Mit den nun im vierten Jahr vergebenen „ThinKing“-Awards eröffnet sich ein „Panoptikum“ der Möglichkeiten durch modernen Leichtbau. Das sagte Dr. Wolfgang Seeliger, Geschäftsführer der Landesagentur Leichtbau BW GmbH, anlässlich der Vergabe der inzwischen renommierten Sieger-Preise in Stuttgart. Und er meinte es keinesfalls negativ: Was von außen wie eine Kuriositätensammlung aussieht, verdeutlicht die Vielfalt, mit der kreativer Leichtbau zu Lösungen findet – dafür liefern die ThinKings jeden Monat ein neues Beispiel.
Am 7. Juli ging es um die Sieger von 2021, die eine unabhängige Jury aus jenen zwölf Leichtbau-Innovationen des Jahres auswählte, welche die Landesagentur zuvor Monat für Monat analysierte und dokumentierte. Doch „alle ThinKings tragen dazu bei, die Position Baden-Württembergs als Spitzenstandort des Leichtbaus zu stärken,“ betonte Seeliger. „Zudem leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz.“
Community Award: Faserverbunde leicht reparieren
Wie sehr die Leichtbauer im Netzwerk inzwischen die übergeordneten Klimaziele verinnerlicht haben, verdeutlicht der parallel vergebene „Community Award“, den die Unternehmen durch ein Online-Votum im Vorfeld selbst bestimmten. Für 2021 geht er an die Msquare GmbH aus Stuttgart für die Induktionsmatte „FlexIn Heat“. Das Tool ermöglicht das einfache und mittels App zielgenaue und zugleich mobile Reparieren von Bauteilen aus Faserverbundkunststoffen wie etwa Windkraftrotoren.
Diese Innovation produziert selbst keinen Leichtbau, sondern ermöglicht es, leichtgebaute Carbon-Systeme möglichst lange im Betrieb zu halten – und so deren eigenen CO2-Fußabdruck zu senken. „Es genügt nicht mehr, allein leicht zu bauen“, kommentierte Thomas Siebel die Wahl der Community, Jury-Mitglied vonseiten der Fachpresse in diesem Jahr (Springer Fachmedien). „Künftig müssen sich die Technologien auch darin bewähren, die Ressourcen zu schonen“ – und diese Kriterien gaben offensichtlich den Ausschlag für die Community .
Platz 1: Carbonbeton statt Stahlbeton
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass Platz 1 des ThinKing-Awards 2021 dem Bauwesen gilt – schon der schieren Materialmengen wegen, die dort bewegt werden. Er geht an die Solidian GmbH für ihre Carbon-Bewehrung „Solidian Grid“, die einen schlanken Betonbau ermöglicht. Mit den Carbongittern als Bewehrung müssen beispielsweise Betonplatten statt 8 cm nur noch 3 cm dick sein und werden viel leichter. 50 % bis 80 % an Ressourcen wie Zement, Sand und Wasser sollen sich auf diese Weise einsparen lassen. Carbonbeton punktet außerdem mit seinen guten Eigenschaften als korrosionsfreies und langlebiges Material.
Den Einwand, Carbon selbst sei nicht gerade ein nachhaltiges Material, kontert Solidian-Chef Dr. Christian Kulas so: „Mit Solidian Grid können wir sehr viel Beton einsparen und damit minimieren wir die CO2-Schleuder Zement.“ Und natürlich soll die Entwicklung in Richtung nachhaltiger Carbonfaser weitergehen, setzte er noch nach.
Platz 2: Wie Wasserstoff sicher wird
Der 2. Platz geht ebenfalls an kein Leichtbauprodukt sondern einen „Enabler“ von Leichtbau: Ihn erringt die Materialprüfungsanstalt (MPA) der Universität Stuttgart für einen Kraftmesssensor, der das Prüfen von Maschinen- oder Anlagenkomponenten für Wasserstoff präziser macht. Anwendungen sind zum Beispiel künftige Brennstoffzellenautos.
Beim Prüfen von Teilen in Wasserstoffumgebung im Autoklaven verhinderte bisher die Abdichtung des Sensors gegenüber der Wasserstoffatmosphäre genaue Ergebnisse. Um dieses Problem zu lösen, hat die MPA ein inzwischen patentiertes Lastgestänge konstruiert, das die Sensorelemente im Inneren aufnimmt – und so viel exaktere Ergebnisse liefert.
Entsprechend müssen die Komponenten weniger überdimensioniert werden. Dr. Martin Werz, MPA, schätzt das Leichtbaupotenzial „auf mittelbar etwa sieben Prozent“ durch den Kraftsensor.
Ein Tool für Wasserstoff als Energieträger
Die Auswirkungen könnten über den Leichtbau hinaus jedoch noch viel größer werden: Wasserstoff schlüpft zusehends in die Rolle eines Energieträgers. Da das kleine Atom aber gerne in jegliches Material eindiffundiert, kann es dort Schädigungen hervorrufen. Alle Armaturen und Anlagenkomponenten, die mit dem Gas beaufschlagt werden, müssen also geprüft werden – das gilt zum Beispiel auch für bisher ausschließlich mit Erdgas betriebene Komponenten, die nun mit Wasserstoff in Berührung kommen sollen.
Eine Prüfmöglichkeit mit präziserem Ergebnis und besserer Handhabbarkeit als bisher wäre ein Riesenvorteil. Entsprechend hat die Industrie bereits Interesse angemeldet. Dr. Werz: „Wir haben heute tatsächlich auch Firmenvertreter mit dabei, die diese Technologie kommerzialisieren wollen.“
Platz 3: Leichtbau-Spannfutter mit Köpfchen
Auf das Treppchen des ThinKing-Awards 2021 schaffte es auch die Hainbuch GmbH. Ihr Leichtbau-Spannfutter Torok CFK IQ sicherte den dritten Platz. Das CFK-Spannfutter bringt 70 % weniger Gewicht auf die Waage als eine vergleichbare Stahlausführung und ist mit integrierter Sensorik ausgestattet. Beides zusammen eröffnet viele Vorteile.
Unter anderem ermöglicht der Leichtbau eine schnellere Beschleunigung und Verzögerung des Werkstücks, wodurch sich die Bearbeitungszyklen deutlich verkürzen. Die Sensorik überwacht die Spannkraft. Zudem kann sie beispielsweise deformationsempfindliche Bauteile erkennen und besonders feinfühlig spannen.
Spannmittel gelingt Einstieg in Digitalisierung
Für Hainbuch ist damit der Einstieg in Industrie 4.0, Digitalisierung und IoT in der Spanntechnik geschafft. Die Auswertung der Daten stelle einen wichtigen Baustein bereit für eine künftige Predictive-Maintenance-Strategie in der Produktion.
Mehr Infos und Videos zu den ThinKings 2021:
www.leichtbau-bw.de/thinking-award.html