Die Zahnradherstellung umfasst eine Vielzahl von Schritten, die von der Gestaltung der Makro- und Mikrogeometrie bis zur Qualitätskontrolle reichen. Die Leistung eines Zahnrads hängt von sämtlichen Schritten in diesem Prozess ab, angefangen bei der Konzeption bis hin zur Fertigung und Montage. Die Anforderungen an Zahnräder in der industriellen Getriebefertigung steigen stetig aufgrund von begrenztem Platz, steigendem Umweltbewusstsein und dem Streben nach Kosteneinsparungen.
Direkter Einfluss auf Geometrie
Im Kontext der Elektromobilität steigen insbesondere die Anforderungen an das Geräuschverhalten von Zahnrädern, bedingt durch den Wegfall des Verbrennungsmotors, was die Geräuschentwicklung des Getriebes verstärkt in den Fokus rückt. Da sämtliche Produktionsprozesse einen direkten Einfluss auf die Geometrie und Oberflächenbeschaffenheit der Zahnräder haben, eröffnet die Modellierung und Überwachung der Zahnradherstellungsprozesse ein erhebliches Potenzial zur Vermeidung von Ausschuss und Betriebsausfällen. Zusätzlich kann eine verbesserte Vorhersagbarkeit der resultierenden Verzahnungseigenschaften vor und während der Fertigung den Bedarf an kostspieligen und zeitaufwändigen Tests des Verzahnungsverhaltens reduzieren.
Probleme erkennen und vermeiden
Um eine frühzeitige Erkennung und Vermeidung von Qualitätsproblemen in Bezug auf die Tragfähigkeit und das Geräuschverhalten von Zahnrädern während des Herstellungsprozesses zu ermöglichen, kann das Konzept der datenbasierten Rückverfolgbarkeit eingesetzt werden. Bei diesem Konzept wird ein digitaler Zwilling des Werkstücks erstellt, der sich parallel zum physischen Bauteil entlang der gesamten Prozesskette entwickelt. Dieser digitale Zwilling umfasst hochmoderne Simulationsmodelle, die bereits in der Konstruktionsphase beginnen und sich über die gesamte Fertigungskette bis hin zum finalen Einsatzverhalten erstrecken. Zudem werden in den digitalen Zwilling auch physikalische Prozessdaten integriert, die während des Bearbeitungsprozesses von den Maschinensteuerungen und Messgeräten erfasst und in eine zentrale Datenbank eingebunden werden.
Adaptive Steuerung von Prozessen
Die Kombination von Echtzeit-Prozessdaten und simulierten Informationen bietet neue Möglichkeiten für die adaptive Steuerung von Fertigungsprozessen in Bezug auf die Bauteilfunktionalität und die Analyse von bisher nicht erfassten Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Zum Beispiel können der Standard-Fertigungsprozesszustand im digitalen Zwilling und der aktuelle Fertigungsprozesszustand, der durch gemessene Echtzeit-Prozessdaten repräsentiert wird, verglichen werden.
Korrektur im laufenden Prozess
Dadurch lassen sich unzulässige Prozessbedingungen identifizieren und während des laufenden Prozesses korrigieren. Sollte dennoch Ausschuss oder Ausfälle auftreten, trägt der digitale Zwilling dank seiner Ursache-Wirkungs-Beziehungen zur erfolgreichen Ursachenfindung bei. Dies ermöglicht die Vermeidung wiederholter Fehler und optimiert die Stabilität der Produktion. Insgesamt eröffnet die Kombination von Prozessdaten und simulierten Informationen durch den digitalen Zwilling somit effiziente Wege zur Verbesserung der Fertigungsqualität und -stabilität in der Zahnradproduktion.
Variable in der Produktion
Die Schaffung eines präzisen digitalen Zwillings für die Getriebeproduktion stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Eine der Hauptherausforderungen besteht in der Komplexität des Herstellungsprozesses, der aus zahlreichen Produktionsstufen besteht. Jede dieser Stufen kann unterschiedliche Einflüsse auf die spezifischen Eigenschaften des Getriebes haben. Darüber hinaus muss die Variabilität in der Produktion berücksichtigt werden, die durch Faktoren wie Temperaturschwankungen, Werkzeugabnutzung und Materialabweichungen entsteht.
Mängel frühzeitig erkennen
Eine umfassende Rückverfolgbarkeit verbessert die Voraussagefähigkeiten in der Produktion erheblich. Potenzielle Probleme können frühzeitig identifiziert und behoben werden, was nicht nur die Produktqualität steigert, sondern auch den Entscheidungsprozess in der Produktionsphase optimiert. Zusätzlich dazu bietet die datenbasierte Vorhersage des Verhaltens der Verzahnung erhebliche Vorteile während der Getriebemontage. Mängel in Bezug auf Geräuschentwicklung oder Tragfähigkeit können bereits vor dem End-Of-Line-Test erkannt werden, wodurch aufwendige Montage- und Demontagearbeiten reduziert werden können.
Digitaler Zwilling bietet Vorteile
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Einsatz eines digitalen Zwillings in der Zahnradfertigung erhebliche Vorteile bietet. Dies umfasst die Optimierung der Prozessauslegung, die Echtzeit-Bewertung von Werkstücken und die effektive Reduzierung von Ausschuss. Aktuelle Untersuchungen am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen, die sich auf die Modellierung und Digitalisierung von Fertigungsprozessen sowie das Betriebsverhalten von Zahnrädern konzentrieren, legen den Grundstein für die Entwicklung eines digitalen Zwillings in der Zahnradfertigung.
Forum on Gear Production
Insgesamt verdeutlicht die laufende Forschung und Entwicklung im Bereich des digitalen Zwillings und der datenbasierten Rückverfolgbarkeit, dass die Getriebeproduktion auf dem Weg zu einer präziseren, effizienteren und sichereren Fertigung ist. Diese Fortschritte haben nicht nur für die Automobil- und Luftfahrtindustrie erhebliche Bedeutung, sondern sind auch in vielen anderen Branchen relevant, in denen Getriebe eine Schlüsselkomponente darstellen. Die Zukunft der Getriebeproduktion wird durch Innovation und datenbasierte Ansätze geprägt sein, um den stetig steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Neue Erkenntnisse aus der Forschung zum digitalen Zwilling in der Getriebeproduktion und innovative neue Produkte und Prozesse innerhalb der Getriebefertigung werden auf dem kommenden Aachen Forum on Gear Production vom 9. bis 10. November 2023 in Aachen vorgestellt. (bt)