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Schwingung erleichtert Abtrag

Superfinishen: Ultraschall verbessert Produktivität beim Bearbeiten zylindrischer Präzisionsteile
Schwingung erleichtert Abtrag

Im Rahmen eines Forschungsprojekts haben Wissenschaftler das konventionelle Superfinishen zum ultraschall-überlagerten Hybridprozess weiter entwickelt. Das Ergebnis sind deutlich höhere Abtragsraten und ein reduzierter Werkzeugverschleiß.

Der steigende Bedarf an definierten Strukturen, feineren Oberflächen und wettbewerbsfähigen Fertigungsprozessen erfordert auch die Weiterentwicklung des Superfinishings. Um den Prozess kostengünstiger zu gestalten, wurde er im Rahmen des InnoNet-Forschungsprojekts „SonicFinish“ mit einer Ultraschallschwingung überlagert und so zum Hybridprozess erweitert. Das Ergebnis sind bis zu 70 % höhere Abtragsraten, ein reduzierter Werkzeugverschleiß und die Möglichkeit, neuartige Oberflächenstrukturen zu erzeugen.

Das Projektkonsortium bestand aus dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) in Aachen, dem Kompetenzzentrum für Schleiftechnologie und Feinstbearbeitung KSF in Villingen-Schwennigen, potenziellen Endanwendern sowie Maschinen-, Werkzeug- und Software-Herstellern. Die Projektpartner entwickelten eine kompakte, adaptive Systemeinheit, die erstmals das Ultraschall-Superfinishing von Präzisionskomponenten erlaubt. Das Ziel dabei war, beim Bearbeiten zylindrischer Präzisionsbauteile durch die zusätzlich eingebrachte Schwingungsenergie höhere Abtragsraten bei niedrigerem Werkzeugverschleiß zu erreichen.
Bei ultraschallunterstützten Bearbeitungsprozessen stehen die Auswirkungen der Schwingungen auf die Kontaktvorgänge im Vordergrund des Interesses. Die hochfrequente Longitudinalschwingung des Werkzeugs verändert Reibvorgänge und verursacht hochfrequente Mikrostoßvorgänge zwischen dem Werkzeug und der Werkstückoberfläche. Beim ultraschallunterstützten Superfinishprozess wird der konventionellen Kinematik eine hochfrequente Longitudinalschwingung des Werkzeugs mit einer Frequenz von etwa 20 kHz und einem Hub von 22 bis 32 µm in radialer Richtung zum Werkstück überlagert. Bei harten Materialien kommt es durch die hochfrequente Schwingung zur Bildung von Mikrorissen an der Werkstückoberfläche, die den Materialabtrag erleichtern. Der Abtrag kann mit Bandwerkzeugen parameter- und werkstoffabhängig um bis zu 70 % erhöht werden. Darüber hinaus wird bei der Bearbeitung von (Hart-) Metallen eine optimierte Oberflächenstruktur für Notlaufeigenschaften erzeugt. Weiterhin stellen sich günstige tribologische Bedingungen ein, und die Zu- und Abfuhr des Kühlschmierstoffs wird verbessert.
Das klassische Superfinishing kommt als Endbearbeitungsverfahren für zylindrische Präzisionsbauteile in der Automobilindustrie und in der Medizintechnik zum Einsatz. Es zählt zu den spanenden Verfahren mit geometrisch unbestimmter Schneide und wird auch Kurzhubhonen genannt. Der Abtrag erfolgt mit abrasiven Stein- und Bandwerkzeugen. Fürs Bearbeiten zylindrischer Werkstücke wird bislang üblicherweise als Werkzeug ein abrasives Band eingesetzt, das mittels passgenauer Schalen unterschiedlicher Härte auf die zu bearbeitende Werkstückoberfläche gepresst wird. Plane oder sphärische Flächen, Kugeln, Walzkörper sowie Außen- und Innenringe von Lagern werden dagegen mit Steinen oder Topfscheiben bearbeitet.
Das auf die Oberfläche des rotierenden Werkstücks gepresste Werkzeug führt dann eine tangentiale, niederfrequente Oszillationsbewegung aus. Eine Besonderheit des Verfahrens ist, dass durch sich überlagernde Bewegungen von Werkzeug und Werkstück ein Kreuzschliffmuster entsteht. Mit dessen Hilfe lassen sich zum einen besonders ebene oder sphärisch exakte Oberflächen schaffen, zum anderen hervorragende tribologische Eigenschaften erzielen.
Neben der industriellen Endbearbeitung einer Vielzahl von Bauteilen in der Medizintechnik wird das Superfinishing insbesondere in der Automobilindustrie eingesetzt. Bauteile, die supergefinisht werden, sind beispielsweise Kurbelwellen, Nockenwellen, Kolbenbolzen, Kipphebelwellen, Ausgleichswellen und Dichtflächen des Einspritzsystems, die Lagerstellen von Getriebewellen, sowie Stirn- und Sonnenräder.
Obwohl das Superfinishing in seiner bisherigen Form breite Anwendung findet und etabliert ist, hat es einige Nachteile. In wissenschaftlichen Untersuchungen isolierten die Forscher des IPT und des KSF folgende Hauptprobleme:
  • die sehr kleinen Abtragsraten,
  • den hohen Werkzeugverschleiß,
  • den meist zusätzlich erforderlichen Bearbeitungsschritt vor dem Superfinishen, um das abzutragende Aufmaß auf maximal 5 µm zu reduzieren,
  • die fehlenden Druckeigenspannungen an der Werkstückoberfläche nach dem Prozess,
  • das schnelle Zusetzen des Superfinish-Steines,
  • die begrenzte oder nicht gegebene Möglichkeit, neue Oberflächenstrukturen zu erzeugen und
  • die Schwierigkeiten beim Superfinishen von sprödharten Werkstoffen.
Diese Schwächen zu eliminieren war das Ziel der SonicFinish-Partner und führte zum Hybridprozess. Im Rahmen des Projekts konstruierten und bauten die Partner den Prototyp eines Ultraschall-Superfinishmoduls. In der Werkzeugeinheit ist das hochfrequente Ultraschallsystem integriert. Diese Einheit wird zur niederfrequenten Oszillationen axial zum rotierenden Werkstück über eine Exzentereinheit erregt. Die Ausgleichseinheit gleicht die schwingende Masse der Werkzeugeinheit aus. Das Ultraschallsystem besteht aus einem piezoaktorischem Schallwandler, der über den umgekehrten piezoelektrischen Effekt elektrische Wechselspannung in mechanische Schwingungen in Ultraschallfrequenz umwandelt. Diese Schwingung wird auf eine Ultraschallsonotrode übertragen, die das Superfinishwerkzeug hält. Das prototypische Modul wurde in eine Superfinish-Werkzeugmaschine integriert. Die Projektergebnisse, die durch das interdisziplinäre Team erarbeitet wurden, sollen die Wettbewerbssituation der Maschinen-, Werkzeug- und Software-Hersteller in Deutschland verbessern.
  • Prof. Dr.-Ing. Christian Brecher Mitglied der Direktorien des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen und des Fraunhofer-IPT, Aachen
  • Dipl.-Ing. Sophia Hannig Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Abteilung Präzisions- und Sondermaschinen am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT), Aachen
  • Prof. Dr.-Ing. Taghi Tawakoli Institutsleiter KSF-Kompetenzzentrum für Schleiftechnologie und Feinstbearbeitung, Villingen-Schwenningen
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