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Nachdem die Dekra im vergangenen Jahr erstmals in ihrer Geschichte die Umsatzschwelle von 4 Mrd. Euro überschritten hatte, geht das weltweit größte nicht-börsennotierte Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsunternehmen für 2024 von weiterem Wachstum aus. In den ersten zehn Monaten des Jahres liegt das Umsatzplus bei rund 5 %, das TIC-Kerngeschäft (Testing, Inspection, Certification) wächst um mehr als 7 %.
Kerngeschäft brummt trotz herausfordernden Umfelds
„Wir sind optimistisch, dass wir das Jahr 2024 mit einem Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Bereich abschließen können”, sagt Stan Zurkiewicz, CEO und Vorstandsvorsitzender von Dekra e.V. und Dekra SE, beim Jahresrückblick des Unternehmens am Hauptsitz in Stuttgart. Trotz sehr herausfordernder Umfeldbedingungen – beispielsweise die Rezession im Heimatmarkt Deutschland und der anhaltende Fachkräftemangel in ganz Europa – tragen alle Bereiche des TIC-Kerngeschäfts zu diesem Erfolg bei.
Lediglich der Bereich Zeitarbeit müsse angesichts der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage speziell in Deutschland Umsatzrückgänge hinnehmen. „In diesem Bereich spüren wir die aktuellen Konjunkturschwankungen und Schwierigkeiten in der europäischen Automobilindustrie“, erklärt Zurkiewicz.
Hohe Zuwächse verzeichnet der Konzern im laufenden Geschäftsjahr in Nord-, Süd- und Mittelamerika (rund 14 %), Nord-West-Europa (rund 9 %) und der Region Asien-Pazifik (rund 9 %). Im Heimatmarkt Deutschland liegt der Zuwachs im Kerngeschäft bei rund 7 %. Dazu tragen auch die neuen strategischen Geschäftsfelder rund um die Mobilität der Zukunft, Nachhaltigkeit, Cybersicherheit und Künstliche Intelligenz bei.
Konzern will auch im Jubiläumsjahr 2025 weiter wachsen
Im kommenden Sommer feiert die Dekra ihr 100-jähriges Bestehen. Im Hinblick auf dieses besondere Jubiläum geht das Unternehmen für das Jahr 2025 von einer Fortsetzung des Wachstumskurses aus – auch wenn die geopolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen volatil bleiben dürften. Angepeilt ist ein erneutes Umsatzplus im mittleren einstelligen Bereich.
Die Zuversicht gründet einerseits auf starken Marktpositionen in den angestammten Geschäftsfeldern, mit lokal fest verankerten und global vernetzten Standorten und mehr als 500.000 Kunden, sowie andererseits auf einem starken Service-Portfolio, ausgerichtet auf künftige Wachstumsfelder. In diesen konnte sich das Unternehmen in den vergangenen Jahren durch hohe Investitionen positionieren. Diesen Kurs will es auch in Zeiten der angespannten Weltwirtschaft halten.
Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe
Um die Wachstumsdynamik auch über das Jubiläumsjahr hinaus zu erhalten, erhöht die Dekra im laufenden Geschäftsjahr erneut die Investitionen. So steckt das Unternehmen einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag in das neue Batterietest- und Zertifizierungslabor in Klettwitz, Brandenburg, wo rund 40 weitere hochqualifizierte Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Im Juni 2024 wurde der Grundstein gelegt, die Eröffnung ist für 2025 geplant.
„In diesem hochmodernen Labor können wir Batteriesysteme für Elektrofahrzeuge sowie Hochvoltspeicher für andere Anwendungen von der frühen Entwicklungsphase über die Validierung bis zur Endabnahme und Zertifizierung testen“, erläutert der Dekra-CEO. Einen patentierten Batterietest, der eine sehr präzise Messung des Zustands gebrauchter Elektrofahrzeugbatterien in nur wenigen Minuten ermöglicht, bietet das Unternehmen bereits für mehr als 130 Elektroauto-Modelle an.
Ein weiteres Beispiel für die Zukunftsinvestitionen am Standort Deutschland ist ein neues WiFi-Testlabor, das in Stuttgart den Betrieb aufgenommen hat. Dort bietet die Expertenorganisation ihren Kunden vor allem aus der Automobilindustrie wichtige Services, um die Zuverlässigkeit, Interoperabilität und Sicherheit von WiFi-Komponenten zu prüfen.
Nachhaltigkeit: Wegbereiter für die Wasserstoff-Ökonomie
Ein weiteres Wachstumsfeld ist die sich abzeichnende Wasserstoffwirtschaft, die für das Erreichen der Klimaziele wichtig ist. Auch wenn die Entwicklung der grünen Wasserstoffwirtschaft langsamer voranschreitet als erwartet, sieht die Dekra dort enormes Potenzial. „Unsere Aufgabe ist es, den Hochlauf von Produktion und Anwendung sicher zu gestalten“, verdeutlicht Zurkiewicz.
Dabei nutzt die Prüforganisation ihre über Jahrzehnte gewonnenen Erfahrungen in bereits etablierten Anwendungsfällen, etwa in Raffinieren und bei chemischen Prozessen. Die Expertinnen und Experten kennen sowohl die Eigenschaften von Wasserstoff und die damit verbundenen Herausforderungen als auch Standards, Prozesse und Prüfungen für einen sicheren Umgang mit dem Gas. „Wir sind sehr gut aufgestellt, um für Sicherheit von Wasserstoff über dessen gesamte Prozesskette zu sorgen“, sagt Zurkiewicz. „Dadurch helfen wir mit, das Vertrauen für Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft zu stärken.“
Für die richtige Balance zwischen Innovation und Regulierung
In Zusammenhang mit neuen Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in der EU sieht Stan Zurkiewicz ein Ungleichgewicht zwischen bürokratischen Hürden und Marktmechanismen, das zu Wettbewerbsnachteilen für europäische Unternehmen führt: „Die Dekra stand schon immer für hohe Standards, und wird dafür auch immer stehen, wenn sie einem Zweck dienen: dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Menschen, der Sicherung von Innovationen und dem Aufbau von Vertrauen.“
Die derzeitige Zunahme von Regulierungen stelle jedoch eine Hürde dar, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland. Mit konkretem Bezug auf die neue Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) setzt sich der Konzern aktuell dafür ein, den deutschen Gesetzesentwurf nachzubessern und die Einbindung von sogenannten unabhängigen Anbietern von Prüfungsdienstleistungen (Independent Assurance Service Providers, IASP) sicherzustellen. „Unser Ziel ist es“, betont Zurkiewicz, „die Prüfung für kleine und mittlere Unternehmen zu vereinfachen und gleichzeitig einen hohen Qualitätsstandard beizubehalten.“
KI-Systeme sicher und verantwortungsvoll gestalten
Darüber hinaus sieht das Unternehmen zwei Jahre nach dem Start von ChatGPT Wirtschaft und Gesellschaft weiterhin vor der Herausforderung, KI-Systeme sicher und verantwortungsvoll gegenüber Menschen und Umwelt zu gestalten. „Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt dabei auf Qualitätsmanagementsystemen, Risikobewertungen sowie der Entwicklung von Testverfahren“, berichtet der Vorstandschef.
Die Dekra hat bereits erste KI-Dienstleistungen im Markt eingeführt. Bei der Prüfung von KI-Technologien und -Modellen setzt die Expertenorganisation sowohl auf bestehende Standards als auch auf eigene Methoden. So hat das Unternehmen ein führendes Unternehmen im Bereich KI und Fahrassistenzsysteme dabei unterstützt, die Qualität seiner Labeling-Prozesse abzusichern. Dabei geht es darum, große Datenmengen präzise zu kennzeichnen – etwa, ob eine Abbildung ein Auto, eine Person oder ein Verkehrsschild zeigt. Diese genauen Beschriftungen helfen der KI, Muster zu erkennen und zu lernen, wie sie in der Realität sicher und angemessen reagiert.
Zuverlässige Testszenarien im dynamischen Feld der Cybersicherheit
Auch das Geschäftsfeld Cybersicherheit hat der Konzern weiter ausgebaut. Die globale Präsenz in diesem Bereich umfasst inzwischen Standorte in Asien, Europa und Amerika. „Internationale Konzerne wenden sich an uns, um im dynamischen Feld der Cybersicherheit schnell zuverlässige Testszenarien zu definieren und praxisorientiert umzusetzen“, berichtet Zurkiewicz.
In Shanghai beispielsweise hat das Unternehmen unlängst das weltweit erste Zertifikat seiner Art (Radio Equipment Directive Delegated Act, RED/DA) für ein kommerzielles Notebook an Lenovo vergeben. Es verbessert die Cybersicherheit, den Schutz persönlicher Daten und der Privatsphäre von tragbaren IT-Geräten. (jpk)