Seit seiner Einführung durch OpenAI am 30. November 2022 hat sich ChatGPT als Vorreiter der generativen KIs erfolgreich im Alltag und in der Arbeitswelt etabliert. Die generative KI wurde für das allgemeine Verständnis von Zusammenhängen in Bildern und Texten trainiert und kann auf diese Weise menschenähnlichen Text produzieren. Und die Performance des Sprachmodells hat sich seither sogar noch erheblich verbessert.
Generative KI: Gekommen, um zu bleiben
„Generative KIs sind gekommen, um zu bleiben“, bestätigt KI-Experte Prof. Dr. Marco Huber, Professor für kognitive Produktionssysteme an der Universität Stuttgart und zugleich Leiter des Zentrums für Cyber-Cognitive Intelligence (CCI) am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Die Einsatzfelder generativer KI in der Arbeitswelt sind aus seiner Sicht bereits allgegenwärtig. Im Marketing und Vertrieb kann sie beispielsweise zur Erstellung personalisierter Inhalte genutzt werden, in der Softwareentwicklung Programm-Codes schreiben sowie Jahresberichte verfassen und überprüfen.
Auch die Industrie macht mittlerweile Gebrauch von den Möglichkeiten, die generative KI bietet. In diesem Umfeld wird insbesondere das Potenzial der Bildverarbeitung für Qualitätssicherungsaufgaben genutzt. Im Rahmen des Projekts DT-GAN des Fraunhofer IPA und der Robert Bosch GmbH kommt die Technologie beispielsweise zur besseren Erkennung von Defekten in der industriellen Produktion zum Einsatz.
Denn damit ein Algorithmus Fehler an Bauteilen erkennen kann, muss er mit möglichst vielen Beispielfotos trainiert werden. Oft liegen hierfür jedoch nicht genügend Trainingsdaten vor, da Fehler in der Produktion (glücklicherweise) zu selten auftreten. Die generative KI bereichert einen Bilddatensatz für das Training eines KI-Modells mit synthetisch erzeugten Defektbildern, um die Klassifikationsleistung zu steigern und Defekte zuverlässiger zu erkennen. Auf diese Weise können Defekte identifiziert werden, für die nur begrenzte Trainingsdaten vorliegen, und der KI-Anwendung genügen wenige reale Defektbilder.
ChatGPT trifft vor allem gut bezahlte Jobs
In Zukunft werden insbesondere Büroangestellte, die „White-Collar“-Mitarbeiter, vermehrt mit generativer KI am Arbeitsplatz konfrontiert sein, ist Prof. Dr. Marco Huber überzeugt: „KI trifft vor allem gut bezahlte Jobs.“ So beeinflussen aktuell etwa 75 Prozent der generativen KI-Anwendungen vier Bereiche: Marketing und Vertrieb, Softwareentwicklung, Kundenservice sowie Forschung und Entwicklung. Besonders betroffen sind Tätigkeiten, die sich auf Datenanalyse, die Erstellung von Marketinginhalten oder die Erforschung von Kunden- und Wettbewerbsinformationen beziehen.
Dabei werde die KI aber klassische Bürojobs nicht ersetzen, sondern eher bestimmte Aufgaben unterstützen und Routinearbeiten erleichtern, betont Prof. Dr. Marco Huber: „KI verändert die Jobs, verdrängt sie aber nicht.“ Der Wandel führe zu einer Umgestaltung von Aufgaben und erfordere, dass Arbeitskräfte sich weiterbilden und ihre Fähigkeiten an die neuen Anforderungen anpassen. „Zudem kann Generative KI dazu beitragen, völlig neue Berufsbilder für die Arbeitnehmer der Zukunft schaffen.“
Konkret kann ChatGPT beispielsweise dazu beitragen, die Kommunikation effizienter zu gestalten. In der Kundenkommunikation kann Generative KI kann in Support-Chatbots integriert werden, um Kundenanfragen zügig und effizient zu beantworten, was die Kundenzufriedenheit verbessern kann.
KI wird zum Co-Piloten für Entscheider
Zudem können Mitarbeiter Chatbots verwenden, um schnell Informationen zu erhalten oder Aufgaben zu erledigen, ohne auf menschliche Reaktionen warten zu müssen. Ein gutes Beispiel ist für Prof. Marco Huber dabei der Robotik-Newcomer Fruitcore Robotics, der einen „AI Copilot“ für seine Roboter einsetzt. Das Personal kann mit dem Chatbot interagieren und um Hilfe bitten.
Besonders Führungskräfte nutzen generative KI bereits sehr intensiv: „KI wird zum Ko-Piloten für Entscheider“, betont Prof. Dr. Marco Huber. Laut Umfragen verwenden bereits 37 Prozent der Führungskräfte generative KI mindestens wöchentlich.
Die Integration von generativer KI in die White-Collar-Welt eröffnet zahlreiche Vorteile, geht jedoch gleichzeitig mit Herausforderungen wie ethischen und sicherheitsrelevanten Problemen einher. So kann die KI unbeabsichtigt Inhalte produzieren, die ethisch fragwürdig, inkonsistent oder faktisch falsch sind, denn die Technologie verfügt weder über ein Weltmodell noch über ein Verständnis für die erzeugten Inhalte. In diesem Zusammenhang wird oftmals das Bild des »stochastischen Papageis« herangezogen, der zwar in der Lage ist, menschlich wirkende Sprache zu erzeugen, aber den tatsächlichen Sinn nicht begreift.
Prof Marco Huber: „Die Kognition von KI-Modellen unterscheidet sich erheblich von der menschlichen, da sie nicht verkörpert ist. In diesem Sinne mangelt es großen Sprachmodellen bisher an Emergenz, da sie im Wesentlichen auf menschlichem Input basieren. Emergenz erfordert hingegen eine tiefgreifende Verarbeitung von Informationen, die über die Fähigkeiten aktueller Sprachmodelle hinausgeht. Weiterhin sind noch viele rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung generativer KI ungeklärt.“
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
https://www.ipa.fraunhofer.de/de/ueber_uns/Leitthemen/ki.html