Mehr als 500 Elektro-Stapler und Ameisen surren durch die Gänge. Kameras scannen jede Palette, jedes Paket. In den Hallen der Schwarz-Gruppe mit Standorten in Göppingen bei Stuttgart und Wilsdruff bei Dresden werden täglich mehrere tausend Lieferungen umgeschlagen. Würde der Strom ausfallen, stünde wie im Dornröschenschloss alles binnen Sekunden still. Seit dem Krieg in der Ukraine ist so ein Szenario nicht mehr undenkbar. Energieautarkie ist inzwischen in etlichen Unternehmen ein wichtiger Strategiepunkt.
Daher prüft die Schwarz-Gruppe, mit 800 Beschäftigten, die eigene Versorgungssicherheit. Prokurist Maximilian Schwarz hat hierfür ein Projekt angestoßen. Der schwäbische Mittelständler, zu dem ein energieintensiver Entsorgungsbetrieb gehört, will in großem Stil Photovoltaikanlagen installieren. „Wir wollen 35.000 m² Dachflächen mit Solarmodulen bestücken“, so Schwarz.
Solarkraftwerk deckt eigenen Strombedarf zu 75 %
Das neue Sonnenkraftwerk soll eine jährliche Leistung von 4,5 Millionen Kilowattstunden oder 4500 MWh erbringen. Damit könnte die Firmengruppe rechnerisch bis zu 75 % des eigenen Strombedarfs decken. Der liegt aktuell bei 6000 MWh. Wobei vor allem die energieintensive PET-Recycling-Anlage zu Buche schlägt. Die Spedition, die täglich 100 Fahrzeuge pro Standort bewegt, verbraucht davon ein Drittel. Die Recycler kommen mit 30 Fahrzeugen und besagter PET-Anlage auf 4000 MWh Jahresverbrauch.
Dabei ist die angestrebte Investition nicht die erste PV-Anlage. Bereits vor zwölf Jahren ließen die geschäftsführenden Gesellschafter Beate und Oliver Schwarz vier Hallendächer mit in Summe 4000 Modulen belegen, die jährlich eine Leistung von 800 MWh erzeugen. Nun soll das System verzehnfacht werden.
Jetzt dürfen Unternehmen ihren Solarstrom selbst verbrauchen
Neben der Energieautarkie hat die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) den Prozess in der Schwarzgruppe angestoßen. Denn ab 2024 dürfen Unternehmen ihren regenerativen Strom nicht nur erzeugen – sondern selbst verbrauchen. Gleichzeitig sinkt seit Jahren die Einspeisevergütung von vormals 25 Cent/kWh auf unter die Hälfte. „Der Gesetzgeber schafft damit endlich Anreize für Firmen selbst zum Stromproduzenten zu werden“, sagt Wolfgang Kempfle von der ESS Kempfle GmbH.
Der Unternehmer aus dem bayerischen Leipheim beschäftigt 200 Menschen und verbaut jährlich bis zu 1800 PV-Anlagen in ganz Süddeutschland. Überwiegend auf privaten Dächern, doch zunehmend auch auf Gewerbe- und Logistikhallen. Mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Energiebranche gehört er zu den Kennern des Marktes.
Einspeisebetrag für 20 Jahre fix
Prokurist Schwarz betont, dass die Firmengruppe das Solarprojekt als langfristige Investition sieht. Die Bundesnetzagentur garantiert dem Unternehmen für 20 Jahre einen fixen Einspeisebetrag, der bei neun Cent pro kWh liegt. „Das ermöglicht uns, die Amortisation auf zwanzig Jahre zu strecken“, verdeutlicht Maximilian Schwarz und betont, dass der Nachhaltigkeitsgedanke in der Gruppe vor allem eine wirtschaftliche Komponente hat – neben der ökologischen. „Wir denken in Generationen“, so Schwarz.
Förderlich für das Solarprojekt dürfte ferner sein, dass künftig die Speicherfrage leichter zu beantworten sein dürfte. Zwar sind Hallen- und Hofbeleuchtung in Göppingen und Wilsdruff auf LED umgerüstet, doch Logistiker Schwarz verbraucht vor allem nachts Licht. Da nützt eine PV-Anlage, die tagsüber Energie produziert, wenig für den Eigenverbrauch. „Das ändert sich jedoch aktuell“, verdeutlicht Solateur Kempfle. Denn Speicherhersteller bieten inzwischen Cloud-Lösungen.
Die Cloud speichert den erzeugten Solarstrom
Der ins Netz eingespeiste Strom wird dabei auf einem virtuellen Konto gutgeschrieben und kann bei Bedarf – also nachts – abgerufen werden. Dafür entfällt die Einspeisevergütung. „Das ist wie ein Bankkonto, auf das man einzahlt und abhebt“, veranschaulicht Kempfle. Der mit seiner Firma ESS Kempfle ein Fünf-Gigawatt-Solarkraftwerk konzipiert und dieses bis 2030 zwischen Stuttgart und München installiert haben will. Es soll aus mehr als 100 Solaranlagen bestehen, die auf Gewerbehallen, auf Dächern kommunaler Einrichtungen und Privathäusern installiert sind. Kempfle wird damit Teil eines bundesweiten Cloudmodells.
Das auch Maximilian Schwarz für eine gute Idee hält. Der Prokurist kann sich vorstellen, dass in seiner Firmengruppe am Ende ein individuell komponiertes Speicherkonzept greift. Bestehend aus Batterien, die vor Ort installiert und gespeist werden, und einer oder mehrerer Cloud-Varianten. Wie und in welchem Verhältnis, wird aktuell ermittelt.
Die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte kann kommen
Perspektivisch soll ebenfalls die Fahrzeugflotte einfließen, die sich in den kommenden Jahren mehr und mehr elektrifizieren wird. Wobei die Zahlen nach heutigem Technikstand beeindrucken – vor allem am oberen Ende der Skala: Ein E-Lkw mit 40 t Gewicht benötigt für eine Reichweite von 500 km jährlich 175 MWh Strom. Um diesen Energiehunger zu stillen, braucht es noch etliche Dachflächen, auf denen PV-Anlagen thronen. „Das Potenzial ist da“, weiß Kempfle: Aktuell sind rund 2,6 Millionen Sonnenkraftwerke in Deutschland installiert. Fast 14 Millionen Dächer sind noch „oben ohne“.