In der Smart Factory kommunizieren Maschinen miteinander, treffen selbstständig Entscheidungen und steuern autonom die Produktion. In so einem Szenario könnten intelligente Roboter den Menschen im Fertigungsprozess zum Gehilfen degradieren oder gar komplett verdrängen. In diesem Zusammenhang stellen sich gleich mehrere Fragen. Muss ein industrieller Arbeitsplatz künftig überhaupt noch die Bedürfnisse des Mitarbeiters berücksichtigen? Oder sollte der Mensch ein wichtiger Faktor im Produktionsprozess bleiben? Wie verändert sich grundsätzlich der Arbeitsplatz unter dem Einfluss von Industrie 4.0?
Neben all den Fragen ist aber eines bereits gewiss: Die Produktion befindet sich im Wandel und die traditionelle Massenproduktion ist ein Auslaufmodell. Statt dessen werden zunehmend kundenindividuelle Einzelstücke in Serie nachgefragt. Was sich zunächst nach einem Widerspruch anhört, lässt sich aber mit Automatisierung, intelligenter Vernetzung und Digitalisierung der Produktionsprozesse, sprich mit Industrie 4.0, realisieren. Die Voraussetzung für eine flexible und kundenindividuelle Fertigung in Losgröße 1 ist die Vernetzung aller Stationen innerhalb der Wertschöpfungskette. Der Produktion vor- und nachgelagerte Prozesse wie die Eingangs- und Ausgangslogistik müssen nicht nur miteinander, sondern auch mit allen Stufen des Produktionsprozesses in einem kontinuierlichen Datenaustausch stehen. Steht etwa das benötigte Material aus dem Lager nicht rechtzeitig am Arbeitsplatz zur Verfügung, kann die Produktion wegen dieses Abstimmungsfehlers ins Stocken geraten. Die Bereitstellung und Übermittlung der Daten sowie die Verknüpfung mit übergeordneten Systemen werden deswegen in der Zukunft eine größere Rolle spielen. Dieser Vorgang eröffnet Chancen, bringt aber auch neue Herausforderungen mit sich, die die Unternehmen meistern müssen.
Der manuelle Arbeitsplatz ist der Ort mit dem höchsten Wertschöpfungsanteil und hat deswegen eine besondere Bedeutung. Im Fokus stehen vor allem ergonomische Gesichtspunkte, welche die Produktivität des Arbeitnehmers steigern sollen. Eng mit der Ergonomie verknüpft ist die Individualisierbarkeit des Arbeitsplatzes. Ein Beispiel sind Arbeitsstühle, die sich an persönliche Bedürfnisse anpassen lassen und mit denen in verschiedenen Höhen ergonomisch gearbeitet werden kann. Stufenlos höhenverstellbare Tische erleichtern die schnelle Umwandlung von einem Steh- in einen Sitzarbeitsplatz und umgekehrt. Um einseitige Bewegungen zu vermeiden, bieten moderne Arbeitsplatzsysteme eine individuelle Positionierung von Werkzeugen und Materialien. LED- oder Tageslichtleuchten sorgen für eine verbesserte Konzentrationsfähigkeit des Mitarbeiters und reduzieren das Fehlerrisiko.
Auch der Technisierung des Arbeitsplatzes tragen die Hersteller Rechnung. Bildschirme werden ergonomisch angebracht und Leitungen sicher in Kabelkanälen und Kabelwannen verstaut. Nutzt der Mitarbeiter beispielsweise regelmäßig den Monitor, muss das Gerät direkt im Blickfeld und nicht seitlich platziert sein. Denn letzteres führt zu Zwangshaltungen, die schmerzhafte körperliche Belastungen zur Folge haben. „Hier sind schwenkbare Monitorarme angesagt, die eine präzise Ausrichtung zulassen“, erklärt Marius Geibel, Produktmanager bei item und Experte für Ergonomie. Moderne industrielle Arbeitsplätze sind modular aufgebaut, beliebig erweiterbar und lassen sich deshalb leicht auf unterschiedliche Bedürfnisse einstellen. Ändert sich beispielsweise das Prinzip der Materialversorgung, kann der Mitarbeiter ohne großen Aufwand und sogar ohne Produktionsstillstand darauf reagieren. Am Ende ist die Kombination aus ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung und effizienter Intralogistik gefragt. Eine einfache und schnelle Materialversorgung, kurze Greifwege, eine sichere Handhabung der Bauteile und nicht zuletzt eine eindeutige Beschriftung und Zuteilung der Materialbehälter optimieren die Abläufe und steigern am Ende die Produktivität.
Doch ist im Produktionsprozess der Zukunft überhaupt noch Platz für einen auf menschliche Bedürfnisse ausgerichteten Arbeitsplatz, an dem ein Mitarbeiter manuelle Tätigkeiten ausübt? Eine Frage, die Geibel mit einem klaren Ja beantwortet: „Der Roboter kann den Menschen nicht ersetzen. Bei motorisch komplexen Tätigkeiten ist der Werker der Maschine klar überlegen.“ Das Thema Ergonomie hat daher auch in Zukunft oberste Priorität – insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. „Da die Unternehmen durch die Überalterung der Gesellschaft immer weniger qualifizierte Mitarbeiter haben, ist es wichtig, deren Gesundheit und Leistungsfähigkeit lange zu erhalten“, weiß der Ergonomie-Experte.
Trotz des steigenden Automatisierungsgrades müssen künftig einige Montagearbeiten weiterhin manuell durchgeführt werden. Hier kommen kollaborierende Roboter zum Einsatz, die in den Fabriken der Zukunft häufig anzutreffen sein werden. Diese sogenannten Cobots arbeiten direkt mit dem Menschen zusammen und sollen ihm körperlich belastende und unergonomische Arbeiten abnehmen. Hierzu gehört zum Beispiel das Heben und Positionieren von schweren Werkstücken. Bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen mit kollaborierenden Robotern sind allerdings spezielle Sicherheitskriterien zu berücksichtigen, um die Gefahr von Verletzungen bei einer möglichen Mensch-Maschine-Kollision zu minimieren. In diesem Zusammenhang spielen auch die so genannten cyberphysischen Objekte (CPO) eine wichtige Rolle. Das verwendete Werkzeug ist als CPO selbst Informationsträger und gibt Anweisungen, welcher Montageschritt als Nächstes erfolgen soll.
Alles nur Science-Fiction oder schon bald Realität? Marius Geibel ist sich sicher, dass sich das Arbeitsumfeld für den Mitarbeiter nicht radikal ändert: „Eine grundlegende Revolution der Arbeitsplatzgestaltung sehe ich nicht auf uns zukommen. Viele Aspekte, die auch heute schon relevant sind, werden künftig einfach nur in verstärkter Form zum Tragen kommen.“ Der Mitarbeiter müsse sich zwar immer häufiger mit neuen Techniken auseinandersetzen, verdrängt werde er von diesen aber nicht.
Welche Handlungsempfehlungen ergeben demnach für die Unternehmen? Bleibt der Mensch im Gefüge von Industrie 4.0 präsent, stehen seine Bedürfnisse bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes weiterhin im Vordergrund? Die Unternehmen sollten grundsätzlich ihr Augenmerk auf Ergonomie, Individualisierbarkeit und Modularität legen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben und für künftige Herausforderungen gerüstet zu sein. Schulungen können wertvolle Tipps für die Arbeitsplatzgestaltung an die Hand geben. Darüber hinaus ist es ratsam, die Mitarbeiter frühzeitig auf neue Techniken vorzubereiten und bei allen Entscheidungen einzubinden. Denn eines ist sicher: Ohne Akzeptanz und Vertrauen funktioniert auch in Zukunft kein Arbeitsplatz und auch keine Arbeitsplatzgestaltung. (ub)
„Die Mitarbeiter müssen von Anfang an mit eingebunden sein“
Herr Geibel, welche Tipps haben Sie für Unternehmen, die ihren Digitalisierungsgrad im Bereich Arbeitsplatzgestaltung verbessern wollen?
Der Digitalisierungsgrad in Unternehmen im Bereich der Arbeitsplatzgestaltung ist sehr unterschiedlich. Zwar haben die meisten erkannt, dass sie ihre Prozesse digitalisieren müssen, um zukunftsfähig zu bleiben und Abläufe zu beschleunigen. Bei vielen hakt es jedoch noch an der Umsetzung. Natürlich hängt der Grad der Digitalisierung auch von der Unternehmensgröße ab. Das wichtigste aber ist, dass die Digitalisierung nie ad hoc in Angriff genommen wird. Dieser Grundsatz sollte zudem unabhängig von der Größe des Unternehmens sein.
Welche Rolle spielt bei diesen Umwälzungen die Unternehmenskultur?
Neue Systeme müssen eingeführt und von der Belegschaft akzeptiert werden. Es ist entscheidend, die Mitarbeiter von Beginn an in den Digitalisierungsprozess einzubinden und frühzeitig zu schulen. Dabei muss auch auf die individuellen Charaktere eingegangen werden, sonst kann das schnell zu Motivationseinbußen führen. Wir raten deshalb immer dazu, mit neuen Softwarelösungen am Arbeitsplatz nicht sofort in den Echtbetrieb zu gehen, sondern vorab eine Testinstanz zu schaffen. Fehlerquellen lassen sich so leichter identifizieren und beheben, bevor das System im schlimmsten Fall für einen Produktionsstillstand sorgt. Außerdem lässt sich mit einem Feldversuch auch gleich die Akzeptanz der Mitarbeiter testen.
Was muss bei der Gestaltung eines digitalen Arbeitsplatzes beachtet werden?
Entscheidend ist, dass der Arbeitsplatz sicher und ergonomisch gestaltet ist. Stolperfallen durch herumliegende Kabel oder falsch montierte Steckerleisten können den Mitarbeiter schnell aus dem Konzept bringen und auch gefährlich werden. Um das zu vermeiden, haben wir beispielsweise Kabelwannen und Kabelführungsprofile entwickelt. Zudem sorgen wir mit der Modularität unseres Baukastensystems dafür, dass die Arbeitsplatzgestaltung auch in Zeiten der Digitalisierung flexibel bleibt. Ändern sich die Anforderungen, lassen sich die Arbeitsplatzsysteme einfach anpassen.
Welche digitalen Angebote werden bereits angeboten?
Auf einer zentralen Plattform stellen wir Tools zur Verfügung, mit denen sich genau die gewünschte Lösung konfigurieren lässt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Arbeitsplatz, eine Intralogistik-Lösungen, eine Profil-Auswahl oder die Auslegung von Linearführungen inklusive Motor und Getriebe handelt. Mit den intelligenten Lösungen kann der Kunde am Bildschirm individuelle Projekte entwerfen. Stücklisten beschleunigen dabei zusätzlich die Planung.
Werden diese Tools angenommen?
Bei der Entwicklung der Online-Tools haben wir den Fokus bewusst auf eine intuitive Bedienung gelegt. Nutzer sollen von Beginn an jegliche Hemmschwellen ablegen und die Tools einfach bedienen können. Der Konfigurator zur Konstruktion innerbetrieblicher Transportlösungen und beweglicher Regale beispielsweise ist komplett webbasiert und folgt dem Gedanken der sogenannten Gamification. Per Drag and Drop lassen sich individuelle Lösungen intuitiv zusammenstellen. Wir wollen, dass unsere Kunden offen sind für die Digitalisierung und Spaß an der Konstruktion ihrer Betriebsmittel haben.