Der Automobilzulieferer Schaeffler baut massiv Stellen ab: In Europa will die Konzernleitung rund 4.700 Stellen streichen, davon etwa 2.800 in Deutschland. Die Strukturmaßnahmen sollen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Standorte stärken. Die Umsatzzahlen zeigen derweil: „Schaeffler ist im Jahr 2024 wirtschaftlich weiter auf Kurs„. Damit gehört Schaeffler zu dem Viertel der Automobilzulieferer, für die das Jahr 2024 wie erwartet gut verlief – so eine aktuellen Studie des VDA. Warum also der Stellenabbau?
Evelin Eitelmann, Redakteurin, Konradin Industrie
Klaus Rosenfeld, Vorsitzender des Vorstands der Schaeffler AG, nennt drei Ziele, die mit dem Stellenabbau realisiert werden sollen:
- Das Lager- und und Industriegeschäft soll zurück auf Kurs gebracht werden.
- Die Realisierung von Kostensynergien aus der Fusion mit Vitesco Technologies.
- Die Transformation der Sparten Powertrain & Chassis und E-Mobility soll weiter fortgesetzt werden.
„Das Programm ist in der aktuellen Umfeldlage notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schaeffler Gruppe langfristig zu sichern“, so Rosenfeld. Einige Maßnahmen wurden allerdings schon umgesetzt:
In der Sparte Bearings & Industrial Solutions wurden bereits in den vergangenen Monaten Maßnahmen ergriffen, um dem anhaltenden Nachfragerückgang zu begegnen. Neben dem Abbau der Gleitzeitkonten, Kurzarbeit und der Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit in einigen Bereichen wurden unter anderem Maßnahmen zur Verkaufsförderung und zur Reduzierung externer Service- und Instandhaltungskosten initiiert und intensiviert. Dieser Maßnahmenmix sei mit Blick auf die anhaltend schwierige Marktsituation nicht mehr ausreichend, heißt es von Schaeffler.
Schaeffler und Vitesco haben im Zuge der Integration eine Größenordnung von 600 Millionen Euro p.a. an Synergien vereinbart, die im Jahr 2029 vor allem durch Wachstum sowie Skaleneffekte im Einkauf erreicht werden sollen. Ein nachgeordneter Teil der Synergien soll wie bereits angekündigt auch durch Personalabbaumaßnamen realisiert werden.
In der Sparte Powertrain & Chassis macht die kontinuierlich voranschreitende Transformation weitere Anpassungen notwendig, die sowohl bei Schaeffler als auch bei Vitesco in den vergangenen Jahren definiert wurden.
Umsatzzahlen 2024 der Schaeffler Gruppe
Für die verbleibenden nicht-betroffenen Standorte dürfte der Blick auf die Umsatzzahlen von Schaeffler eine Beruhigung darstellen. Klaus Rosenfeld: „Die Schaeffler Gruppe hat sich in den ersten neun Monaten im Jahr 2024 gut behauptet und in herausfordernden Zeiten das Umsatzniveau aus dem Vorjahr gehalten.
- Die Sparte Automotive Technologies erreicht bei der E-Mobilität einen Auftragseingang von 4,4 Milliarden Euro.
- Die Sparte Vehicle Lifetime Solutions hat das hervorragende Ergebnis des Vorjahreszeitraums nochmals übertroffen.
- Der Umsatz- und Ergebnisrückgang bei Bearings & Industrial Solutions konnte in Teilen kompensiert werden.“
„Angesichts des herausfordernden Umfelds“, so Rosenfeld weiter, „ist das Ergebnis im dritten Quartal 2024 akzeptabel. Dies gilt umso mehr als wir die Übernahme von Vitesco planmäßig zum 1. Oktober abgeschlossen haben.“
Automobilzulieferer: Lage bleibt angespannt
Insgesamt blickt der automobile Mittelstand pessimistisch auf die aktuelle Lage und das nächste Jahr. Laut einer am 05.11.2024 veröffentlichten Umfrage des Verbands der Automobilindustrie (VDA) bleibt für jedes zweite Unternehmen des automobilen Mittelstands in Deutschland der bisherige wirtschaftliche Jahresverlauf hinter den Erwartungen zurück. Weitere 19 Prozent sehen ihre ohnehin schlechten Erwartungen bestätigt. Lediglich 5 Prozent der Unternehmen konnten ihre Erwartungen übertreffen, für ein Viertel der Unternehmen lief es wie erwartet gut.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller: „Die Zulieferindustrie und insbesondere die zahlreichen mittelständischen Unternehmen sind ein zentraler Faktor für eine erfolgreiche Transformation der deutschen Automobilindustrie. Doch die schwache Nachfrage in Kombination mit den Standortbedingungen wird gerade für die Unternehmen des industriellen Mittelstands zunehmend toxisch.“
Mit dem Stellenabbau steht Schaeffler nicht alleine da: Mehr als jedes zweite befragte Unternehmen (54 Prozent) gab an, aktuell Beschäftigung in Deutschland abzubauen. 14 Prozent bauen Beschäftigung auf, in 32 Prozent bleiben die Beschäftigungszahlen konstant.
Effizienzsteigerungsprogramme planen 69 Prozent der Unternehmen als Reaktion auf die aktuelle konjunkturelle Situation und die mittelfristige Absatzerwartung. 59 Prozent setzen auf Umstrukturierungsmaßnahmen, 29 Prozent streben eine Diversifizierung in andere Branchen an.
Schaeffler hängt am Standort Deutschland
Gerade was den Standort Deutschland angeht, betont der Vorstands-Vorsitzende Rosenfeld: „Unser Bekenntnis zum Standort Deutschland steht. Wir werden im Interesse unserer Kunden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in Deutschland und Europa weiterhin in Zukunftsfelder und -technologien investieren.“
Für die Umsetzung der Maßnahmen gilt in Deutschland weiter wie bisher die 2018 mit der IG Metall abgeschlossene Zukunftsvereinbarung. Der Abbau von Stellen soll im Wesentlichen über Fluktuation, Freiwilligenprogramme sowie Aufhebungs- und Altersteilzeitverträge erreicht werden. „Wir befinden uns im engen Austausch mit unseren Arbeitnehmervertretern. Unser gemeinsames Verständnis ist, dass die Maßnahmen auf Basis der Zukunftsvereinbarung fair und sozialverträglich umgesetzt werden. Zudem werden wir vor allem auch an unseren Heimatstandorten in Deutschland weiter in Qualifizierung und Ausbildung investieren“, sagte Dr. Astrid Fontaine, Vorständin Personal und Arbeitsdirektorin der Schaeffler AG.
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