Ein Projekt des Fraunhofer IWU mit der Mitras Composites Systems GmbH führt Mensch und Technik in teilautomatisierten (hybriden) Montageszenarien zum Bau von Fahrradgaragen zusammen. Das Ziel: robuste, wirtschaftlich nachhaltige und menschzentrierte Prozesse. Basis war eine umfassende Bedarfs- und Anforderungsanalyse gemeinsam mit den Mitarbeitenden.
Hybride Montageszenarien
In dem Projekt zeigte sich nach einer ersten Anforderungsanalyse, dass bisher rein händisch ausgeführte Montagetätigkeiten durch eine hybride Automatisierungslösung abgelöst werden sollten, um die Produktivität zu erhöhen und Mitarbeitende von körperlich anspruchsvollen Aufgaben zu entlasten. So kann menschliche Arbeitskraft außerdem für wertschöpfendere Tätigkeiten eingesetzt werden. In hybriden Szenarien wirken nun Mensch und Technik zusammen, um eine Abfolge von Arbeitsaufgaben gemeinsam zu bewältigen. Beispielsweise können nun Mitarbeitende unabhängig von Alter und Geschlecht für die Montageaufgaben eingesetzt werden – dank der Automatisierung schwerer Hebe- und Handlingstätigkeiten.
Was ist sinnvoll automatisierbar?
Wenn bisher manuell ausgeführte Tätigkeiten in eine Teilautomatisierung überführt werden, z. B. unter Zuhilfenahme eines Roboters, gilt es einiges zu beachten, damit die Lösung als menschzentriert gelten darf. Dr. Isabel Kreißig, Projektleiterin am Fraunhofer IWU, betont: „Bestandteil unserer Arbeit war die Durchführung einer kognitiven Aufgabenanalyse, bei der wir den Montageprozess beobachtet und Gespräche mit Mitarbeitenden aus verschiedenen beteiligten Bereichen geführt haben. Auf diese Weise stellen wir Mitarbeitende, die später mit der Automation arbeiten werden, in den Mittelpunkt unserer Arbeit. Es hilft uns, Anforderungen an Automationslösungen zu verstehen und Potenziale direkt am jeweiligen Prozess zu identifizieren.“ Stefan Ott, Geschäftsführer der Mitras Composites Systems GmbH, bestätigt den Mehrwert einer maßgeschneiderten Lösung aus Auftraggebersicht: „Oft gibt es am Markt noch keine ganz passgenaue Lösung zu kaufen, deshalb war es für uns hilfreich, mit dem Fraunhofer IWU zusammenzuarbeiten. Mit den Ergebnissen konnten wir beurteilen, was sinnvoll automatisierbar wäre und welche Effekte es – auch für die Montagearbeiter – hätte, mit einer hybriden Lösung zu arbeiten.“
Neubewertung digitaler Lösungen
Arbeitsgrundlage in diesem Projekt ist ein Ansatz, für den sich gerade der Begriff Industrie 5.0 etabliert. Dahinter verbirgt sich nichts weniger als eine Neubewertung digitaler und (teil-)automatisierter Lösungen – der Einsicht folgend, dass ein allein technologiegetriebener Umbau von Produktionssystemen für die erhofften Effizienzgewinne gerade bei kleineren Stückzahlen meist nicht ausreicht und die industrielle Fertigung nicht hinreichend für differenzierte Produktpaletten und häufige Nachfrageschwankungen vorbereitet. Industrie 5.0 setzt konsequent auf den Erfolgsfaktor Mensch: Mitarbeitende, die ihre Fähigkeiten und Erfahrungen in die Gestaltung der Prozesse einbringen und gerade Automatisierungslösungen so mitgestalten können, dass diese eine deutliche Erleichterung in der konkreten Aufgabenstellung bedeuten, arbeiten wesentlich produktiver.
Menschzentrierte Vorgehensweise
Unabhängig davon, für welche Automatisierungsvarianten sich Unternehmen letztlich entscheiden, eröffnen menschzentrierte Vorgehensweisen viele neue Perspektiven. Durch die strukturierte Erhebung von Wissen und Fertigkeiten wird Know-how formalisiert und im Sinne eines nachhaltigen Wissensmanagements gesichert. Teile des Wissens sind dann digitalisierbar und können z. B. helfen, neue Mitarbeitende schneller einzuarbeiten und durch Assistenz- und Werkerführungssysteme passgenau zu unterstützen. Das Fraunhofer IWU forscht jedoch nicht nur an manuellen Tätigkeiten, wie sie insbesondere in der Montage relevant sind. Es nimmt auch andere kognitive Fähigkeiten des Menschen in den Blick. Hierzu gehören z. B. Entscheidungs- und Problemlöseprozesse, die bei vorbeugender Instandhaltung, Qualitätssicherung und Fehlerdiagnose von Bedeutung sind. „Für unsere menschzentrierte Forschung und Entwicklung ist der enge Kontakt zu Unternehmen und Kunden sehr wichtig“, sagt Franziska Bocklisch, „denn nur gemeinsam können Bedarfe und Anforderungen identifiziert, unter Berücksichtigung des Menschen Lösungsoptionen für dessen Leistungsunterstützung erarbeitet und mögliche Folgen abgeschätzt werden.“ Hier unterscheidet sich die Denk- und Herangehensweise auch etwas von der klassischen Automatisierungssicht: Denn nicht nur der Automatisierungsgrad entscheidet, wie effizient die Produktion ist, sondern auch die zielgerichtete Nutzung von menschlichem Wissen und Fertigkeiten und die gute Integration in leistungsfähige Mensch-Technik-Systeme werden immer wichtiger für eine nachhaltige, gegenüber Störungen von außen robustere (resiliente) und wirtschaftliche Produktion. (bt)