„Computersysteme, die mit Menschen alltagstaugliche Dialoge führen können, sind nur die Vorläufer einer gigantischen Welle von Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz“, prognostiziert der Software-Experte Edward Lenssen, CEO der niederländischen Programmschmiede Beech IT.
Hintergrund: Das US-amerikanische Start-up OpenAI hatte seinen Chatbot ChatGPT (Generative Pre-Trained Transformer) über das Internet frei zugänglich gemacht und damit einen Hype ausgelöst. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Edward Lenssen, „das größte Potenzial der KI-Anwendungen liegt noch im Verborgenen – aber sicherlich nicht mehr lange.“
Demonstration des aktuellen Stands in der KI-Forschung
Der Software-Experte nennt ChatGPT einen Weckruf, weil die Software erstens ein bemerkenswert breites Spektrum an Fragen im Dialog beantworten könne und zweitens in zahlreichen Sprachen funktioniere, darunter auch Deutsch.
„Bei ChatGPT handelt es sich weniger um einen wissenschaftlichen Durchbruch als vielmehr um eine Demonstration des aktuellen Stands in der KI-Forschung“, ordnet Lenssen ein. „Das System zeigt öffentlich, was heutzutage möglich ist, wenn Deep Learning mit gewaltigen Rechnerressourcen und riesigen Datenmengen über das Wissen der Welt ausgestattet wird.“
Intelligente Auswertung immer größerer Datenberge
Laut einer aktuellen Expertenumfrage der Software-Entwicklungsfirma Beech IT sind 85 von 100 Fachleuten davon überzeugt, dass die intelligente Auswertung immer größerer Datenberge (Big Data) zu innovativen und lukrativen Geschäftsmodellen führen wird. Darunter werden sich zahlreiche disruptive Geschäftsmodelle befinden, die ganze Wirtschaftszweige auf den Kopf stellen, sind 47 % der Fachleute sicher.
„Wer in der Wirtschaft Verantwortung trägt, ist gut beraten, sich über mögliche Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf seine Branche im Klaren zu werden“, meint der Software-Experte.
„KI wird in vielen Branchen eine Implosion auslösen“
Das alte Sprichwort, dass nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird, gelte in Bezug auf Künstliche Intelligenz nicht. „Ganz im Gegenteil wird KI immer heißer werden und in vielen Branchen geradezu eine Implosion auslösen“, prognostiziert Lenssen.
Er gibt zu bedenken, dass Dialogsysteme wie ChatGPT schon heute in der Lage sind, die Kommunikation zwischen Firmen und Kunden weitgehend automatisiert zu übernehmen. Dank moderner Stimmerkennung und Sprachsynthese funktioniere die Mensch-Maschine-Schnittstelle auch am Telefon immer besser – 80 % der Deutschen nehmen am liebsten per Telefon Kontakt zu einem Kundenservice auf.
Nicht vom Einsatz der Systeme überraschen lassen
Der Einsatz von KI-Systemen wird nicht auf die Dialogführung begrenzt bleiben, gibt Edward Lenssen einen Ausblick auf die Zukunft. „Bei Banken und Versicherungen, im Gesundheitswesen, der Logistik, dem produzierenden Gewerbe, im Dienstleistungssektor, dem Öffentlichen Dienst und generell überall dort, wo Menschen vor Bildschirmen sitzen, wird sich Künstliche Intelligenz auf die eine oder andere Weise bemerkbar machen.“
Die Auswirkungen würden für die Unternehmen und Behörden selbst wie auch auf der Arbeitsplatzseite spürbar werden. Die derzeitigen Diskussionen über den Wert von KI-Kunst, nachdem 2022 ein KI-generiertes Bild als Sieger aus einem Kunstwettbewerb in den USA hervorgegangen war, stehen nach Einschätzung des Experten exemplarisch dafür, wie Branchen vom KI-Trend überrascht werden können.
In erster Linie eine Frage der Software
„Firmenchefs, die Künstliche Intelligenz als eine Entwicklung der fernen Zukunft ohne Bezug zu ihrem heutigen Geschäft einordnen, werden sich eines Besseren belehren lassen müssen“, sagt Lenssen und rät: „Es ist längst höchste Zeit, Know-how über Künstliche Intelligenz ins Unternehmen zu holen.“
Dabei sei der KI-Einsatz auf mehreren Ebenen zu berücksichtigen, stellt der Experte klar. Es gehe um die Weiterentwicklung des eigenen Angebots, den Wettbewerb auch durch branchenfremde Quereinsteiger und nicht zuletzt den Aufbau von Programmierkapazitäten. „Am Ende“, fasst Edward Lenssen zusammen, „ist Künstliche Intelligenz in erster Linie eine Frage der Software.“ (jk)