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„Wir betrachten Unternehmen ganzheitlich“

Interview mit Tobias Zimmer, Gründer & Geschäftsführer von Tradineo
„Wir betrachten Unternehmen ganzheitlich“

„Wir betrachten Unternehmen ganzheitlich“
Tobias Zimmer, Gründer und Geschäftsführer von Tradineo. Bild: Tradineo
Tradineo bietet eine einzigartige Antwort auf die wachsende Herausforderung der Unternehmensnachfolge im deutschen Mittelstand. Geschäftsführer Tobias Zimmer erklärt, wie das Unternehmen durch langfristige Perspektiven, maßgeschneiderte Nachfolgelösungen und den ganzheitlichen Blick eines mittelständischen Unternehmers eine nachhaltige Fortführung sicherstellt.

» Alexander Gölz, Chefredakteur Industrieanzeiger

Herr Zimmer, Tradineo hat sich auf die Unternehmensnachfolge im Mittelstand spezialisiert. Was genau macht Ihr Unternehmen dabei einzigartig?

Mit Tradineo investieren wir in den Mittelstand, indem wir Unternehmen, die keinen Nachfolger haben, erwerben und fortführen. Unser Nachfolge-Konzept ist in Deutschland einzigartig, denn wir unterscheiden uns besonders in drei Punkten von klassischen Finanzinvestoren: Erstens möchten wir Unternehmen, die wir im Rahmen von Nachfolgen erwerben, nicht weiterverkaufen, sondern langfristig fortführen. Abgebende Unternehmer können also sicher sein, in welcher Hand ihr Lebenswerk langfristig verbleibt. Zweitens bringen wir – sofern nicht bereits vorhanden – den oder die passende Nachfolgerin direkt mit. Vielen Unternehmern ist es nicht nur wichtig, wer ihre Firma erwirbt, sondern vor allem auch, wer sie operativ fortführt. Bei Tradineo lernen sie ihren Nachfolger schon im Verkaufsprozess kennen und wissen so, wer auf sie und die Firma zukommt. Und drittens: Anders als andere Investoren sind wir selbst mittelständische Unternehmer. Das heißt, wir sehen ein Unternehmen – im Gegensatz zum klassischen Investor – nicht nur aus der Finanz- oder Steuerperspektive, sondern betrachten es ganzheitlich. Und zwar sowohl im Erwerbs- als auch im Fortführungsprozess.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich bei Tradineo für die Übernahme eines Unternehmens?

In erster Linie müssen wir von einem Unternehmen begeistert sein. Außerdem ist es uns wichtig, dass wir uns sinnvoll in unsere Beteiligungen einbringen können. Wir müssen also Ideen haben, wie wir als Tradineo zum künftigen Erfolg beitragen können. Aber natürlich gibt es auch harte Faktoren, die für eine Übernahme relevant sind: Dazu gehört vor allem, dass das Unternehmen nicht zu klein ist, denn solche Unternehmen haben häufig eine zu hohe Abhängigkeit vom bisherigen Inhaber. Deshalb fokussieren wir uns primär auf Unternehmen mit einer Größe zwischen 15 und 150 Mitarbeitenden und einem Betriebsergebnis von mindestens 750.000 Euro.

Wie läuft der Prozess einer Unternehmensübernahme durch Tradineo ab?

Tatsächlich gibt es für uns keinen standardisierten Prozess. Da wir uns sehr individuell auf die Verkäuferseite einlassen, richtet sich der Prozess in erster Linie nach den Wünschen des Verkäufers. Die Bandbreite der Wünsche ist dabei sehr groß: Der eine Unternehmer möchte – zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen – schnellstmöglich operativ und finanziell raus. Ein anderer will seine Firma verkaufen, ist aber bereit noch zwei Jahre für eine umfassende Übernahme im Unternehmen zu bleiben. Ein Dritter steigt finanziell aus, wird aber zum Beirat und kann so weiterhin inhaltlich Einfluss nehmen auf das Unternehmen. Alle diese Szenarien sind für uns denkbar, wenn wir vom Unternehmen überzeugt sind. Auch wenn man klar sagen muss, dass es toll ist, wenn abgebende Unternehmer noch für eine gewisse Zeit zur Verfügung stehen.

Doch nicht nur die persönlichen Wünsche spielen in den Prozess hinein. Auch die Frage nach der operativen Nachfolge muss geklärt werden. Während manche Unternehmerinnen und Unternehmer eine starke zweite Führungsebene haben, aus der wir eine neue Geschäftsführung entwickeln können, haben andere Verkäufer keine Nachfolgelösung parat. Hier können wir jedoch auf unseren Nachfolger-Pool zurückgreifen, in dem wir mehr als 100 vorgeprüfte Kandidatinnen und Kandidaten aus unterschiedlichen Branchen registriert haben.

Tradineo kombiniert bewährte Geschäftsmodelle mit neuen Ideen und Technologien. Können Sie uns ein konkretes Beispiel für ein Unternehmen nennen, bei dem dies erfolgreich umgesetzt wurde?

Unser Beteiligungsunternehmen KL netprint aus Hamburg hat zwar eine große Auftragslage, jedoch ist auch dieses Unternehmen – wie viele andere Mittelständler – vom Fachkräftemangel betroffen. Gemeinsam mit unserem Tradineo Marketing Team konnten wir für und mit KL eine innovative Employer Branding Strategie umsetzen. Dabei haben wir nicht nur die Website generalüberholt, sondern auch komplett neue Bewerberprofile erarbeitet, eine moderne, zeitgemäße Bewerberansprache konzipiert und innovative Touchpoints für die konkrete Bewerberzielgruppe identifiziert. Außerdem haben wir im Hintergrund Tools eingeführt, um den Bewerbungs- und Onboarding-Prozess zu verschlanken.

Das Projekt wird weiterhin ausgebaut, aber bereits jetzt konnten wir so neues Personal für KL netprint rekrutieren.

Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich bei Ihrer Arbeit im Bereich der Unternehmensnachfolge konfrontiert?

Die wohl größte Herausforderung für eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge ist die Vereinbarung der unterschiedlichen Anforderungen aller Stakeholder: Neben dem Alteigentümer müssen wir schließlich auch unsere Investoren im Hintergrund, die Bankberater und die Nachfolgerinnen und Nachfolger abholen. Vor allem Alteigentümer sind häufig sehr emotional, da sie über viele Jahre mit ihrem Lebenswerk verwachsen sind und das Loslassen schwerfällt. Das kann zu kurzfristigen Meinungsänderungen führen und im schlimmsten Fall zu Abbrüchen, auch wenn der Deal schon fast geschafft war. Solche Niederlagen muss man verkraften können – sowohl emotional als auch finanziell. Schließlich investieren wir nicht nur viel Herzblut und Arbeitszeit in eine Transaktion, sondern auch viel Geld – und zwar bereits vor Vertragsabschluss.

Was raten Sie Familienunternehmern, die sich mit der Frage der Nachfolge befassen?

Der wohl wichtigste Ratschlag, den ich abgebenden Unternehmerinnen und Unternehmern geben kann, ist sich frühzeitig mit dem Thema Nachfolge zu beschäftigen. Häufig dauert es bereits Monate bis Jahre, bis ein Altinhaber sich zur praktischen Nachfolgeplanung durchringen kann. Doch mit der Entscheidung fängt der eigentliche Prozess erst an und auch dieser dauert – je nach Situation – gerne noch einmal sechs bis 24 Monate. Genau deshalb empfehle ich jedem, der sein Unternehmen in den nächsten Jahren verkaufen möchte, frühestmöglich das Gespräch zu suchen. Nur so kann man unterschiedliche Optionen kennenlernen und sich über die eigenen Prioritäten klarwerden. Wir als Tradineo Team sind tagtäglich im Austausch mit Unternehmern. Und auch, wenn man nach diesem Gespräch nicht in eine Verhandlung startet – nach dem Austausch ist man immer schlauer als vorher.

Gibt es Neuigkeiten oder spannende Projekte, von denen Sie berichten möchten?

Tatsächlich haben wir gerade erst zwei tolle Unternehmen erworben. Die SILCA Import AG mit Sitz in Hamburg ist ein renommierter Importeur und Großhändler für spanische und portugiesische Feinkost, der auf eine 40-jährige Erfolgsgeschichte zurückblickt. Die CALPESA GmbH ist ein an die SILCA angeschlossener Lebensmitteleinzelhändler, der auch über Hamburgs Grenzen hinaus bei Privatpersonen und Spitzenköchen bekannt ist.

Ich bin stolz, dass die verkaufende Familie ihr unternehmerisches Lebenswerk in unsere Hände legt. Der langjährige Vorstand Carlos Salvador y Schüschke bleibt uns sogar erhalten und bildet gemeinsam mit unserem Nachfolge-Unternehmer Tim Wenzel das neue Führungsduo. Für mich persönlich ist diese Doppel-Transaktion deshalb besonders, weil die Lebensmittelbranche nicht nur ein spannender Markt ist, sondern auch mein persönlicher beruflicher Ursprung. Schließlich habe ich meine eigene unternehmerische Reise vor etwa 15 Jahren mit der Coffee-Bike GmbH, einer Franchisekette für mobile Kaffeebars, begonnen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Unternehmensnachfolge im Mittelstand in Deutschland?

Die Unternehmensnachfolge wird durch den demografischen Wandel ein immer relevanteres Thema für den deutschen Mittelstand. Um die Nachfolgelücke zu schließen und einem großflächigen Firmensterben vorzubeugen, müssen strukturelle Veränderungen umgesetzt werden.

Als Beteiligungsunternehmen möchten wir uns hier einbringen, indem wir den Nachfolgemarkt für eine bisher ausgeschlossene Gruppe an qualifizierten Nachfolgerinnen und Nachfolgern öffnen. Viele Nachfolge-Interessierte scheitern nicht am Interesse, sondern an den sehr hohen finanziellen und bürokratischen Hürden. Als Beteiligungsunternehmen möchten wir diese Eintrittshürden senken, indem wir als Nachfolgepartner nicht nur die steuerliche, rechtliche und organisatorische Umsetzung der Nachfolge übernehmen, sondern vor allem die Finanzierung sichern. So ermöglichen wir Nachfolgeinteressierten den Schritt ins Unternehmertum und bieten Altinhabern gleichzeitig die Chance auf eine langfristige und werteorientierte Nachfolge.

Ich bin mir sicher, dass wir so einen Teil zum Erhalt des Mittelstandes beitragen. Und genau dies motiviert auch mich persönlich tagtäglich aktiv an diesem Thema mitzuarbeiten.

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