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„Die Pneumatik erhält einen zusätzlichen Schub“

Festo-vorstandschef Dr. Eberhard Veit treibt Integration von Elektrik und Pneumatik voran
„Die Pneumatik erhält einen zusätzlichen Schub“

Der Vorstandsvorsitzende der Esslinger Festo AG, Dr. Eberhard Veit, über energieeffizient ausgelegte Komponenten, das neue Geschäftsfeld Elektrische Antriebe und die Synergien mit der Pneumatik.

Energie effizienter zu nutzen, lohnt sich mehr denn je. Welche Stellschrauben hält die Produktionsausrüstung bereit?

Eines vorweg: Wenn Maschinenbau und Fertigungstechnik die Energieeffizienz richtig nutzen, kann dies zur Triebfeder für die Konjunktur werden. Innovative Produkte verinnerlichen bereits die Tendenz für mehr Energieeffizienz, aber auch Technologien wie Condition Monitoring und partnerschaftliche Entwicklungen zwischen Zulieferer und Kunde tragen dazu bei, Energie effizienter zu nutzen. Die gesamtheitliche Sicht der Maßnahme ist wichtig, die mit passenden Servicekonzepten abgerundet wird. Überdies sollten auch die Forschung und Entwicklung das Thema aufgreifen, was an der Zahl der Patentanmeldungen sichtbar wird: Seit 2005 haben Komponenten- und Anlagenhersteller bundesweit 26 Prozent mehr Anmeldungen zum Thema Energieeffizienz und Energie eingereicht.
Entspricht das der Entwicklungsdynamik Ihres Hauses?
Wir übertreffen diese Marke, wenn auch zugegebenermaßen energieeffizient ausgelegte Komponenten oft mit anderen Dingen kombiniert werden. Nur um Energie zu sparen, wird in der Regel kein Patent angemeldet, sondern meistens in Kombination mit Mechatronik und Mikrosystemtechnik. Um der Vorreiterrolle aber Rechnung zu tragen, gehört auch dazu, dass wir an unseren Standorten und in unseren Produktionswerken die Energieeffizienz auch realisieren. Die Festo-Didactic hält für die Sensibilisierung und Bewusstseinsschärfung Schulungen bereit, um Maßnahmen zu verstehen und umzusetzen. Ergänzend dazu muss man die Energieeffizienz auch von der Seite der Abnutzung der Anlage sehen. Erst der verbrauchsgerechte Energieeinsatz beugt Verlusten, Verschleiß und einem frühzeitigen Ausfall vor. Die Energieeffizienz verhilft Produkten also zur Langlebigkeit.
Welchen Stellenwert hat das Thema beim Kunden, der wohl eher eine optimale Lösung anstrebt?
Direktvertrieb heißt kurze Wege zum Kunden: laut unserer 5000 Mitarbeiter, die jeden Tag draußen vor Ort sind, rangiert Energieeffizienz unter den Top-Drei-Themen. Neben der eigentlichen Lösung und der Funktionalität einschließlich der richtigen Auslegung wird der energetische Aspekt entscheidend nachgefragt. Aufgrund unserer riesigen Erfahrung mit Applikationen erwarten unsere Kunden, dass das Thema Energieeffizienz automatisch Bestandteil der Beratung ist.
Gibt es Richtlinien, die die Bereitschaft erhöhen, in solche Techniken zu investieren?
In der Tat wird es Vorschriften geben, die in puncto Energieeffizienz die Richtung vorgeben. Da Anlagen langlebig sein sollen, wird man als Betreiber darauf achten, die kommenden Standards zu erkennen. Ferner halte ich die Früherkennung für sehr wichtig. Schließlich ist die Energieeffizienz meistens ein Primärmerkmal dafür, ob eine Anlage ordentlich funktioniert. Da steigender Energieverbrauch in der Regel Verschleiß bedeutet, ist die Energieeffizienz eines der wichtigsten Früherkennungsmerkmale für Fehler, Verschleiß oder Unregelmäßigkeit.
Wann ist mit einem Normenwerk zu rechnen?
Ich gehe davon aus, dass im Jahr 2010/ 2011 nationale Normen entstehen werden. Diese dürften nach weiteren Jahren zu internationalen Normen erhoben werden und mit Übergang auch in die entsprechenden Zertifizierungen einfließen.
Welche Einsparpotenziale lassen sich realisieren?
Das lässt sich nur schwer quantifizieren, da die Einsparung in der ganzen Prozesskette eine Rolle spielt. Ein Beispiel ist die Firma Soutrac. Der Schweißanlagenbauer beauftragte uns mit dem Ziel, rund ein Drittel der Energiekosten bei einer neuentwickelten Schweißlinie einzusparen. Wir haben bei diesen Applikationen gemeinsam mit dem Kunden über 50 Prozent erarbeitet. Das zeigt, dass auch in bestehenden Lösungen durch Optimierungen vieles gelingt. Wichtig ist, mit uns als Partner zusammenzuarbeiten. Grundsätzlich möglich sind Einsparungen, die im Bereich zwischen 30 und 80 Prozent liegen.
Sie sprachen bei der Energieeffizienz die richtige Wahl der Antriebstechnologie an. Wie wichtig wird Ihr neues Geschäftsfeld Elektrische Antriebe? Gibt es Synergien zu Ihrer Pneumatik?
Die elektrischen Antriebe bilden, ich gebe es offen zu, eine Synergie zur Pneumatik, die wir so nicht erwartet haben. Inzwischen sind 50 bis 70 Prozent unserer Lösungen im Systemgeschäft hybrid, bei denen ein elektrischer und ein pneumatischer Antrieb zu einem Portal oder zu einer Pick&Place-Lösung kombiniert ist. Dies eröffnet neue Potenziale, Automatisierungslösungen noch kleiner und intelligenter zu gestalten, aber auch, die verbauten Komponenten genau auf die Applikation abzustimmen – sowohl Technologie als auch definierte Baugröße.
Aber Elektromotoren und Frequenzumrichter wird Festo nicht bauen?
Richtig. Da sind wir Partner vieler Unternehmen, die erkennen, dass Festo hier viel Anwendungskompetenz und Know-how aus dem Markt besitzt. Wir wissen genau, an welcher Stelle die Pneumatik stärker ist und wo sich der elektrische Antrieb eher eignet. Aber wir bieten auch rein elektrische Produkte, bei denen hintereinander gereihte Komponenten die Lösung für den Kunden darstellen.
Sie meinen den Linearmotor …
… den wir selber bauen. Wie Sie wissen, modifiziert Festo jeden beliebigen Pneumatikzylinder millimetergenau in gewünschter Länge. Im Bereich der elektrischen Antriebe funktioniert das bislang nicht. Dieses Problem haben wir mit einem Linearmotorsystem gelöst. Indem auf einem Träger einzelne Motoreneinheiten aufgereiht werden, lässt sich eine eng gerasterte x-Länge erreichen. Darauf zielen unsere Bemühungen – und nicht den Linearmotor nochmals zu erfinden. Wir eliminieren dessen Nachteile hinsichtlich der Baulänge und der Wärmeentwicklung, indem wir große Anteile der Wärme intelligent abführen.
Was wird davon auf der Motek zu sehen sein?
Auf alle Fälle eine weitere Lösung, die wir erstmals zeigen: Ein luftgelagertes Hybridsystem, das aus einem Linearmotor und einer pneumatischen Lösung besteht. Wird die Luft abgeschaltet, fungiert sie als selbsthemmende Linearachse mit enormen Haltekräften, die in der Höhe wie auch in der Breite stehen bleibt, was wiederum sehr energieeffizient ist.
Wie entwickelt sich der Geschäftsbereich Elektrische Antriebe bei Festo?
Zielsetzung ist ein jährliches Wachstum von 30 Prozent. Hohe Investitionen in neue Produkte sind bereits getätigt und sollen auch in den nächsten Jahren erfolgen. Es zahlt sich aus, hier lösungsorientiert aufzutreten, anstatt den Kunden nur mit Blick auf die Technologie etwas verkaufen zu wollen. Da wir von der applikationsorientierten Seite kommen, sind wir in der Kombinatorik Elektrik/Pneumatik nun voll flexibel, wobei die Softwarepakete zur Auswahl der richtigen Komponente die Auslegung und Konstruktion deutlich vereinfachen.
Wie entwickelt sich das Pneumatikgeschäft vor diesem Hintergrund?
Die Pneumatik wird durch unsere elektrischen Antriebe noch attraktiver. Das mag nach Widerspruch klingen. Aber dadurch, dass der Kunde mit der Pneumatik Lösungen gestalten kann, etwa durch elektrische Greifer oder in Kombination mit elektrischen Antrieben, und den Rest pneumatisch, kauft er sich das pneumatische System und zahlreiche Ventile damit zusätzlich, eventuell noch den Controller dazu. Über die elektrischen Komponenten erhält die Pneumatik also einen zusätzlichen Schub.
„Energetischer Aspekt wird entscheidend nachgefragt“

Der Mechatroniker
Seit Mai dieses Jahres ist Dr. Eberhard Veit Vorsitzender des Vorstands der Festo AG. Dem Führungsgremium des Esslinger Automatisierungsspezialisten gehört Veit seit nunmehr elf Jahren an. Überdies verantwortet er das Produkt- und Technologie-Management. Zuvor war Eberhard Veit beim Göppinger Modelleisenbahner Märklin maßgeblich für die Entwicklung von Mechatronik-Produkten verantwortlich. Als F+E-Leiter hat er bei Kärcher in Winnenden die dortige Consumer-Linie vorangetrieben. Sein Studium zum Dipl.-Ing. hat Veit an der Universität Stuttgart abgeschlossen. Für seine Dissertation an der Universität München erhielt er den Deutschen Innovationspreis 2000.
Die global ausgerichtete Festo AG, ein führender Hersteller von Automatisierungstechnik, erzielte im Geschäftsjahr 2007 einen konsolidierten Konzernumsatz von über 1,65 Mrd. Euro. Gegenüber Vorjahr sind dies 8,5 % mehr. Die Gruppe ist mit derzeit rund 14 000 Mitarbeitern weltweit präsent.
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