-Denken klein zu halten. Das bestätigt obendrein eine neue Erfahrung des Personalleiters: „Durch unmittelbare Fragen aus der Belegschaft konnten wir feststellen, dass gerade in diesen Zeiten das Interesse an unserer Mitarbeiterbeteiligung gestiegen ist!“
Rosemarie Fiedler-Winter Journalistin in Hamburg
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