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Was der Maschinenbau gegen die Kunststoffkrise tut – befragt zur K2022

Statements aus dem Maschinenbau
Wie der VDMA die Kunststoff-Krise lösen will

Die Leitmesse K2022 ist vielleicht die letzte Chance für die Branche, ihr Negativ-Image hinter sich zu lassen. Betroffen ist auch der Maschinenbau. Der VDMA hat dazu seine Mitglieder im Wochenrhythmus befragt. Wir bringen Auszüge mit den jeweils wichtigsten Statements der Geschäftsführer und Bereichsleiter – und die Links zu den Originalinterviews.

» Olaf Stauß, Redakteur Konradin Industrie

Kunststoff ist in Verruf. Was kann die Industrie tun, dass dem Werkstoff nicht weiter ein solches Negativ-Image anhaftet?

Thorsten Kühmann, VDMA: Es muss uns gelingen, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Denn die Hauptursache für das schlechte Bild, das die Öffentlichkeit vom Kunststoff hat, ist der Abfall, der in der Umwelt und in den Weltmeeren landet. Einfach gesagt: Wir müssen dafür sorgen, dass der Müll eben nicht in die Umwelt gelangt.

Ingemar Bühler, PlasticsEurope: Das Abfallproblem ist von der Industrie viel zu lange nicht ernst genug genommen worden. Auch die Unternehmen und Verbände müssen etwas tun und Teil der Lösung werden.

Ulrich Reifenhäuser, Reifenhäuser Gruppe: Wir müssen den Kunststoff neu erfinden. Die Industrie muss zeigen, dass sie Recyclingfähigkeit ermöglicht. 2022 sind wir nicht mehr nur bei Reden und Ideenaustausch. Wir haben schon neue Technologien, Produkte und Prozesse, die den Anforderungen der Umwelt standhalten können. The time is now.

Jan Hendrik Ostgathe, Kreyenborg: Wir treiben uns in der Kreislaufwirtschaft alle gegenseitig an. Der Konsument, die großen Brand Owner, die Maschinenbauer, der Markt und natürlich der Gesetzgeber. Ich denke, dass dies der richtige Weg ist.

Dr. Ralf Düssel, PlasticsEurope: Wenn wir die Kreisläufe schließen, brauchen wir keine fossilen Rohstoffe mehr. Vermeiden von Abfall, Abfallreduzierung, Wiederverwendung und dann erst Recycling, gefördert etwa durch Design-for-Recycling: Das ist der richtige Weg.

Michael Baumeister, Brückner Maschinenbau: Kunststoff ist Hightech mit sehr leichten Produkten. Das führte uns zur Multi-Layer-Folie. Aber jetzt entwickeln wir Mono-Material-Strukturen, die später recycelt werden können. Wir haben uns zum Green Deal der EU bekannt.

Ist die Kreislaufwirtschaft eher Chance oder Herausforderung für den Maschinenbau?

Peter von Hoffmann, Coperion: Für uns als Hersteller von Extrudern ist die Kreislaufwirtschaft ganz klar eine Chance. Mit ihr steigt die Bedeutung des Recyclings. Seit fünf Jahren haben wir schon ein eigenes Team, das sich mit diesem Thema befasst. Würde man den Kreislauf zu hundert Prozent schließen, dann könnte man theoretisch auf fossile Grundstoffe völlig verzichten.

Alaaddin Aydin, Maag Germany: Der Maschinenbau ist ein Lösungsanbieter. Wir können Lösungen anbieten, die Produktionsabfälle vermeiden, effizienten Einsatz von Energie und Rohstoffen vorantreiben und die Wiederverwertbarkeit eines Produktes gewährleisten.

Hilft die Digitalisierung weiter?

Dr. Benedikt Brenken, Initiative R-Cycle: Kreislaufwirtschaft funktioniert nicht ohne Informationen entlang des Lebenszyklus. Mit R-Cycle nutzen wir das Potenzial der Digitalisierung. Aus dem digitalen Produktpass können Maschinen präzise Informationen zu den Vorprodukten beziehen.

Manfred Hackl, Erema Group: Wir brauchen die Digitalisierung, um Prozess- und Qualitätssicherheit zu garantieren. Der Verarbeiter muss sicher sein, welche Eigenschaften das recycelte Material hat.

Michael Wittmann, Wittmann Group: Euromap-Schnittstellen sind eine notwendige Grundvoraussetzung für Digital Manufacturing. Wir schätzen es sehr, dass der VDMA die Normierungstätigkeiten leitet und Kommunikationsprotokolle auf die Beine stellt, die akzeptiert werden. Wir verfolgen den Ansatz der vollständig vernetzten Spritzgießzelle.

Wo hakt es beim Recycling?

Patrick Henzler, Weima Maschinenbau: Zum Beispiel bei der Sortierbarkeit der Materialien. Wenn die Kosten davonlaufen, macht es keiner. Aus diesem Grund geht in Deutschland noch sehr viel wertvoller Kunststoffabfall in die Verbrennung.

Michael Lackner, Lindner Recyclingtech: Wir benötigen sortenreine Kunststoffströme. Der Müll muss dort aufgearbeitet werden, wo er entsteht – hauptsächlich in den Industriestaaten. Wir können das Rezyklat sehr wohl exportieren, aber nicht den Müll.

Manfred Hackl, Erema Group: Da könnte die Politik schneller reagieren und den Export von Sekundärrohstoffen verbieten. Europa hat ja nicht sehr viele Rohstoffe, aber diesen Sekundärrohstoff hat man. Das Verbot wird sicher kommen.

Jan Hendrik Ostgathe, Kreyenborg: In Südamerika sammeln sie PET-Flaschen auf den Straßen und verkaufen sie an die Verarbeiter. Da gibt es fast mehr Recycling als in manchem Industrieland. Und nur, weil sie damit Geld verdienen. Das ist der Schlüssel.

Die größte Herausforderung beim Recycling?

Dr. Stephan Gneuß, Gneuss Kunststofftechnik: Das Mengenproblem ist zentral. Bei Abfallsammlung und Produktdesign muss sich etwas tun, sonst klappt die Kreislaufwirtschaft nicht. Noch immer steht die Recyclingfähigkeit bei vielen Produkten an letzter Stelle des Entwicklungsprozesses.

Prof. Hans-Josef Endres, IKK: Ein Dreiklang: Wir haben noch nicht genügend höherwertige Rezyklate, noch keine ausreichenden Inputströme und zu wenige Standards beim Recycling. Und alle diese Herausforderungen hängen zusammen.

Welchen Stand haben die Recyclingverfahren?

Prof. Hans-Josef Endres, IKK: Die mechanischen Verfahren sind schon etabliert. Für die physikalischen Verfahren, bei denen der Kunststoff durch ein Lösungsmittel herausgelöst wird, gibt es erste industrielle Anlagen. Die chemischen Verfahren müssen insbesondere in puncto Energieeffizienz und Ausbeute noch verbessert werden

Dr. Ralf Düssel, PlasticsEurope: Als Wirtschaftsbranche werden wir 2025 etwa 2,6 Milliarden Euro in chemisches Recycling investieren und diese Summe bis 2030 auf bis zu 7,2 Milliarden Euro steigern. Neue Studien zeigen, dass man für den chemischen Recyclingprozess fünf bis zehn Prozent des Energieinhaltes des Abfalls einsetzen muss. Man holt dann etwa 70 Prozent des Kohlenstoffatoms wieder zurück. Das ist nicht schlecht. Aber wir brauchen Sicherheit, dass die daraus gewonnenen Produkte auch als Rezyklate regulatorisch anerkannt werden.

Welche Optionen gibt es noch?

Dr. Markus Steilemann, Covestro: Wir sind entschlossen, das Element Kohlenstoff im Kreis zu führen und kein CO2 mehr freizusetzen. Erreichen wollen wir dies, indem wir den Kohlenstoff nicht länger aus fossilen Quellen wie Erdöl beziehen. Sondern aus erneuerbaren Ressourcen: Abfall, Biomasse und sogar CO2 selbst. Das ist ein Paradigmenwechsel, eine regelrechte Rohstoffrevolution.

Gibt es schon technische Erfolge?

Korbinian Kiesl, Billion: Etwa 80 Prozent unserer Kunden fahren auf unseren Spritzgießmaschinen schon Rezyklate, die einen mehr, die anderen weniger. Je homogener das Rezyklat ist, umso besser sind die Ergebnisse. Die Maschine kann alles. Es geht nur darum, ob man den Rezyklateinsatz sichtbar haben will oder nicht.

Dr. Andreas Hirschfelder, Leonhard Kurz: Unsere Oberflächendekos sind in ihrer Zusammensetzung den Spritzgussmaterialien sehr ähnlich. Bauteile mit unseren Beschichtungen können beliebig recycelt werden. Heute schon setzen wir etwa 30 Prozent Rohstoffe organischen Ursprungs ein. Und wir haben bereits Produkte, die zu hundert Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen.

Lukas Buske, Plasmatreat: Die Plasmatechnologie macht chemische Vorbehandlungen überflüssig. Unser Fokus liegt unter anderem auf der Oberflächenbehandlung von Kunststoffen. Wenn ein Produkt zu einem gewissen Teil aus Rezyklaten besteht, wirkt sich dies auf Prozesse wie Verkleben, Bedrucken, Lackieren, Etikettieren, Auftragen von Dichtungen und mehr aus. Unsere Plasmavorbehandlung ermöglicht in vielen Fällen überhaupt erst die Folgeprozesse.

Uwe Rothaug, Kurtz Ersa: Mit unserer neuen Technik kann man bis zu 100 Prozent recyceltes EPS verarbeiten. Schon heute werden in geschäumten Teilen bis zu 20 Prozent recyceltes EPS eingesetzt. Wir arbeiten bei unserer Maschine mit einem Radiofrequenzprozess statt mit Dampf. Ein Paradigmenwechsel für unsere Kunden – der am Anfang auch teuer ist. Aber mit unserer Technik lässt sich der Energieverbrauch um 90 Prozent verringern, der Wasserverbrauch um bis zu 100 Prozent. Wir haben eine CO2-Einsparung über den gesamten Prozess von 70 Prozent errechnet.

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