Arbeitsschutz | Rund ein Drittel der in Deutschland getragenen Arbeitskleidung wird im Full-Service bezogen. Nicht ohne Grund, denn für viele Arbeitgeber ist die persönliche Schutzausrüstung ein Buch mit sieben Siegeln. Sie überlassen das komplexe Terrain lieber einem Profi.
Bonni Narjes Fachjournalistin in Hamburg
Berufsbekleidung soll auch nach der xten Wäsche immer noch tadellos aussehen, wenn möglich. Das wünschen sich die Träger, ihre Chefs und die Anbieter von Berufskleidung im Full-Service ohnehin. Schließlich geht es auf ihre Kosten, wenn die Kleidung schnell verschleißt und ausgetauscht werden muss. Kein Mensch möchte seine Hose nach dem Waschen mit Hochwasserbeinen, ausgeblichen oder mit lädiertem Reißverschluss zurückhaben.
Die intensiven Waschverfahren in den großen Waschstraßen der Pflegeprofis verlangen der Kleidung einiges ab, denn die Arbeit in Produktion und Instandhaltung hinterlässt intensive Spuren auf der Kleidung. Gegen Kühlschmierstoffe, Öl und Farbe haben die im Vergleich soften Waschgänge der Haushaltsmaschine kaum eine Chance. Nach einem Durchlauf durch die bis zu 6 m langen Waschstraßen gehen sie hingegen sauber in die nächste Tragerunde. Allerdings eignet sich hier nur Kleidung, die einiges aushält – trotz ausgeklügelter technischer Verfahren, die nur gegen den Schmutz radikal vorgehen und das Gewebe selbst nicht angreifen.
Vor einigen Jahren schlossen sich daher die großen unter Europas Textil-Service-Anbietern zusammen und setzten sich für die Einführung eines Pflegesymbols ein. Das „Industrial Qualification Label“ kennzeichnet eine Berufskleidung als industriell waschbar. Das bedeutet, dass sie geprüft wurde und auch langfristig nicht an optischer oder ergonomischer Qualität verliert.
Für alle Gewebe, die in der Berufskleidung eingesetzt werden, gelten Mindestanforderungen, die vom europäischen Dachverband, der European Textile Service Association (ETSA), festgelegt sind. „Wir wollen Reklamationen vorbeugen“, erklärt Barbara Reutlinger-Hesse. „Deshalb prüfen wir intern alle chemischen und technischen Eigenschaften der Kleidung, die wir einsetzen.“ Die Diplom-Ingenieurin für Textiltechnik leitet das Technikum des Textil-Service-Anbieters Mewa in Wiesbaden. Dort wird im eigenen Prüflabor kontrolliert, ob eine Kleidung tatsächlich der vom Konfektionär versprochenen Qualität entspricht. Die Gewebe werden auf Reißfestigkeit, Farbechtheit und Abrieb getestet, Nähte auf ihr Schrumpfverhalten, Schnallen, Reißverschlüsse und Knöpfe auf ihre Hitzeresistenz. Die Methoden, mit denen es den Prüflingen an die Wäsche geht, wurden größtenteils von den Wiesbadener Spezialisten selbst entwickelt. „Das machen wir nicht nur bei neuen Kollektionen“, versichert Reutlinger-Hesse. „Wir nehmen kontinuierlich Stichproben aus unserem laufenden Bestand.“
Erster Abschnitt des Testmarathons ist die Langzeitwäsche. 1750 Probeteile nehmen jeden Monat daran teil. Mit speziellen Waschmaschinen, Finisher und Tumbler werden die Bedingungen der Industriewäsche nachgestellt, um Knöpfe, Schnallen, Reißverschlüsse, Klettverschlüsse und konfektionierte Bekleidungsstücke streng nach den standardisierten ISO-Vorgaben zu behandeln. Die gesamte Teststrecke kann schon mal bis zu 29 Arbeitstage dauern. Stress pur für alle Gewebe ist zum Beispiel die Pillingprüfung. Pilling ist der Fachausdruck für die kleinen Knötchen, die auf der Kleidung nach einiger Zeit als Gebrauchsspuren zu sehen sind. Diese lästigen Flusen entstehen durch Reibung auf dem Gewebe und machen jedes Kleidungsstück irgendwann unansehnlich. Um das Pillingverhalten des Gewebes zu untersuchen, landet jeder Prüfling auf dem so genannten „Martindale”, wo ein Gewebestempel 5000 mal auf einer Stoffprobe herum scheuert.
Was für die normale Berufsbekleidung gilt, zählt für Schutzbekleidung gleich mehrfach. „Bei Textil-Dienstleistern gibt es in der Regel keinen Schutz im Sonderangebot“, weiß Wolfgang Quednau. „Vielmehr setzen sie auf Schutzkleidungskonzepte und passende Wartungsmodelle, die sich rechnen, weil sie ihre Träger kontinuierlich effizient schützen und so den Verschleißersatz minimal halten.“ Der Textilchemiker sitzt in ISO-, CEN- und DIN-Normungsgremien für persönliche Schutzausrüstung und berät Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung von Kleidung im Beruf. „Kleidung für Fachkräfte muss nachhaltig sein, denn kaputte Schutzkleidung schützt nicht mehr und muss ersetzt werden“, so Quednau. Ist man als Anbieter vertraglich dazu verpflichtet, versucht man natürlich, diese Verschleißkosten zu vermeiden und beugt ihnen durch hochwertige Kleidung vor, die zum Einsatzgebiet passt.
Das ist ohne Zweifel ein Schutzvorteil für die eingekleideten Mitarbeiter, aber nicht immer ein gutes Verkaufsargument im technischen Einkauf. Nur zu oft wird bei der Anschaffung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) über den Preis heftig diskutiert. Das ist jedenfalls die Erfahrung von Wolfgang Quednau. Doch er gibt zu bedenken: „Für die Wirtschaftlichkeit einer PSA ist ihre Eignung für die vorhersehbare Einsatzbedingung ausschlaggebend. Preiswerte Schutzkleidung muss nicht zwingend wirtschaftlich sein, wenn sie erstens in den wirklich relevanten Risikobereichen nicht ausreichend schützt und zweitens einen hohen Verschleiß aufweist“, erklärt er.
Die Anschaffung ist eine Sache. Das andere relevante Kriterium hinsichtlich Sicherheit und Kosten ist die Haltbarkeit. Hierbei muss eine zentrale Frage in der Wirtschaftlichkeitsberechnung berücksichtigt werden: Wie hoch sind bei der Kleidung die Kosten für Reparatur, Nachrüstung und Ersatz? Wolfgang Quednau rät daher beim Angebot eines Dienstleisters zu prüfen, was alles darin enthalten ist. Ausschlaggebend sei aber auch die Beratungskompetenz des Unternehmens. Wie gut ist es um die Arbeitsschutz-Kenntnisse der Mitarbeiter bestellt? Das zeige sich in der Regel bereits beim ersten Telefonat. Wem ohne weitere Nachfragen gleich ein bestimmtes Produkt angeboten wird, der solle skeptisch reagieren. Denn Schutzkleidung muss genau zu der Tätigkeit passen, bei der sie getragen wird. Erst dann schützt sie wirklich.
Deshalb kann ein Schutzkleidungslieferant nur im persönlichen Gespräch und durch detailliertes Nachfragen entscheiden, ob er ein passendes Produkt hat und wenn ja, welches. Seriöse Anbieter verfügen über qualifizierte Berater, die sich in den aktuellen rechtlichen Anforderungen und Normen für Schutzkleidung auskennen. Sie verschaffen sich vor Ort beim Kunden einen Überblick und beraten den dort für den Arbeitsschutz verantwortlichen Mitarbeiter auf Basis der vorliegenden Gefährdungsbeurteilung zu einer geeigneten Ausstattung.
Wichtig sind auch die rechtlich relevanten Aspekte für die Pflege. Schutzkleidung muss regelmäßig gewartet und inspiziert, das heißt auf Verschleißerscheinungen hin untersucht werden. Die Inspektionen sind notwendig, um sicherzustellen, dass die Schutzkleidung weiterhin ihren Zweck erfüllt und den ursprünglichen Anforderungen gerecht wird. Diese Aufgabe übernehmen Dienstleister ebenfalls. Doch bevor man einen Vertrag unterschreibt, sollte man sich überzeugen, ob Wartung und Inspektion auch durch geschultes und kompetentes Personal durchgeführt werden. Die Profis in der Textil-Branche garantieren, dass Änderungen an der angebotenen Kleidung so ausgeführt werden, dass die Zertifizierung gültig bleibt. Zusätzlich sollte vertraglich geregelt sein, dass die Kleidung nach Pflege und Wartung noch dem Stand der Technik entspricht, nach dem sie zertifiziert wurde. Und schließlich muss die Schutzkleidung dem Träger genau passen, sonst kann es passieren, dass sie nicht mehr ausreichend schützt. Da nicht alle Mitarbeiter Modellmaße haben, ist es wichtig, dass der Anbieter auch Spezialgrößen zur Verfügung stellen kann.
Einige Lieferanten bieten Leistungen an, die den Berufsalltag zusätzlich vereinfachen. Dazu gehören zum Beispiel Absprachen zu den Lieferterminen und der internen Verteilung der Kleidung. Und wenn ein Anbieter außerdem noch Labels mit dem Firmenlogo und dem Mitarbeiternamen so auf der Kleidung anbringen kann, dass sie normenkonform bleibt, ist schon fast die Kür erreicht. Denn Sticker dürfen auf keinen Fall einfach aufgenäht werden. Für die Veränderung von Schutzkleidung sind strenge Vorgaben einzuhalten.
Ein letzter Punkt ist die Entsorgung. Zweckuntaugliche Schutzkleidung darf nicht wieder in Gebrauch genommen werden. Bei der Entsorgung der Schutzkleidung sollten die Umwelt und die Gesundheit und Sicherheit aller Personen, die mit der zu entsorgenden Schutzkleidung in Kontakt kommen, berücksichtigt werden. Auch hier ist es sinnvoll vor Vertragsabschluss das Vorgehen des Anbieters zu erfragen.
Stefano Ruggeri ist Leiter Safety & Inspection in der italienischen Niederlassung des Chemieherstellers Arkema in Rho bei Mailand. Für ihn war die Vollversorgung ein wesentlicher Grund für die Umstellung von Kauf auf textile Dienstleistung. In seinem Werk müssen über 200 Mitarbeiter gegen Chemikalien wie zum Beispiel Schwefelsäure geschützt werden. „Wir haben jetzt die Sicherheit, dass im Schrank unserer Mitarbeiter immer normgerechte Kleidung bereitliegt“, erklärt er den Wechsel von Kaufkleidung in Eigenverantwortung zum Vertrag mit einem textilen Dienstleister.
Dabei ist die Sicherheit im Schrank ganz wörtlich zu nehmen, besonders wenn am Arbeitsplatz mit gefährlichen Stoffen hantiert wird. Denn wo mit Benzin, Lösungsmitteln oder Kühlschmierstoffen umgegangen wird, greift die Gefahrstoffverordnung. Seit ihrer letzten Änderung am 1. Dezember 2010 haben Arbeitgeber nicht nur für die sachgerechte Pflege der Arbeitskleidung zu sorgen. Sie müssen auch sicherstellen, dass diese getrennt von Straßenkleidung aufbewahrt wird.
Deshalb stellen viele Anbieter von Berufs- und Schutzkleidung im Full-Service auch passende Aufbewahrungssysteme zur Verfügung, damit ihre Kunden diese Verpflichtung ganz einfach erfüllen können. Dank verschieden ausgestatteter Schrankmodule, die sich individuell zusammenstellen lassen, hat jeder Mitarbeiter ein eigenes abschließbares Fach für seine Arbeitsbekleidung. Verunreinigte Hosen und Hemden werden in das Sammelfach für Schmutzwäsche geworfen. Die wird vom Anbieter im vereinbarten Turnus abgeholt und die sauber gewaschenen Kleidungsstücke wieder in die richtigen Fächer einsortiert. So findet jeder Mitarbeiter ohne langes Suchen zu jeder Schicht saubere Sachen: Einfach den Schrank öffnen, umziehen und frisch ans Werk.
Textil-Dienstleister gehen nicht nur richtig und rechtskonform mit Verschmutzungen um, die in Produktion und Instandhaltung anfallen. Sie verhelfen auch Unternehmen der Lebensmittelindustrie zu hygienischer Kleidung. Die Anforderungen in dieser Branche sind extrem. Wer Lebensmittel produziert, verarbeitet oder anbietet, muss hygienisch einwandfrei arbeiten und dies entsprechend dokumentieren. So fordert es das europäische Recht. Die Kleidung von Mitarbeitern gehört natürlich dazu. Seit Januar 2012 ist die Version 6 des internationalen Lebensmittelstandards verbindlich. Sie fordert eine regelmäßige Pflege auf Basis einer prozess- und produktorientierten Risikoanalyse. Hier kann nur ein genau definierter und kontrollierter Prozess für Gewissheit sorgen.
Deshalb garantieren professionelle Textildienstleister durch einen speziellen Pflegeprozess für eine hygienisch definierte Qualität der bei ihnen gepflegten Kleidung. Darauf setzt auch Gerhard Woerle. Er führt in vierter Generation eine der größten und modernsten Privatkäsereien in Österreich und exportiert seine Produkte in über 60 Länder. Rund 250 Mitarbeiter sind in der Käseproduktion beschäftigt. Die Pflege und Instandhaltung der Berufskleidung außer Haus sind für Woerle eine große Entlastung: „Der Umfang war alleine nicht mehr zu bewältigen.“ Am Ende sei das Ganze ein Rechenexempel. Und eines steht für den Geschäftsführer ohne Zweifel fest: „Das Servicesystem ist günstiger als der Kauf.“
Kleidung im Full-Service geht damit weit über die zeitliche und logistische Entlastung hinaus und deckt viele Aufgaben des Arbeitgebers mit ab. Nicht zuletzt gehört auch die Entlastung des Umweltgewissens dazu. Wer die Schmutzwäsche den Profis überlässt, tut auch etwas für die Natur und die eigenen Umweltkennzahlen. Kontinuierliche Investitionen in saubere Technologien zeigen Wirkung. Das belegt eine aktuelle Untersuchung der ETSA. Demnach reduzierte die Textilreinigungsbranche zwischen 2007 und 2011 ihren CO2-Ausstoß um 7 % durch Energieeinsparungen. Smarte Systeme für die Wasseraufbereitung, Wärmerückgewinnung, der Einsatz von regenerativen Energiequellen und nicht zuletzt neue Waschmittel, die bei geringeren Temperaturen bereits volle Wirkung entfalten, werden die Ökobilanz auch künftig weiter verbessern – so die Prognose der ETSA.
Für industrielle Wäschereien lohnt sich die Investition in neue Techniken. Aber auch Kunden, die ein zertifiziertes Umweltmanagementsystem besitzen, profitieren davon: Die Ressourcenschonung von Dienstleistern wirkt sich direkt auf die eigene CO2-Bilanz aus. •
Textildienstleister haben viel Luft nach oben
Die gute Entwicklung der deutschen Wirtschaft und damit auch des Arbeitsmarkts schafft für Textil-Dienstleister beste Voraussetzungen. Ihre Auftragslage ist eng verknüpft mit der gesamtwirtschaftlichen Situation eines Landes. Mit der Bereitschaft von Unternehmern, mehr Arbeitnehmer einzustellen, verbessert sich automatisch die Nachfrage nach textiler Dienstleistung. Schließlich müssen die neuen Mitarbeiter eingekleidet werden. Die Umsätze in der deutschen Textil-Service-Branche stiegen 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 2,1 % auf 3,155 Mrd. Euro. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr rund 6,7 Mio. Arbeitnehmer von Pflegeprofis eingekleidet, so eine Hochrechnung des Wirtschaftsverbands Textil Service. In Europa setzte die Textildienstleistungs-Branche in 2012 rund 11 Mrd. Euro um. Für Wachstum besteht reichlich Potenzial. Laut einer Marktstudie von Deloitte könnte die Branche in Europa einen Gesamtumsatz von 46 Mrd. Euro erreichen. •
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