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3D-Druck mit 5-Achs-Kinematik

Siemens-Suite NX für Additive Manufacturing
3D-Druck mit 5-Achs-Kinematik

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Die Material Extrusion gehört zu den zentralen 3D-Druckprozessen, genügt aber noch nicht den Ansprüchen der industriellen Serienfertigung. Um dies zu ändern, setzt Siemens Digital Factory auf bewährte Funktionalitäten aus der spanenden Bearbeitung.

Martin Gehringer
Technical Marketing Manager,
Siemens-Division Digital FactoryJens Jähnicke
Technology Expert Material Extrusion,
Siemens-Division Digital Factory

Eines der populärsten Verfahren ist das Drucken mit geschmolzenen Materialien, weil sich damit ein dreidimensionales Objekt relativ kostengünstig herstellen lässt. Die Methode nennt sich Material Extrusion (ME), ist vielen aber eher als „Fused Filament Fabrication“ (FFF) bekannt, der geläufigsten ME-Variante. Ein ME-Drucker funktioniert im Grunde wie eine bewegliche Heißklebepistole: Der Druckkopf ist ein beheizter Extruder, der zugeführtes Material (als Filament oder Granulat) schmilzt. Das geschmolzene Material wird gemäß der digitalen 3D-Konstruktionsdaten auf einer Druckunterlage platziert. Beim Abkühlen härtet das Material aus. Ist die darunter liegende Materialbahn erstarrt, wird die nächste Materialbahn aufgetragen. Schicht für Schicht entsteht der gewünschte Baukörper. So lassen sich vergleichsweise einfach individuelle, sehr detailreiche Formen aus unterschiedlichen Materialien erzeugen.

Industrialisierungspotenzial für Material Extrusion

Die bisher am Markt für die industrielle Anwendung verfügbaren ME-Maschinen bieten noch keinen signifikanten technologischen Vorteil gegenüber 3D-Druckern, die privat oder semi-professionell zum Einsatz kommen. Ein derartiger Vorteil lässt sich jedoch erzielen, wenn die ME-Maschinen mit einer Fünf-Achs-Kinematik arbeiten, wie sie im Werkzeugmaschinenbereich etabliert ist.

Damit ME-Drucker industriell serienreif mit 5-Achs-Kinematik produzieren können, müssen zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen braucht es eine Softwarekette von der Konstruktion (CAD) bis zur Aufbereitung für das 3D-Produktionsverfahren, um die Bahnverläufe zu generieren. Zum anderen ist eine geeignete Steuerungs- und Antriebstechnik notwendig.

Beide Anforderungen erfüllt bewährte Siemens-Technik. Sie bedurfte jedoch einer Adaptierung für das ME-Verfahren. In der spanenden Bearbeitung hat sich das Zusammenspiel der CNC-Steuerung Sinumerik 840D sl mit der Software-Suite NX für CAD/CAM/CAE als Methodik etabliert. Grundsätzlich lässt sich beides auch für additive Fertigungsverfahren einsetzen. Inzwischen gibt es bereits zwei Beispiele dafür, die in Kooperation mit Siemens entwickelt wurden und im November auf der Messe Formnext 2017 zu sehen waren: der 5-Achs-Gantry-Drucker 175 X von Hage und der „Robotic Composite 3D Demonstrator“ von Stratasys und Siemens. Mehr dazu bei den Fotos in diesem Artikel.

Vorteile der 5-Achs-Kinematik

Bisher basierte die Bewegungsführung bei den für Material Extrusion handelsüblichen Maschinen auf einer 3-Achs-Kinematik, bei der entweder die Düse selbst und/oder die darunter liegende Plattform bewegt wird. Mit einer 5-Achs-Kinematik hingegen lässt sich nicht nur eine wesentlich höhere Dynamik erzielen, sondern auch beim Drucken von Bauteilen, die weit auskragende Anteile haben, auf Stützmaterial verzichten. Eine derartige ME-Maschine mit fünf Achsen besitzt neben den drei Linearbewegungen noch zwei zusätzliche Dreh- beziehungsweise Schwenkachsen. Sie ermöglichen bessere Strategien in der Bewegungsführung und der Relativbewegung von Düse zu Bauplattform. Die Basis bilden das Antriebssystem Sinamics S120 und die CNC-Steuerung Sinumerik 840D sl, die durch ihre Leistungsfähigkeit eine exakte und dynamische mehrachsige Bewegungsführung möglich machen.

Verzicht auf Stützmaterial

Mit dem herkömmlichen 3-achsigen ME-Verfahren lassen sich formtreue Schichten nur bis circa 45° Überhang aufbauen. Für überhängende Strukturen hingegen braucht es die Stützstrukturen und dafür einen weiteren Extruder: Mit wasserlöslichen oder wachsartigen Materialien lassen sich geplante Hohlräume abstützen und nach dem Druck auswaschen oder ausschmelzen. Dieses Vorgehen ist aber nur dann möglich, wenn die Geometrie des erzeugten Bauteils ein nachträgliches Auswaschen oder -schmelzen überhaupt zulässt. Außen liegende Stützstrukturen lassen sich mit dem gleichen Material und damit der gleichen Düse wie der eigentliche Baukörper generieren und können im Nachgang zum Beispiel durch Wegbrechen entfernt werden. Allerdings bleiben dann raue Stellen an den Bruchkanten zurück.

Im Gegensatz dazu ermöglicht es der Einsatz einer Fünf-Achs-Kinematik, weitestgehend auf Stützstrukturen und gesonderte Stützmaterialien zu verzichten. Durch entsprechendes Orientieren (Drehen oder Schwenken) des Druckkopfs (Düse) als auch des Bauteils kann der Materialauftrag stets „von oben“ erfolgen. Ein Überhang, der abgestützt werden müsste, kommt dadurch nicht mehr zustande. So werden höhere Aufbauraten, effizientere Materialnutzung und nicht zuletzt eine bessere Oberflächengüte möglich. Durch den Verzicht auf Stützstrukturen ergeben sich auch keine Bruchstellen, die später nachbearbeitet werden müssen.

Software-Suite NX als vollintegrierte Lösung

Der volle Mehrwert einer 5-Achs-Kinematik für einen ME-Drucker lässt sich nur erreichen, wenn die komplexe Bewegungsführung auch programmiert werden kann. Hierfür hat Siemens PLM seine Software-Suite NX für die digitale Produktentwicklung sukzessive weiterentwickelt. NX erzeugt die 5-achsige Bewegungsführung von Druckkopf und Bauplattform und parametriert sie. Hierzu zählen beispielsweise auch Vorgaben für Schichtdicke und Materialstrangbreite. Ein erheblicher Vorteil dieser neuen Möglichkeiten ist, dass auf das bisher gebräuchliche STL-Datenformat verzichtet werden kann, da in NX der für die Steuerung der Maschine taugliche Code innerhalb einer geschlossenen Kette direkt aus den CAD-Daten generiert wird.

Das STL-Format umfasst die Beschreibung der Oberfläche von dreidimensionalen Körpern mit Hilfe von Dreiecksfacetten. Jede Dreiecksfacette wird durch die drei Eckpunkte und die zugehörige Flächennormale charakterisiert. Auf Basis dieser geometrischen Werte erfolgte bislang die Datenaufbereitung für den ME-Bauprozess. Das hat Nachteile. Im STL-Format können Rundungen nur durch viele kleine Dreiecksfacetten beschrieben werden. Bei entsprechend feiner Auflösung entstehen große Datenmengen – dennoch lässt sich die Rundung nicht vollständig geometrisch korrekt beschreiben.

Bisher stellte sich die Softwarekette folgendermaßen dar: Ausgehend vom STL-Datenformat als Ausgangsgröße des CAD-Systems werden weitere Funktionsschritte in verschiedenen Softwaretools durchlaufen. Das bedingt viele Export- und Importvorgänge zwischen den Tools sowie das Handling verschiedener Datenformate mit jeweils spezifischen Eigenschaften. Zudem müssen mehrere Datenfiles, die zu einem Gesamtproduktdatensatz gehören, aufwändig konsistent gehalten werden. In der schematischen Abbildung der Softwarekette verdeutlichen dies die unterschiedlichen Farben zwischen den Schnittstellen.

NX bedient ein durchgängiges Datenformat

Mit NX von Siemens PLM gibt es nur noch eine Farbe in dieser Darstellung. Die aktuelle Version steht für eine datentechnisch geschlossene Softwarekette, die beide wesentlichen Nachteile eliminiert: Die Bahnberechnung für den ME-Prozess erfolgt äquivalent zu spanenden Prozessen innerhalb von NX und führt zu ablauffähigen CNC-Programmen, die direkt von der CNC-Steuerung verarbeitet werden können. Und: Es gibt ein durchgängiges Datenformat – hierbei werden beispielsweise Konstruktionsänderungen assoziativ übernommen. Sie werden wirksam ohne Import- und Exportvorgänge für nachgelagerte Prozesse wie Simulation und Programmcode-Generierung.

Material Extrusion fit für die Serie

Fazit: Die Material Extrusion wird fit für die industrielle Anwendung. Intelligente Steuerungstechnik und eine geschlossene Softwarekette ermöglichen es, mit additiven Verfahren – hier ME – hochwertige und markttaugliche Ergebnisse ohne großen Optimierungsaufwand zu erzielen.

Durch das beschriebene Zusammenspiel ist die Adaption von Funktionen aus den klassischen spanenden Herstellungsmethoden in einem ersten Schritt vollzogen. Es eröffnet sich die Möglichkeit, etablierte Steuerungsfunktionalität fokussiert auf additive Prozesse weiter zu entwickeln. Ansätze dafür sind die Regelung des Materialdurchsatzes oder der Einsatz von neuen Materialen und Materialkombinationen.


5-Achs-Drucker von Hage

Das österreichische Familienunternehmen Hage Sondermaschinenbau hat auf der Formnext 2017 einen ersten 3D-Drucker mit fünf Achsen für den Material-Extrusion-Prozess vorgestellt: den 175 X. Seine Portalbauweise und die Siemens-Steuerung Sinumerik 840D-sl bilden die Basis. Der Drucker ist mit Kugelgewindetrieben in X, Y und Z sowie zwei NC-Schwenkachsen und einem Absolutwertgeber ausgestattet.

Der Gantry-5-Achs-Drucker ermöglicht eine dynamische, mehrachsige Bewegungsführung: Der Druckkopf ist auf der 3-achsigen kartesischen Schlitteneinheit montiert, das Druckobjekt entsteht auf dem in zwei Ebenen drehbaren Tisch und kann immer passend und relativ zum Druckkopf positioniert werden. Vorteile: Erstmals können selbst komplexe Bauteile weitgehend ohne Stützmaterial gedruckt werden. Außerdem lassen sich die Teile gezielt kraftfluss- und topologieoptimiert fertigen.

Der 5-Achs-Gantry-Drucker 175X arbeitet mit Material Extrusion in einem Bauraum von 500 x 500 x 450 mm³. Bild: Hage
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