Die Einführung von ChatGPT jährt sich. Mindestens dreiviertel der Bundesbürger hat schon einmal davon gehört oder darüber gelesen. Gut jeder dritte Bundesbürger hat bereits ChatGPT genutzt. Das sind die Ergebnisse zweier Umfragen, die der TÜV-Verband und der Bitkom getrennt voneinander geführt haben. Künstliche Intelligenz ist im Alltag und im Berufsleben vieler Menschen angekommen. Das macht Sorge, birgt aber auch Chancen, wie drei Redakteure von Konradin Industrie aus ihren eigenen Erfahrungen berichten.
Inhaltsverzeichnis
1. TÜV-Verband: Die Hälfte nutzt generative Künstliche Intelligenz für Unterhaltung
2. Generative Künstliche Intelligenz: Mehrwert für das berufliche und private Leben
3. TÜV-Verband: Künstliche Intelligenz im Job
4. Verantwortung für die ethische Entwicklung und den sicheren Einsatz von KI
5. Bitkom: 34% können sich vorstellen, ChatGPT künftig einzusetzen
6. 17 % nutzen generative KI ohne Wissen des Arbeitgebers
7. Bitkom: Generative KI macht Älteren Angst
8. Erfahrungen der Redakteure von Konradin Industrie
Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa hat für den TÜV-Verband 1008 Personen ab 16 Jahren zu ChatGPT befragt, darunter 649 Erwerbstätige. Die Umfrage wurde im Oktober 2023 durchgeführt.
Laut Umfrage haben 85 % der Befragten schon einmal von ChatGPT gehört oder darüber gelesen. Gut jeder dritte Bundesbürger hat bereits ChatGPT genutzt (37 Prozent).
„ChatGPT und andere KI-Anwendungen entwickeln sich zu wichtigen Werkzeugen für das berufliche und private Leben der Nutzer.“ – Dr. Joachim Bühler, TÜV-Verband
TÜV-Verband: Die Hälfte nutzt generative KI für Unterhaltung
Auf die Frage: Für welche konkreten Zwecke haben Sie Anwendungen von generativer Künstlicher Intelligenz oder Programme, in die generative Künstliche Intelligenz integriert ist, bereits genutzt? antworteten:
- Unterhaltungszwecke (52 %),
- Recherchen (44 %),
- die Erstellung von Texten (40 %) oder
- die Generierung und Bearbeitung von Fotos oder Videos (26 %).
Fast ein Viertel nutzt ChatGPT für die Lösung verschiedenster Probleme (23 %) und 12 % programmieren damit.
Generative KI: Mehrwert für das berufliche und private Leben
So gäbe es auch Vorbehalte und Sorgen rund um den Einsatz von KI.
- Gut die Hälfte der Befragten hat kein Vertrauen in die Ergebnisse generativer KI-Anwendungen (56 %).
- Und eine überwältigende Mehrheit von 83 % ist der Meinung, dass es gesetzliche Vorgaben für den sicheren Einsatz Künstlicher Intelligenz geben sollte.
„Nach der EU hat sich jetzt auch die US-Regierung zu einem Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz bekannt“, sagte TÜV-Verband-Geschäftsführer Bühler. „Die Verhandlungen für den europäischen AI Act sind auf der Zielgeraden und müssen jetzt zu einem erfolgreichen Ende geführt werden.“
TÜV-Verband: Künstliche Intelligenz im Job
Laut den Ergebnissen der Umfrage erwartet eine breite Mehrheit, dass sich die Technologie positiv auf ihr Leben auswirken wird.
- Aus Sicht von 55 % hat KI das Potenzial, die Befragten in ihrem privaten Leben zu unterstützen.
- Bei 58 % gilt das auch für den eigenen Beruf.
- Fast die Hälfte der Erwerbstätigen erwartet, dass Künstliche Intelligenz in fünf Jahren eine große oder sehr große Rolle für ihre berufliche Tätigkeit spielen wird.
„Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben“, sagte Bühler. „Ein Jahr ChatGPT hat gezeigt, dass KI direkte oder auch indirekte Auswirkungen auf das Arbeitsleben sehr vieler Berufstätiger haben wird.“
- Fast jeder dritte Erwerbstätige befürchtet, beruflich abgehängt zu werden, wenn sie die Technologie nicht beherrschen (31 %).
- Und fast zwei Drittel der Befragten hält eine Weiterbildung zu Künstlicher Intelligenz für ihre berufliche Tätigkeit für sinnvoll (63 %).
„Unsicherheit besteht noch darüber, inwieweit KI-Systeme eine echte Gefahr für den eigenen Arbeitsplatz sind oder diesen wie Computer, Internet oder Smartphone schrittweise verändern werden“, sagte Bühler.
- Gut die Hälfte der Erwerbstätigen ist der Meinung, dass KI-Systeme Routineaufgaben ihrer beruflichen Tätigkeit übernehmen werden oder das jetzt schon tun.
- Und immerhin 29 % glauben, dass KI ihre berufliche Tätigkeit ganz oder teilweise ersetzen könnte.
Verantwortung für die ethische Entwicklung
und den sicheren Einsatz von KI
Trotz einer insgesamt aufgeschlossenen Haltung zu Künstlicher Intelligenz sehen die Befragten auch erhebliche Gefahren. Gut drei von vier stimmen der Aussage zu, dass beim Einsatz von KI-Technologie derzeit nicht abschätzbare Risiken bestehen (78 %). Insbesondere die Folgen der KI-Nutzung für das Mediensystem und die Demokratie sehen die Bundesbürger:innen kritisch.
- 92 % glauben, dass mit dem Einsatz von KI kaum noch erkennbar sein wird, ob Fotos oder Videos echt oder gefälscht sind.
- Dass der Wahrheitsgehalt eines mit Hilfe von KI generierten Textes nicht mehr erkennbar ist, meinen 83 %.
- Und 81 % erwarten, dass KI-Technologie die Verbreitung von „Fake News“ massiv beschleunigen wird.
Eine große Mehrheit von 91 % fordert daher eine Transparenz- und Kennzeichnungspflicht für Inhalte, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz erzeugt worden sind. Und 86 % der Bundesbürger halten eine verpflichtende Prüfung der Qualität und Sicherheit von KI-Systemen durch unabhängige Prüforganisationen wie zum Beispiel den Tüv für notwendig.
Eine Präsentation der Ergebnisse ist hier einzusehen.
Bitkom: 34% können sich vorstellen, ChatGPT künftig einzusetzen
Der Digitalverband Bitkom meldet aus seiner Umfrage ähnliche Zahlen. Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands durchgeführt hat. Dabei wurden 1.004 Personen ab 16 Jahren in Deutschland telefonisch befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.
- Mehr als drei Viertel (78 %) der Deutschen haben schon von ChatGPT gehört oder gelesen,
- rund ein Drittel (34 %) hat den Chatbot bereits genutzt.
- Dabei haben es 10 % bei einem Versuch belassen und nutzen ChatGPT nicht mehr,
- 11 % nutzen das Tool selten und 13 % häufig.
Weitere 34 % können sich vorstellen, die KI künftig einzusetzen, 30 % schließen das grundsätzlich aus.
„ChatGPT hat bei KI den Turbo gezündet.“
– Dr. Ralf Wintergerst, Bitkom
„ChatGPT hat bei KI den Turbo gezündet. Die Anwendung war für sehr viele Menschen der erste bewusste Kontakt mit Künstlicher Intelligenz und hat eine breite öffentliche Debatte über die Technologie angestoßen. Zugleich hat uns ChatGPT vor Augen geführt, was mit KI heute möglich ist. So wurde in den vergangenen zwölf Monaten ein rasanter Entwicklungsschub bei generativer KI ausgelöst“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst.
17 % nutzen generative KI ohne Wissen des Arbeitgebers
- Die große Mehrheit der ChatGPT-Nutzer setzt das Tool für private Zwecke ein (82 %),
- die Hälfte (50 %) nutzt ChatGPT aber auch beruflich – 33 % mit Wissen des Arbeitgebers, 17 % ohne dessen Wissen.
Nur bei einem Viertel der Erwerbstätigen (24 %) gibt es im Unternehmen Regeln für den Einsatz von generativer KI wie ChatGPT. 29 % haben keine solchen Vorgaben, würden sich aber welche wünschen, und 40 % haben keine Regeln und möchten auch keine.
- Rund die Hälfte aller Nutzer von ChatGPT (53 %) sagt, dass die Dialoge mit der KI Spaß machen, unter den Jüngeren von 16 bis 29 % liegt der Anteil sogar bei 66 %.
- 3 von 10 (32 %) geben an, dass sie die Antworten der KI fasziniert haben.
- Aber nur 13 % meinen, dass ChatGPT ihnen bei Problemen geholfen hat.
- Ein Fünftel (20 %) beklagt, dass es zu viel Zeit kostet, hilfreiche Antworten von ChatGPT zu bekommen,
- 14 % finden, dass der Chatbot ihre Fragen zu oft nicht richtig versteht.
Wintergerst: „Auf den ersten Blick ist die Nutzung von generativer KI sehr einfach. Um aber hilfreiche Antworten zu bekommen, muss man lernen, der KI die notwendigen Hintergrundinformationen zu vermitteln und Arbeitsaufträge präzise formulieren. Das sind Kenntnisse, die es künftig zu vermitteln gilt, in Schule und Beruf.“ Außerdem sollten die Nutzer wissen, wie sie die Ergebnisse schnell auf Richtigkeit überprüfen können.
Bitkom: Generative KI macht Älteren Angst
- Eine Zwei-Drittel-Mehrheit (66 %) glaubt, dass ChatGPT & Co. unser Leben grundlegend verändern werden.
- 38 % halten generative KI dagegen für einen Trend, der bald wieder vorbeigehen wird.
Zugleich bereitet die neue Form von KI auch Sorgen:
- 41 % sagen, dass ihnen ChatGPT Angst macht. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen.
- Während nur 28 % der 16– bis 29-Jährigen Angst vor generativer KI haben, sind es bei der Generation 65plus 57 %.
„KI kann die Hürden für eine digitale Teilhabe deutlich reduzieren. Wir müssen nicht mehr lernen, wie Computer zu kommunizieren, die Computer artikulieren sich – fast – wie Menschen“, so Wintergerst. (eve)
Erfahrungen der Redakteure von Konradin Industrie
Alexander Gölz, Chefredakteur Industrieanzeiger
„Wenn es wirklich wichtig ist, muss immer noch ein Mensch mit Erfahrung das Ergebnis kontrollieren.“
– Alexander Gölz, Chefredakteur Industrieanzeiger
„ChatGPT ist für mich zurzeit (noch) eher wie ein Praktikant mit sehr ausgeprägtem Selbstbewusstsein: Das Tool erledigt Aufgaben in Sekundenschnelle und präsentiert die Ergebnisse in einem Ton, als hätte es zum Thema promoviert.
Wenn Fachleute das Ergebnis überprüfen, entdecken sie jedoch oft Ungenauigkeiten und Fehler. Das schränkt die Einsatzmöglichkeiten ein. Trotz dieser Schwächen bietet die neueste Generation Künstlicher Intelligenz, auf der ChatGPT beruht, großes Potenzial für die Wirtschaft und Industrie.
Doch wie bei einem Praktikanten gilt (bis jetzt noch): Wenn es wirklich wichtig ist, muss immer noch ein Mensch mit Erfahrung das Ergebnis kontrollieren.“
Frederick Rindle,
stellvertretender Chefredakteur additive – Die Plattform für die additive Fertigung
„Die Frage, wann und wo wer KI einsetzen kann und soll, wird wohl eine der großen Fragen unserer Generation werden.“
– Frederick Rindle, additive – Die Plattform für die additive Fertigung
„Für mich ist ChatGPT wahrscheinlich das umfassendste Softwaretool, das jemals in einer Testversion der sicherlich größten Entwicklergemeinde zur Verfügung gestellt wurde. Das Endergebnis wird aufregend sein: Was kann eine Conversational AI leisten und wofür werden wir sie einsetzen?
Wenn wir die ethische und soziale Komponente aus diesen Überlegungen weitgehend ausklammern, bleibt die Frage: Wie wird eine allgemein zugängliche KI unser wirtschaftliches Leben verändern? Man denke nur an den Hochgeschwindigkeitshandel an der Börse, den schon heute kein Mensch mehr kontrollieren kann.
Letztlich wird die Frage, wann und wo wer KI einsetzen kann und soll, wohl eine der großen Fragen unserer Generation werden. Aber bis dahin erfreuen wir uns an den Möglichkeiten von ChatGPT und lassen uns Texte zu den absonderlichsten Fragen generieren.“
Armin Barnitzke, Chefredakteur Automationspraxis
„ChatGPT ist in der Industrie, in deren Alltag und in der Technik angekommen.“
– Armin Barnitzke, Chefredakteur Automationspraxis
„Ein Jahr nach der Veröffentlichung ist ChatGPT in der Industrie angekommen. Viele unserer Gesprächspartner berichten, dass Sie ChatGPT in ihrem Arbeitsalltag bereits nutzen, etwa um sich Texte formulieren zu lassen oder als Hilfe beim Brainstorming.
Aber auch in der Technik ist ChatGPT angekommen: So hat der Konstanzer Robotik-Newcomer Fruitcore Robotics mit dem AI Copilot für seine intelligenten Horst-Roboter eine GPT-Integration in der Industrierobotik umgesetzt. Unter dem Motto AHA Ask Horst Anything kann man mit dem Roboter chatten und ihn um Hilfe bitten, etwa fragen: „Wie schließe ich eine Kamera an den Roboter an?“ Für die Antwort greift der „HorstGPT“ dann auf die Handbücher und Service-Unterlagen von Fruitcore Robotics zurück. Den „Fantasy Faktor“ von ChatGPT haben die Konstanzer dabei auf Null gestellt, damit der ASI Copilot keine Aussagen erfindet. Und man kann sich sogar fertige Code Schnipsel, beispielswiese für die Kamera Integration vom AI Copiloten erstellen lassen.
„Auch die Großen in der Branche greifen den ChatGPT-Trend für die Automatisierung auf.“
Und auch die Großen in der Branche greifen den ChatGPT-Trend für die Automatisierung auf. So hat Siemens auf der Messe SPS den Industrial Copilot für industriellen Automatisierungslösungen vorgestellt. Um Ingenieure bei ihren Automatisierungsaufgaben zu unterstützen, ist der KI-gestützte Assistent an das Engineering-Framework Totally Integrated Automation (TIA) Portal von Siemens angebunden. Der Industrial Copilot hilft Automatisierungsingenieuren beispielsweise, Code für speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) zu generieren. Engineering-Teams können laut Siemens den Zeitaufwand und die Wahrscheinlichkeit von Fehlern erheblich reduzieren, indem sie SPS-Code durch Eingaben in natürlicher Sprache generieren.
Der Automobilzulieferer Schaeffler AG ist einer der ersten Nutzer des Siemens Industrial Copilot. Die generative KI kommt dort in der Engineering-Phase zum Einsatz und hilft Ingenieuren, zuverlässigen Code zur Programmierung industrieller Automatisierungssysteme, wie beispielsweise Roboter, zu generieren. Schaeffler plant darüber hinaus, Siemens Industrial Copilot auch im Betrieb einzuführen, um so die Ausfallzeiten zu reduzieren.
Den auch bei Siemens hat der Industrial Copilot Zugriff auf alle relevanten Dokumentationen, Richtlinien und Handbücher, um Fabrikmitarbeiter bei der Identifizierung möglicher Fehler zu unterstützen. Diese Funktionen ermöglichen es Wartungsteams, Fehler zu erkennen und schneller Schritt-für-Schritt-Lösungen zu entwickeln. Dies soll dazu beitragen, Maschinenstillstände deutlich zu verkürzen, Industrieunternehmen effizienter zu machen und damit eine nachhaltigere Produktion voranzutreiben.“