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Mittelfristig muss die Industrie die Fertigungsprozesse nicht nur nach Stückzahl, Qualität und Preis, sondern nach Verfügbarkeit und Preis von Energie steuern können – eine doppelte Transformation, die als Beschleuniger für Smart Production wirkt. Die Rezepte dafür liegen vor. Die Grundlagen entstehen schon als digitaler Zwilling der Steuerungen für den Maschinenbau und rund um die Produktdaten. Wenn es gelingt, in den jeweiligen Ökosystemen rund um Anlagen, Produkte und Fertigungsprozesse je einen vollständigen digitalen Zwilling zu erzeugen und diese klug zu verbinden, ebnet das weiter den Weg zu einer wirklich smarten Fertigung. Diese Transparenz ist nötig, um auch die Energieströme in Fabriken zu analysieren und zu managen.
Der Maschinenbau ist der Ausgangspunkt. Schon seit den 80er Jahren kann Automatisierungstechnik für Fabriken mit einem digitalen Stromlaufplan und logischen Schaltplan starten. Dafür hat sich beispielsweise Eplan als eine Standard-Anwendung in der Industrie etabliert. Neben der Software des Anbieters aus der Friedhelm Loh Group nutzen die Anlagenbauer dazu inzwischen einen weiteren Standard, nämlich das Eplan Data Portal, mit dem die meisten marktgängigen Komponenten mit allen relevanten Daten als Modelle aus einer Bibliothek geladen werden können.
In Software wie Eplan Pro Panel entsteht dann das 3D-Modell, das als digitaler Zwilling der Anlage genutzt werden kann, bestenfalls als „Single Source of Truth“ in der Eplan Cloud. Es enthält relevante Informationen, die auch zur realen Anlage gehören und für ihre Planung, ihren Bau, ihre Inbetriebnahme und ihren Betrieb wichtig sind: die Automatisierungslogik, die Verdrahtung der gesamten Elektrik, die Schaltschränke samt Inhalt und Aufbau, und die Funktionsweise der Anlage und ihrer einzelnen Komponenten.
Und da dieser digitale Zwilling hoch relevante Informationen darüber enthält, was die Produktionsanlage ausmacht, dient er nicht nur für deren Planung und Bau, sondern wird immer mehr auch für Prozesse herangezogen, die mit der Automatisierung und vor allem Digitalisierung zusammenhängen. Das beginnt beim Engineering, also beim Design und der Auslegung der Anlage, geht über Planung und Programmierung der Steuerung bis zum eigentlichen Maschinenbau und letztlich zum Betrieb und Service der Fabrik.
Weil der digitale Anlagenzwilling eine so große und vor allem bereichs- und prozessübergreifende Bedeutung hat, kann er inzwischen als Rittal ePocket über einen QR-Code am Schaltschrank direkt aufgerufen und genutzt werden. Der digitale Zwilling in der Eplan Cloud begleitet den realen Schaltschrank fortan auf seinem gesamten Lebenszyklus.
Personalakte für das ganze Leben: Der digitale Produktzwilling
Eines der Kernmotive für die smarte Fabrik ist der Fokus auf individualisierte Fertigung zu Bedingungen der Massenproduktion. Die Fertigung benötigt passende, produktionsrelevante Daten wie Stücklisten jedes Produkttyps oder sogar einzelnen Produkts im richtigen Format. Neben den Konfigurationsinformationen des Kunden können dafür noch Bauteilinformationen oder Konstruktions-Updates aus dem PLM einfließen. Diese Daten müssen entlang der Kette von der Konfiguration durch den Kunden über die Fertigung bis zur Auslieferung laufen.
Mit anderen Worten: Für die Fertigung gefragt ist ein hochwertiger, vollständiger, digitaler Datensatz zu jedem Produkt bzw. Werkstück – ein digitaler Produktzwilling. Dabei kommen die Abkürzungen ins Spiel, die für jeden Ingenieur in der produzierenden Industrie wie die entsprechenden Softwarelösungen zum täglichen Sprachschatz gehören: CAD, PDM/PLM und ERP. Cideon, ebenfalls aus der Friedhelm Loh Group, hilft seinen Kunden, mit den beteiligten Systemen in einem integrativen Prozess zu arbeiten und ist dafür seit vielen Jahren Platinum Partner für Autodesk und SAP. Im Kern geht es um die Integration von CAD aus den am weitesten verbreiteten Tools Auto CAD, Inventor, Solid Edge, Solid Works und Eplan mit dem Ziel einer Single Source of Truth.
Wer weitergehen will, kann das tun: Cideon ebnet den Weg, um bestenfalls Daten per Knopfdruck direkt in die Fertigung weiterzugeben: beispielsweise vollständige 3D-Modelle, aus denen sich Zeichnungen ableiten und die CAM-Bearbeitungsdaten automatisiert erzeugen lassen. So wirken die Daten aus dem Produktzyklus direkt in die Fertigung einer Smart Production hinein.
Transparenz über Prozesse: Der digitaler Fertigungszwilling
Wer mehr Produktivität in der industriellen Fertigung erreichen will, muss den Produktionsprozess selbst verändern und Dynamik in meist starre Abläufe bringen. Das funktioniert, wenn Bewegungsdaten aus der Produktion im laufenden Anlagenbetrieb mit IIoT-Sensordaten und Stammdaten gematcht werden. So lässt sich kurz beschreiben, wofür German Edge Cloud das Oncite Digital Production System (DPS) vorgestellt hat: als Datendrehscheibe für volle Transparenz über alle Fertigungsprozesse – Grundlage für Optierung und alle weiteren Schritte zur smarten Fabrik. Dafür bedient sich das DPS moderner Softwaretechnologie, wie sie sich in cloud-nativen Umgebungen basierend auf Container-Technologie mit Microservices herausgebildet haben.
Aufbauend auf fundierter Erfahrung aus der Automatisierung und IIoT hat GEC eine cloud-native Lösung entwickelt, die dem Industriekunden die Möglichkeiten offen lässt. Über Private wie Public Cloud kann je nach Use Case der Teil einer hybriden Multi-Cloud-Lösung zum Einsatz kommen, der sich dafür am besten eignet. Für schnelle Datenanalyse in Nahezu-Echtzeit gibt es zudem eine hoch skalierbare Factory-Edge-Infrastruktur mit der Hardware direkt am Shopfloor
„Das System“, sagt Dieter Meuser, CEO German Edge Cloud, „ist dabei die Datendrehscheibe und bringt Flexibilität für IIoT-Anwendungen ein.“ Das Oncite DPS unterstützt die Vernetzung von Anlagen, die Visualisierung von Prozessen sowie Anwendungen von Track & Trace bis hin zum agilen, IIoT-gestützten Fertigungsmanagement oder Anwendungen wie KI-gestützte visuelle Qualitätskontrolle. Die Software-Services können parallel zu bestehenden IT/OT-Infrastrukturen eingesetzt und in verschiedenen Umgebungen betrieben werden. Kunden müssen ihre installierten Lösungen nicht abschalten. Die Systeme können auch parallel betrieben oder schrittweise migriert werden.
Energieströme als neue Regelgröße
Fertigungsleiter haben heute zusätzliche Aufgaben: Energieströme sichtbar machen. Energieverbräuche analysieren. Die Energieversorgung besser managen. Schneller als erwartet müssen sie auf ihrem Weg zur Smart Production auch diese Aspekte im Griff haben. Schließlich ist klar, dass in einer „All Electric Society“ in Deutschland nicht mehr zu jeder Zeit ausreichend Energie für den wirtschaftlichen Betrieb großer Fabriken verfügbar sein wird. Doch wie lassen sich Stromfresser identifizieren und zukünftig energieintensive Fertigungsprozesse in energiegünstige Zeiten verlegen? Und welche Rolle spielen dabei die Fertigungsdaten?
Klar ist: Energiedaten ohne Kontext geben keinen Durchblick. „Nur was sich messen und im Kontext verstehen lässt, kann später auch bewertet, gemanagt und optimiert werden“, so Dieter Meuser. Im Rittal Werk in Haiger haben die Software-Experten der Friedhelm Loh Group deswegen das Monitoring der Energieströme in die IT-gestützte 360-Grad-Sicht aller Prozesse eingebaut.
Wie kommt das Energiemonitoring dort konkret ans Laufen? Maschinen und Anlagen der Fertigung werden mit Energiemessgeräten ausgerüstet, die die gemessenen Werte automatisch ans Oncite Digital Production System (DPS) senden. Im laufenden Anlagenbetrieb gleicht das System Stammdaten gegen die Bewegungsdaten aus der Produktion ab und stellt sie in einem Kreislauf von Analytics, Alerts und Live-Dashboarding zur Verfügung.
„Es ist logisch, dass nur der Abgleich der eingegangenen Energiedaten zu den spezifischen Fertigungsprozessen und zum jeweiligen Produkt die Erkenntnisse bringt, die Fertigungs- und Werksleiter brauchen“, erläutert der GEC CEO. „Theoretisch lässt sich das ausweiten bis hin zum Product Carbon Footprint (PCF). Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass der PCF beizeiten ein marktrelevanter Faktor wird.“ Die Frage nach der Energieeffizienz stelle sich dagegen unmittelbar: Wenn wir erkennen können, welcher Auftrag mit welchen Stückzahlen und welchem Produkt auf welcher Anlage wann welche Energieverbräuche verzeichnete, kann Rittal vom Energiemonitoring aufs Energiemanagement übergehen, um energieeffizienter zu fertigen.“
Die optimale Versorgung mit Energie ist das eigentliche Ziel. Das transparente Datenlagebild über die Energieströme und ihre Kontextualisierung schaffen das Fundament für Optimierungen: wie professionelles Lastmanagement zur Steuerung des Stromverbrauchs, die Verhinderung von Lastspitzen sowie die feingranulare Abstimmung von Stromverfügbarkeit und -verbrauch, sei es bei eigener Stromerzeugung oder externer Energiezulieferung. Stichwort feingranular: „Smartes Energiemanagement sollte Fabrikbetreiber letztlich auch in die Lage versetzen, energieintensive Fertigungsvorgänge in energiegünstige Zeiten zu verlegen“, ist Dieter Meuser überzeugt. Und ergänzt: „Eine solche Entscheidung kann man auf der neuen Datenbasis heute schon recht zuverlässig treffen.“