Arbeitsschutz | Bei der Absaugtechnik lässt SAF-Holland am Standort Bessenbach nichts aus. Der Fahrzeugzulieferer nutzt das ganze Spektrum von der Zinkspritzkabine mit integriertem Absaug- und Belüftungssystem über die Absaugung an Schweißrobotern bis hin zur zentralen Hallenlüftung.
Jenny Göser ist Mitarbeiterin bei der Esta Apparatebau in Senden
Ein grelles Licht dringt durch die Fenster der Doppelflügeltüre der Zinkspritzkabine nach draußen. Im Innern der Kabine beschichtet ein Montagefacharbeiter Trailer-Achsen – Zentimeter um Zentimeter. „Das Verfahren heißt Lichtbogenspritzen“, erklärt Rainer Körner, Manager Industrial Engineering bei der SAF-Holland GmbH. „Der Zinkdraht wird durch einen Lichtbogen aufgeschmolzen, mit Druckluft zerstäubt und auf das Achssystem aufgebracht.“ Das grelle Licht kommt von dem Lichtbogen, der sich dabei wie beim Schweißen bildet.
Vor rund einem Jahr ließ Körner die rund 16 m² große, hellgrau lackierte Zinkspritzkabine in der Produktionshalle F14 im Werk 3 am Standort Bessenbach bei Aschaffenburg aufstellen. Mit dieser Technik beschichtet der Nutzfahrzeugzulieferer seine Achsen, um sie korrosionsbeständig gegen Temperatur-, Streusalz- und Klimabelastungen zu machen. An diesem Qualitätsmerkmal sind vor allem Fahrzeughersteller und deren Kunden interessiert, sprich die Speditionen in aller Welt.
Rainer Körner hat sich bewusst für eine geschlossene Arbeitskabine mit integriertem Absaug- und Belüftungssystem entschieden. Für ihn liegen die Vorteile auf der Hand: „Ein geschlossenes System ist die beste Lösung, um Beschäftigte außerhalb der Spritzkabine in anderen Bereichen der Halle vor Staub- und Lärmemissionen und optischer Strahlung zu schützen.“ Das Absaugsystem in der Kabine sorge dafür, dass die Schadstoffe direkt am Entstehungsort erfasst werden. „So schaffen wir es, die Belastung durch Staub und Rauch, die sich beim Spritzverzinken nicht vermeiden lassen, für unsere Beschäftigten in der Kabine zu minimieren“, so Körner weiter. Und zu guter Letzt werden auch die Maschinen von Staubablagerungen verschont.
Die Montagearbeiter in der Zinkspritzkabine fallen sofort durch ihre umfangreiche Schutzausrüstung auf. Sie reicht von Kopf bis Fuß und umfasst auch fremdbelüftete Atemschutzgeräte. „Trotz der Lüftung können beim Spritzen vereinzelt gesundheitsgefährdende Partikel in den Atembereich gelangen“, begründet Körner die ergänzende Maßnahme. „Dieses Risiko möchten wir gänzlich ausschließen.“
Auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat in ihrer „DGUV-Information 209–016 – Schadstoffe beim Schweißen und bei verwandten Verfahren“ festgehalten, dass alle thermischen Spritzverfahren in geschlossenen Arbeitskabinen auszuführen seien. In vielen Fällen entspricht das heute bereits dem Stand der Technik. Gerade bei Spritzverfahren wie dem Lichtbogenspritzen bildet sich eine große Menge an partikelförmigen Schadstoffen. Keine oder eine unzureichende Schadstofferfassung und -abscheidung reichen nicht aus, um die geltenden gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten.
Rainer Körner hat in den letzten Jahren verschiedene Absaugsysteme am Standort Bessenbach implementiert und ist mit der Thematik vertraut. Einen Großteil seiner Projekte setzte er mit der Esta Apparatebau GmbH & Co. KG um. Der Absaugtechnik-Hersteller aus dem bayerischen Senden nahm auch in diesem Fall die Planung und Montage der Kabine und des Absaugsystems vor. Philipp Reisser, Projektleiter bei Esta, kümmerte sich um die gesamte Abwicklung. „Die Stäube im Innern der Kabine werden über eine drei Meter lange und anderthalb Meter hohe Rückabsaugwand erfasst“, erklärt Reisser. „So können die Partikel unmittelbar an ihrer Entstehungsquelle abgesaugt werden.“ Die Absaugwand ist mit einer Rohrleitung aus Wickelfalz verbunden, die zunächst durch die Kabinendecke nach oben führt und dann im oberen Hallenbereich nach draußen abzweigt. Die Stäube gelangen auf diesem Weg zur rund 50 m entfernten Filteranlage im Außenbereich. „Das war nötig, um wertvolle Produktionsfläche zu sparen“, begründet Körner die Entscheidung, die Anlage außerhalb der Halle zu installieren.
Die Anlage ist über 3 m hoch und besteht aus zwei Filtermodule vom Typ Dustmac, in denen die staubhaltige Luft gefiltert wird. Die gereinigte Luft passiert anschließend das nebenstehende eingehauste Antriebsmodul, das den nötigen Unterdruck und Luftvolumenstrom für die Absaugung erzeugt. Der darin verbaute Mitteldruckventilator verfügt über 15 kW. Von dort aus wird der Luftstrom über einen Abluftschalldämpfer schließlich geräuscharm ins Freie geleitet. Wenn möglich wird auf den Einsatz von Einwegfiltern verzichtet. Die verwendeten Filterpatronen bestehen aus hochwertigem Polyester-Spinnvlies, bieten eine lange Standzeit und werden vollautomatisch während des Betriebs abgereinigt. „Auf diese Weise stellen wir eine hohe Verfügbarkeit der Anlage sicher“, betont Reisser. Das Absaugsystem ist darauf ausgelegt, bei einem Unterdruck von maximal 3000 Pascal bis zu 7000 m³/h zu befördern. Ein integrierter Frequenzumrichter sorgt dabei für eine energiesparende Anlagenregelung. Über zwei Zuluftschalldämpfer strömt saubere Luft in die Arbeitskabine nach.
Da die abzusaugenden Stäube als explosiv eingestuft wurden, ist die Anlage ATEX-konform ausgeführt. Damit ist das gesamte System durchgängig elektrisch leitfähig. Im Hinblick auf den Explosionsschutz wurden seitlich an einem Filtermodul zwei Berstscheiben installiert, die im Fall einer Explosion für die Druckentlastung sorgen. „Außerdem haben wir in der Rohgasrohrleitung eine Rückschlagklappe als Entkopplungselement integriert“, ergänzt Reisser. „Dadurch werden die Auswirkungen einer Staubexplosion, die entgegen der Förderrichtung verlaufen, aufgehalten.“ Für den Brandschutz ist an der Rückseite der Anlage an beiden Modulen je ein Funkenvorabscheider installiert. Diese scheiden angesaugte Funken und gröbere Partikel im Vorfeld über ein Prallblech ab. Größere Partikel landen sofort in einer Sammelschublade, bevor sie weiter in das Filtergehäuse vordringen können. „Das Verfahren schont den Hauptfilter und mindert das Risiko eines Filterbrandes“, ist sich Reisser sicher. Die Anlage ist ferner mit einer ABC-Pulverlöschanlage ausgestattet, die im Ernstfall den Brand sofort löschen soll.
Die Einhausung des gesamten Arbeitsprozesses ist auch für den Lärmschutz ein zentraler Aspekt. Spritzverzinken ist mit knapp 120 dB(A) Ausgangsschallpegel so laut wie eine Kreissäge oder ein Presslufthammer. Der Wandaufbau der selbsttragenden Kabine ist 80 mm dick und gemäß EU-Richtlinie mit hochverdichteter Mineralfaser der Baustoffklasse A1 gefüllt. „Unsere Messungen ergeben nun ein Schalldämm-Maß von 45 dB(A)“, so Reisser. Die Kabine erfüllt damit auch eine wichtige Schallschutzfunktion für die Mitarbeiter. Damit werden auch an dieser Stelle die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten.
Im Hallenabschnitt neben der Zinkspritzkabine setzt SAF-Holland außerdem ein räumliches Lüftungssystem ein, das 16 Schweißroboterplätze abdeckt. Hier werden unter anderem Bremsträger, Führungslenker und Ventilhaltebleche geschweißt. Für die Hallenlüftung wurden insgesamt vier Rohrleitungsstränge an der Hallendecke installiert. Der aufsteigende Rauch wird über zwei Ansaugrohrleitungen mit Lüftungsgittern erfasst. Danach wird die partikelhaltige Luft über das 300 m lange Wickelfalzrohr zur Filteranlage im Außenbereich geleitet und dort gereinigt. Am Ende führen die beiden anderen Rohrstränge über Zuluftöffnungen die saubere Luft in die Halle zurück.
Mit der integrierten Sommer- und Winterumschaltung lässt sich die Anlage im Umluft- oder Abluftbetrieb nutzen. Beim Umluftbetrieb wird die gereinigte Luft wieder zurück in die Halle geführt. Das ist vor allem in den kalten Wintermonaten sinnvoll, um Heizkosten zu sparen. Im Sommer hingegen wird die gefilterte Luft im Abluftbetrieb ins Freie geleitet und die Belüftung erfolgt dann beispielsweise über geöffnete Hallentore.
Der aufsteigende Schweißrauch wird sofort von den Absaughauben erfasst
Die Zinkspritzkabine und das Hallenlüftungssystem in Werk 3 sind nur zwei Beispiele für die umfangreiche Absaugtechnik, die in Bessenbach eingesetzt wird. Im benachbarten Werk 1 ist das bislang größte Absaugsystem am Standort installiert. Vor einem Jahr hat das Unternehmen dort vier Schweißzellen mit je zwei Schweißrobotern mit sechs Absaughauben ausgestattet. Die Hauben sind im Schnitt 3 mal 4 m groß und direkt über den Schweißplätzen positioniert, an denen Achslappen und Bremsträger bearbeitet werden. Der Schweißrauch steigt auf und wird direkt erfasst. Seitliche Lamellenvorhänge unterstützen die Rauchgaserfassung und stellen sicher, dass Luftströme die belastete Luft nicht weiter in den Raum tragen.
Die zugehörige Filteranlage ist über ein verzinktes Wickelfalz-Rohrsystem mit den Hauben verbunden. „Mit der 75 kW starken Ventilatoreinheit schaffen wir bei 3500 Pascal einen Volumenstrom von knapp 50000 Kubikmeter pro Stunde“, so Philipp Reisser. „Diese Power wird gleichzeitig für zwanzig weitere Handarbeitsplätze in der Halle genutzt.“ Bei diesen wird der Schweißrauch jedoch punktuell mit Absaugarmen erfasst. Das System befindet sich wie die Absauganlage der Zinkspritzkabine im Außenbereich. Wegen der Nähe zu einem angrenzenden Wohngebiet wurde die Anlage über eine Länge von 17 m komplett schalldämmend eingehaust.
Der Bedarf an Absaugtechnik ist beim börsennotierten Achsenhersteller allerdings noch nicht gedeckt. „Weitere Projekte an anderen Standorten in Europa sind bereits in Planung“, verrät Rainer Körner. Der Standort Bessenbach verfüge über viele unterschiedliche Absaugsysteme, die jedoch alle passgenau auf die jeweilige Anwendung zugeschnitten sind. Grundlage dafür sei das modulare Anlagenprinzip von Esta. Sein Resümee fällt positiv aus: „Kompetenz, Termintreue und ein professionelles Projektmanagement haben unsere Zusammenarbeit geprägt.“
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