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Paradigmenwechsel in der Datenverarbeitung

Grundlagen zu Quantencomputing
Quantencomputing: Paradigmenwechsel in der Datenverarbeitung

Quantencomputing: Paradigmenwechsel in der Datenverarbeitung
Quantencomputing verspricht, einige der größten Herausforderungen unseres Planeten zu lösen. Bild: Patrick Helmholz/stock.adobe.com

Es gibt Überlagerungszustände, in denen sich Objekte gleichzeitig in zwei Zuständen befinden. Und die Gleichungen, die das Verhalten von Teilchen beschreiben, sind auf subatomarer Ebene anders als in der makroskopischen Welt, die uns umgibt. Sie verstehen nur Bahnhof? Willkommen in der seltsamen Welt der Quantenmechanik, dem Zweig der Physik, der das Verhalten von Teilchen auf mikroskopischer Ebene untersucht. Effekte aus dieser verborgenen Welt macht sich das Quantencomputing zunutze, um komplexe Probleme schneller zu lösen, als es selbst die derzeit leistungsfähigsten Supercomputer könnten. Welche Potenziale diese Zukunftstechnologie für industrielle Anwendungen birgt, beleuchtet dieser Artikel.

» Hagen Wagner, Redakteur Industrieanzeiger

Inhalt:

1. Grundsätze des Quantencomputing
2. Anwendungen von Quantencomputern in der Industrie
3. Mehr Rechenleistung, mehr Vorteile
4. Herausforderungen und Zukunftsaussichten

Die Idee, Quanteneffekte für die Datenverarbeitung zu nutzen, ist nicht unbedingt neu: Bereits 1959 hatte der amerikanische Nobelpreisträger Richard Feynman, einer der großen Physiker des 20. Jahrhunderts, die Vision, Quanteneffekte für Berechnungen zu nutzen. Mehr als ein halbes Jahrhundert sollte vergehen, bis 2011 der erste kommerziell erhältliche Quantencomputer angeboten wurde. Die Rechenleistung war „damals“ noch geringer als die herkömmlicher Computer, aber die Forschung blieb nicht stehen. Zwar sind Quantencomputer immer noch nicht in der Lage, Aufgaben schneller und effizienter zu erledigen, doch die vom Physiker John Preskill prophezeite „Quanten-Supremacy“, der Moment in dem Quantensysteme Operationen ausführen können, die mit „klassischen“ Computern nicht durchführbar sind, wurde 2019 angeblich von Google erreicht.

Auch wenn die Details noch umstritten sind, scheint der Quantenvorteil angesichts der immer größerer und zuverlässigerer Quantensysteme, kurz bevor zu stehen. Allerdings geht es dem Quantencomputing derzeit noch ähnlich wie anderen neuen Technologien, etwa der künstlichen Intelligenz: Die Entwicklung steckt noch in de Kinderschuhen und die möglichen Auswirkungen sind noch nicht einmal vollständig verstanden. Doch die Erwartungen sind groß: Mit zunehmendem Fortschritt fließen Investitions- und Fördergelder, und die Zahl der Start-ups, die sich mit Quantencomputing beschäftigen, steigt.

Grundsätze des Quantencomputing

Bevor hier die Potenziale des Quantencomputing für die Industrie aufgezeigt werden, sollte man verstehen, wie ein Quantencomputer funktioniert – zumindest ein bisschen. Dazu muss man sich zunächst vergegenwärtigen, wie ein herkömmlicher Computer funktioniert: Ein Computer ist im Endeffekt ein Rechner, der Bits verarbeitet. Ein Bit ist ein elektronisches Signal, das entweder an (1) oder aus (0) ist. Analog dazu sind die kleinstmöglichen Speichereinheiten in einem Quantencomputer Qubits. Qubits lassen sich im Vergleich zu Bits in eine Überlagerung von Zuständen versetzen – und das im Prinzip unendlich oft. Um hier ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen, ohne zu sehr ins Detail zu gehen (wofür man sicherlich ein Physikstudium benötigen würde), folgt eine kurze Erläuterung der „wichtigsten“ Quantengrundsätze: Superposition, Verschränkung und Dekohärenz.

  • Superposition: Die Überlagerung von zwei oder mehr Quantenzuständen, deren Ergebnis ein anderer Quantenzustand ist. Die Superposition von Qubits ermöglicht es Quantencomputern, Millionen von Operationen gleichzeitig zu verarbeiten.
  • Verschränkung: Von Quantenverschränkung spricht man, wenn zwei Systeme so eng miteinander verknüpft sind, dass das eine Wissen über das andere liefert, unabhängig von der Entfernung. Quantenprozessoren können so aus der Messung eines Teilchens Rückschlüsse auf ein anderes ziehen.
  • Dekohärenz: Unter Dekohärenz versteht man den Zustandsverlust innerhalb eines Qubits. Umwelteinflüsse wie Temperaturschwankungen können den Quantenzustand von Qubits zusammenbrechen lassen, was eine große technische Herausforderung beim Bau solcher Computer darstellt, um diesen Zusammenbruch zu verzögern.

Anwendungen von Quantencomputern in der Industrie

Quantencomputing hat das Potenzial, die produzierende Industrie grundlegend zu verändern und neue Horizonte für Innovation und Effizienz zu eröffnen, indem komplexe Probleme in bisher unerreichtem Ausmaß gelöst werden können. Nachfolgend einige der bisher naheliegendsten Anwendungsbeispiele:

  • Optimierung von Lieferketten und Logistik: Durch die Möglichkeit, eine Vielzahl von Variablen gleichzeitig zu analysieren, können komplexe Probleme wie Routenplanung, Bestandsmanagement und Lieferzeitoptimierung effizienter gelöst werden. Dies ermöglicht eine bessere Nutzung von Ressourcen, Kosteneinsparungen und eine schnellere Reaktionsfähigkeit auf sich ändernde Marktanforderungen.
  • Materialdesign und -entwicklung: Quantencomputing kann beim Design und der Entwicklung neuer Materialien helfen. Durch die Simulation quantenphysikalischer Eigenschaften können Forscher und Entwickler die Eigenschaften von Materialien besser verstehen und zielgerechter experimentieren. Dies führt zur Entwicklung innovativerer Materialien, die beispielsweise leichter, widerstandsfähiger oder flexibler sind und in verschiedenen Branchen, wie der Automobilindustrie oder der Elektronik, eingesetzt werden können.
  • Optimierung von Produktionsprozessen: In der Produktion kann Quantencomputing helfen, komplexe Fertigungsprozesse zu optimieren. Durch die Analyse großer Datensätze in Echtzeit können Produktionsabläufe verbessert, Maschinenwartung optimiert und Qualitätskontrollen präziser gestaltet werden. Dies führt zu mehr Effizienz, weniger Ausfallzeiten und letztlich zu einer höheren Produktqualität.
  • Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen: Die Leistungsfähigkeit von KI-Algorithmen und des maschinellen Lernens kann durch Quantencomputing erheblich gesteigert werden. Quantencomputer können komplexe Optimierungsprobleme schneller lösen und große Datenmengen effizienter verarbeiten. Dies ermöglicht eine verbesserte Mustererkennung, genauere Vorhersagen und die Entwicklung fortgeschrittener KI-Anwendungen in der Fertigung, beispielsweise in der Qualitätskontrolle oder der vorrausschauenden Wartung.

Mehr Rechenleistung, mehr Vorteile

Die Anwendungsmöglichkeiten des Quantencomputings sind vielfältig. Auch wenn nicht alles in kommerzielle Ergebnisse umgesetzt werden kann, geht der Nutzen dieser Technologie weit über die Reichweite und Geschwindigkeit herkömmlicher Hochleistungsrechner hinaus:

  • Massive parallele Berechnungen: Quantencomputer können mit Hilfe von Qubits in den Zuständen 0, 1 oder einer Überlagerung dieser Zustände riesige Datenmengen und Variablen gleichzeitig verarbeiten. Dies ermöglicht die Lösung von Problemen, die für herkömmliche Computer unvorstellbar komplex sind, und beschleunigt Berechnungen und Analysen erheblich.
  • Lösung komplexer Optimierungsprobleme: Durch die Fähigkeit, verschiedene Lösungen gleichzeitig zu analysieren, sind Quantencomputer ideal für die Optimierung komplexer Prozesse und Entscheidungsfindungen. Dadurch können Ressourcen besser genutzt, Kosten minimiert und Produktionsabläufe optimiert werden.
  • Potenzial für disruptive Innovationen: Der Einsatz von Quantencomputing hat das Potenzial für disruptive Innovationen. Die Möglichkeit, völlig neue Wege zur Lösung bisher ungelöster Probleme zu finden, kann zu neuen Technologien, Produkten und Produktionsmethoden führen, die die Industrie grundlegend verändern.
  • Wettbewerbsvorteil und Effizienzsteigerung: Unternehmen, die frühzeitig in Quantencomputing investieren und die Technologie erfolgreich in ihren Betrieb integrieren, können sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Die Möglichkeit, schnellere und genauere Analysen durchzuführen, optimierte Produktionsprozesse zu implementieren und innovative Produkte zu entwickeln, kann zu Effizienzsteigerungen und einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit am Markt führen.

Herausforderungen und Zukunftsaussichten

Trotz des enormen Potenzials des Quantencomputings gibt es natürlich noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Dazu gehören die Entwicklung stabiler Quantenhardware und -software, die Fehlerkorrektur von Qubits und die Skalierung von Quantencomputern für den kommerziellen Einsatz. Die Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen ist jedoch aktiv im Gange, und es wird erwartet, dass Fortschritte bei der Überwindung dieser Hindernisse erzielt werden.

Die Zukunft des Quantencomputings ist vielversprechend. Obwohl sich die Technologie noch in einem relativ frühen Entwicklungsstadium befindet, deuten die Investitionen und Forschungsanstrengungen darauf hin, dass das Quantencomputing in Zukunft eine bedeutende Rolle in der Industrie spielen wird. Neue Anwendungen, verbesserte Hardware und fortschrittlichere Algorithmen werden die Möglichkeiten des Quantencomputings weiter vorantreiben und zu einer nachhaltigen Transformation der Fertigungsindustrie beitragen.

Insgesamt bietet Quantencomputing eine Fülle von Möglichkeiten, um die Effizienz, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in der Fertigungsindustrie zu steigern. Unternehmen, die sich aktiv mit dieser Technologie auseinandersetzen und in ihre Geschäftsstrategie integrieren, werden davon profitieren.

 

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