Was haben Sie sich als CEO der Kuka Robotersparte vorgenommen? Wo setzen Sie Akzente?
Kuka ist traditionell ein stark technologisch geprägtes Unternehmen und hat in der Vergangenheit stark auf ‚Technology Push‘ gesetzt. Diese technologische Stärke möchte ich stärker mit den Marktanforderungen in Einklang bringen, um uns noch besser an den Märkten zu orientieren und Produkte aus den konkreten Marktanforderungen abzuleiten. Unsere Organisation muss agil und flexibel sein, um mit der Volatilität der Branche Schritt zu halten.
Wie wollen Sie die stärkere Marktorientierung konkret umsetzen?
Eine Schlüsselrolle übernimmt dabei das Produktmanagement. Das Produktmanagement ist die zentrale Schaltstelle, um Marktperspektiven zu sammeln, zu bewerten und daraus Produkte zu generieren. Daher haben wir das Produktmanagement neu ausgerichtet und deutlich anders aufgestellt, mit einer klaren Marktverantwortung.
In welchen Anwendungen und Märkten liegen aktuell für Kuka Wachstumssegmente?
2024 wachsen viele Segmente industrieübergreifend nicht sonderlich stark. Das liegt an der schwachen Konjunktur. Dennoch ist Robotik ein absolutes Zukunftsfeld. Wachstum sehen wir besonders im Bereich mobile Robotik: Bei unseren AMRs gibt es ein sehr starkes Interesse im Markt. Auch Bereiche wie die Medizintechnik oder 3C, also Elektronik und Computerkomponenten, laufen gut. Aber die meisten Hauptbranchen sind derzeit eher verhalten – sowohl in Deutschland als auch weltweit.
Wie entwickelt sich für Kuka der traditionell starke deutsche Heimatmarkt?
Langfristig werden die Märkte wachsen, da es einen hohen Bedarf für Automatisierung gibt. Kurzfristig beobachten wir rückläufige Entwicklungen für die Märkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgrund schwacher wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Deutschland gehört bei der Roboterdichte zu den Vorreitern in Europa, dennoch gibt es Potenzial für weiteres Wachstum. Nordamerika läuft gut und auch in Asien-Pazifik sind die Entwicklungen sehr positiv. Das sind aktuell unsere stärksten Wachstumsregionen. China hatte zumindest ein sehr gutes zweites Quartal, ist aber immer stark von einzelnen Branchenentwicklungen abhängig.
Gerade in Deutschland hatte der VDMA Robotik und Automation kürzlich seine Wachstumsprognose halbiert, weil im Inland die Aufträge bröckeln. Was müsste sich ändern, um die Verunsicherung in Deutschland aufzulösen?
Die gesamte Industrie in Deutschland hängt sehr stark von der Automobilindustrie ab, auch in zweiter oder dritter Linie – etwa im Maschinenbau. Gerade bei den deutschen Automobilherstellern merkt man deutlich die Unsicherheit in der Entwicklung der Antriebssysteme. Erst haben sie sich zu 100% auf Elektromobilität fokussiert, jetzt kommt langsam die Erkenntnis, dass die Kunden gar nicht so schnell mitgehen. Im Investitionsgüterbereich ist Unsicherheit die größte Hemmschwelle für Investitionen. Selbst eine schlechte Situation ist besser als eine unsichere.
Warum?
Nun, man kann sich wenigstens auf die Situation einstellen. Im Moment werden Projekte einfach zurückgehalten. Unsere Projektpipeline sieht nicht schlecht aus, aber Entscheidungen werden verzögert, weil die Firmen ihre Strategien gerade neu ausrichten. Und das betrifft nicht nur den Automobilbau, sondern auch die gesamte Folgekette. Umso wichtiger ist es, sich in solchen Phasen damit zu beschäftigen, Unsicherheiten abzubauen und nachhaltige, flexible und zukunftsfähige Produktionskonzepte zu fördern. Roboterbasierte Automatisierung in Kombination mit künstlicher Intelligenz eignet sich dafür besonders.
Warum läuft es gerade in Nordamerika so positiv?
Man merkt in jedem Fall das US-Programm zur Reindustrialisierung. Es wird viel in die Industrie vor Ort investiert. Bei uns kommen aber auch Marktanteilsgewinne hinzu, es ist nicht allein der wachsende Markt. Wir hatten in den USA klassischerweise keinen so starken Marktanteil wie in Europa. Wir sind historisch stark bei den europäischen Automobilherstellern, aber eher schwach bei den amerikanischen, weil die japanischen Hersteller über die Westküste früh in den USA präsent waren. Unsere aktivere Marktbearbeitung in den USA zahlt sich nun aus.
Wo sehen Sie generell Wachstumsperspektiven für Kuka?
Unser Hauptschwerpunkt liegt nicht darin, anderen Wettbewerbern Marktanteile abzunehmen. Wir wollen eher die Einsatzgebiete der Robotik verbreitern und dadurch Wachstum generieren. Da sehe ich viel größeres Potenzial außerhalb der heutigen Einsatzgebiete. Zu dieser Markterweiterung gehören die Themen ‚Ease of Use‘ und unsere AMR-Aktivitäten.
Bei autonomen mobilen Robotern, AMR,
wollen Sie bis 2027 zu den Top 5 Herstellern gehören. Wie möchten Sie das erreichen?
Einerseits über den Ausbau des Vertriebs und andererseits über den weiteren Ausbau unseres Portfolios, wobei wir mit dem jetzigen Portfolio schon viele Anwendungen abdecken können. Insgesamt haben wir bislang sechs verschiedene AMR-Varianten im Einsatz. Einsatzgebiete reichen bis hin zur Batteriefertigung mit unserer neuen drei Tonnen-Plattform KMP 3000P. Zudem haben wir eine gut gefüllte Entwicklungs-Pipeline an AMR-Produkten.
Wie groß soll das AMR-Portfolio noch werden?
Ich möchte mich ungern auf eine genaue Zahl festlegen. Wir sind immer dabei, zu prüfen, wo es Sinn macht, ein separates Produkt zu entwickeln, um alle Kundenanforderungen bestmöglich abzudecken. Unser Ziel ist es nicht, das Portfolio möglichst groß zu machen, sondern damit so viele Anwendungen wie möglich gemeinsam mit unseren Integratoren zu bedienen.
Wer sind denn die AMR-Kunden? Adressieren Sie eher die Logistik oder große Industriekunden?
Unsere Hauptzielgruppe sind weniger die kleinen und mittleren Firmen, die vielleicht zwei oder drei AMRs einsetzen können, sondern eher größere Firmen. Aber weil wir über Integratoren in den Markt gehen, sind uns als AMR-Hersteller die Anwendungen letztlich gar nicht so wichtig. Sehr viel Aktivität sehen wir aber in zwei Bereichen. Erstens: End of Line. Beinahe jede produzierende Firma muss am Ende der Linie ihr Fertigprodukt in den Logistikbereich bringen. Das lässt sich selten über fixe Förder- und Transportstrecken abbilden. Daher fahren hier heute noch viele Stapler. Hier sind AMRs viel besser geeignet. Der zweite Bereich ist die Logistik. Da sticht vor allem die USA hervor: Hier gibt es weniger Hochregallager, sondern einen viel größeren Anteil an Flächenlogistik, weil die Flächenkosten geringer sind und es genügend Platz gibt. Und immer wenn etwas in der Fläche gelagert wird, ist ein AMR interessant.
Und welche Rolle spielen KI und intelligente Software für Ihre Zukunftsstrategie?
KI ist für uns eine der Schlüsseltechnologien für die Weiterentwicklung in der Industrierobotik. Gerade der Weg zu ‚Ease of Use‘ führt nur über KI. Auch die Erschließung neuer Einsatzgebiete geht nur über KI: Wenn ich die Grenze des Roboter-Einsatzgebiets verschiebe und den Roboter in sehr variablen Situationen betreiben will, dann kann ich das heute nur sehr aufwändig vorab programmieren. Ein wichtiger Hebel ist dabei das Thema intelligente Robot-Vision, also Kamerasysteme verbunden mit künstlicher Intelligenz. Damit wird es möglich, variabel auf unvorhersehbare, nicht strukturierte und damit auch nicht einprogrammierte Situationen zu reagieren.
Entwickeln Sie diese Vision-KI-Funktionen selbst oder arbeiten Sie hier mit Partnern?
Sowohl als auch. Wir arbeiten an eigenen Lösungen, wollen aber immer auch intensiv mit Partnern zusammenarbeiten. Unsere Kunden, Integratoren und Partner entscheiden, welches Kamerasystem sie einsetzen. Wir legen daher sehr viel Wert auf offene Schnittstellen.
Wo sehen Sie generell die größten Anwendungsfälle für KI in der Robotik?
Gerade im Bereich Robot Vision gibt es für KI bereits einige Anwendungsfälle im Markt. Auch die schon erwähnten Mensch-Maschine-Schnittstellen sind interessante Anwendungsbereiche. Einen Roboter mit natürlicher Sprache zu programmieren macht die Technologie auch für Nicht-Experten zugänglich. Dafür entwickeln wir einen Copiloten für die Kuka-Roboter-Sprache KRL.
Wo sehen Sie zukünftige Wachstumsperspektiven für Kuka?
Wir wollen insbesondere die Einsatzgebiete der Robotik erweitern. Ich sehe ein sehr großes Potenzial außerhalb der heutigen Anwendungsbereiche für Roboter. Zu dieser Markterweiterung gehören die Themen ‚Ease of Use‘ und unsere AMR-Aktivitäten.
Als Königsdisziplin KI-Robotik gelten ja humanoide Roboter. Arbeiten sie auch daran?
Wir schauen uns Technologietrends grundsätzlich sehr genau an. Auch wenn manche Themen überhöht werden, gibt es fast immer spannende Aspekte. Bei den humanoiden Robotern sehen wir das Thema Autonomie im Vordergrund. Für autonome Robotersysteme werden vor allem Sinne, insbesondere Vision mit künstlicher Intelligenz benötigt. Zusätzlich entstehen hohe Anforderungen an flexible Greifersysteme. Die optische Nachahmung menschlicher Merkmale oder die Fortbewegung auf zwei Beinen halten wir jedoch für nicht notwendig.