Entwicklungs- und Fertigungs-Know-how sind in Deutschland die Basis zahlreicher mittelständischer Spezialisten. Deren Geschäftsmodelle funktionieren allerdings nur dann, wenn die Bauteile termingerecht zu den kalkulierten Preisen verfügbar sind. Hier aber treten in Folge der aktuelle Multikrise aus politischer Unsicherheit, Wirtschaftskrieg und klimabedingten Wetterereignissen immer öfter Probleme auf.
Die Folge von Logistikproblemen ist der Kampf um knappe Güter. So sind OEM-Hersteller gezwungen, Beschaffungsstrategien umzusetzen, die widerstandsfähig gegen Störungen sind, aber gleichzeitig
Preise im wettbewerbsfähigen Rahmen halten. Folgende Szenarien hat SEH durchgespielt:
1. Preiserhöhungen hinnehmen
Das Unternehmen könnte versuchen, die Preise seiner Produkte entsprechend anzuheben, um kein Minus zu machen. Dabei bringt es aber die Kalkulation seiner Kunden durcheinander. Ob die Produkte zu höheren Preisen noch gekauft werden, ist ebenso fraglich. Wenn SEH aber auf eine Preiserhöhung verzichten und die Mehrkosten selbst trägt, bringt das die eigene Kalkulation in Schieflage.
2. Lagerhaltung aufbauen
Für eine annähernd 100-prozentige Sicherheit würde eine Lagerhaltung mit einer sehr langen Bevorratungszeit von rund zwölf Monaten sorgen. Das führt allerdings für ein Unternehmen in der Größenordnung von SEH zu einer nicht tragbaren finanziellen Belastung. Darüber hinaus verwenden das Unternehmen Bauteile wie zum Beispiel Leiterplatten (PCBs), die nur eine garantierte Verarbeitbarkeit von sechs Monaten haben.
3. Alternative Bauteile einsetzen
Als dritte Variante könnte man nicht mehr verfügbare Teile aus Asien zum Beispiel durch vergleichbare aus den USA zu ersetzen. Dafür müssten die Produkte jedoch neu designt werden. Die Produkt-Spezifikationen würden sich ändern. Unter Umständen würden sogar neue Zertifizierungen notwendig werden, was wiederum die Verfügbarkeit verlangsamt. Im Endeffekt wird das Produkt teurer, ohne dass der Kunde von einem höherwertigen Bauteil profitiert.
4. Diversifizierung der Lieferkette
Am besten wäre es, seine Lieferanten zu diversifizieren, um das Stocken in der Lieferkette aufzufangen. Insbesondere bei kleineren Mengen sinken aber damit die Rabatte, der Einkaufspreis erhöht sich und die Verwaltung verschiedener Lieferanten wird aufwändiger. Das Qualitätsmanagement muss sicherstellen, dass alle Bauteile die gleichen Spezifikationen haben. Bei Elektronikteilen besteht zudem die Schwierigkeit, dass sie meist in einem bestimmten Land produziert werden wie zum Beispiel in China oder sogar nur aus ein Region stammen.
200 Prozent Preisaufschlag keine Seltenheit
Folgendes Beispiel gibt einen Eindruck davon, welche Faktoren zu Kostensteigerungen führen: Der Preis für eine bestimmte Marvell CPU ist in der Halbleiterkrise um mehr als 70 Prozent gestiegen (da liegt der Preis übrigens bis heute). Weil die Lieferzeiten statt normalerweise 20 Wochen zwischenzeitlich auf 70 Wochen anstiegen, war SEH auf Deckungskäufe angewiesen. Dabei hat das Unternehmen zwischen 140 und 230 Prozent Aufschlag bezahlt. Deshalb ist es auf eine höherwertige und besser verfügbare CPU umgestiegen, die es auch bei anderen Produkten verwenden kann. Diese war schon in normalen Zeiten mehr als 90 Prozent teurer als im Ursprungsdesign vorgesehen. Mit der Chipkrise ist der Preis dann um 220 Prozent angestiegen und blieb auf diesem Niveau.
Luftfracht für Elektronikbauteile nicht immer von Vorteil
Unter dem Aspekt der Logistik hat SEH den Vorteil, dass die elektronischen Komponenten aufgrund ihrer geringen Größe meistens per Luftfracht geliefert werden. Während der Corona-Lockdowns wurden allerdings die Frachtkapazitäten dadurch verknappt, dass es quasi keine Flüge mit Passagiermaschinen zwischen Europa und China gab.
Da sind die neuen Beschaffungsmaßnahmen
SEH hat es mit neuen Beschaffungsmaßnahmen erreicht, dass stockende Lieferketten für die Kunden kaum Auswirkungen haben: Der Hersteller hat für einige Komponenten sogenannte Konsignationslager angelegt. Das bedeutet, dass der Lieferant einen Rahmenauftrag erhält und die gesamte Ware liefert. Erst nach monatlicher Meldung der Entnahme stellt er die verbrauchte Ware in Rechnung. Voraussetzung dafür ist natürlich ein großes Vertrauen zwischen Kunde und Lieferant. Deshalb lohnt es sich, in normalen Zeiten fair, vertrauensvoll und langfristig zusammenzuarbeiten.
Weiterhin hat SEH Rahmenaufträge erteilt, bei denen der Lieferant entweder die gesamte Bestellmenge auf Lager legt oder mindestens für drei oder sechs Monate vorhält.
Manche Bauteile bezieht SEH von mehreren Lieferanten, um das Risiko zu streuen. Diese „Mehrquellen-Strategie“ wird natürlich schwieriger, je komplexer die Bauteile sind. Deshalb braucht dieses Einkaufsverfahren eine längerfristige Vorbereitung.
Frühzeitige Bestellungen, wie SEH sie im Normalfall tätigt, beinhalten umfangreiche Verschiebe- und Stornooptionen, damit das Unternehmen flexibel auf die Nachfrage reagieren kann. Als sich die Chipkrise abzeichnete, waren derartige Konditionen aber sehr schnell nicht mehr durchsetzbar.
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